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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

seiner Selbstliebe bleibt, die er wie eine unübersteigliche Mauer um sein ganzes Dasein zu bauen weiß. Nun, die Geschichte kenne ich, und was weiter?“

„Nichts weiter, als daß dieser Graf mein Ideal ist. Ein solcher Kerl will ich auch werden; es steckt doch noch einige Vernunft dahinter!“

Daß es dem jungen Fürsten damals Ernst mit seiner Meinung war, beeilte er sich der Gräfin durch die That, das heißt durch eine scandalöse Verführung, die er bald darauf in dem gräflichen Hause in Scene setzte und die ihm einen tüchtigen Säbelhieb über den Kopf, von kräftiger Hand im Zweikampf geführt, einbrachte, zu beweisen. Sein späteres Leben ist reich an solchen, eben nicht rühmlichen Liebesaffairen, die ihm dennoch in seinen Kreisen großen Ruf gebracht haben. Vor irgend welchen Folgen zurückzuschrecken, lag nicht in seiner Art, sondern immer war er bereit, seine oft frivolen Handlungen mit der Pistole oder dem Degen zu vertheidigen und so nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben Anderer leichtsinnig zu gefährden und daranzusetzen. Ein Wunder, daß er nicht schon früher sein Ende gefunden hat. Recht bezeichnend ist eine Aeußerung seines Anton’s, der mir auf die Theilnahme, die ich ihm tief ergriffen am Morgen nach der Ermordung seines Herrn äußerte, in aller Ruhe antwortete: „Seien Sie doch ruhig! Ich hab immer in Czresanowitz (einem fürstlichen Schlosse in Oberschlesien) gesagt: Ihr sollt sehn, ich komm’ noch einmal ohne den Fürsten nach Hause! Nun trifft’s ein!“ In Betreff des Fürsten konnte ihn nichts mehr überraschen. Er war in jedem Momente gefaßt, etwas Außergewöhnliches mit ihm zu erleben. Schon in Spanien hatte er es mit angesehen, wie der Fürst nahe daran war, von einem wüthenden Volkshaufen erschlagen zu werden, und nur dadurch, daß sich die Polizei seiner bemächtigte und ihn in’s Gefängniß sperrte, gerettet wurde.

In seinem Verkehr mit Frauen lagen große Fehler und Schwächen, und ich muß bekennen, daß, wo sich mir die Gelegenheit bot, ihn in solchen Augenblicken zu beobachten, meine Werthschätzung für ihn stets sehr abgekühlt wurde. Denn etwas Gezierteres, Affectirteres, Unnatürlicheres und doch wieder Rücksichtsloseres habe ich nie wieder an einem jungen Manne, der sich liebenswürdigen und gebildeten Frauen gegenüber befindet, beobachtet. Ihm war Alles erlaubt, und selbst das Unverzeihlichste wurde ihm verziehen. In Sagan wußte man ganz kolossale Dinge in dieser Beziehung zu erzählen, und die Herzogin hat manches Unangenehme durch ihn erlebt. Ich will aus dem Privatverkehr nur eines ihn charakterisirenden Momentes hier noch Erwähnung thun.

Ich war an einem Sonntag Nachmittag mit einem Freunde nach Homburg herübergefahren. Bald bemerkte ich auch den Fürsten dort, hielt mich aber sehr zurückgezogen, da er einen großen Train hinter sich hatte und ungewöhnlich laut war. Die Hitze des Tages war vorüber, und vor dem Curhause hatte sich ein sehr zahlreiches und elegantes Publicum von Herren und Damen aller Länder und Nationen eingefunden. Da sehe ich, wie der Fürst vier Stühle mitten auf den nicht zu betretenden Rasenplatz, der sich in herrlicher Frische vor der Terrasse ausbreitet, bringen läßt. Auf den einen setzt er sich, die beiden anderen läßt er sich rechts und links als Stützen für seine Arme stellen und auf den vierten legt er die Füße. Den Hut hat er in’s Gras geworfen und in einer schönen, wie für einen Maler bestimmten Stellung, raucht er seine echte Havanna ruhig weiter und seine Blicke sagen: „Seht mich, den schönen weltberühmten Felix, Ihr Frauen Homburgs! Bewundert mich, und verliebt Euch im mich!“ Es glückte ihm auch, denn Aller Augen richteten sich nach dem in der Mitte des Rasenplatzes so allein und absonderlich Dasitzenden. Die Urtheile aber mögen wohl sehr verschieden gewesen sein.

Unter Männern war er ein ganz Anderer, und erst da trat seine Bedeutung hervor. Für die Rednerbühne hatte er eine hervorragende Begabung. Ein außergewöhnlich gutes und zuverlässiges Gedächtniß, eine schnelle und sichere Fassungsgabe und eine blitzartige Schlag- und Trefffähigkeit bildeten die festen Grundlagen für sein oratorisches Talent; dazu kam noch die unerschütterlichste persönliche Zuversicht. Immer und überall drang seine angeborene Begabung durch, und so war es oft ein wahres Vergnügen, nach langen, sehr gelehrten und durchdachten, aber doch ermüdenden Reden Anderer ihn auf die Rednerbühne stürzen und in seiner sprudelnden, kecken, herausfordernden, stets treffenden Weise die abgespannte Gesellschaft neu beleben und feurig anregen zu sehen. An witzigen Bemerkungen ließ er es niemals fehlen, ebensowenig an solchen, die seine Gegner tief verletzten und ihm ihren bittersten Haß zuziehen mußten. Nur einmal hat man ihn in einer Art von Verlegenheit auf der Tribüne gesehen. Er sprach für das historische Recht der Aristokraten und wandte sich mit seiner ganzen Sicherheit an die Linke, indem er rief: „Das historische Recht, meine Herren, hat kein Datum nicht!“ Schallendes Gelächter. Er wiederholte es noch einmal mit größerer und gedehnterer Betonung: „Ich sage, das historische Recht hat kein Datum nicht!“ Wiederholtes und allgemeines Gelächter. Selbst die äußerste Rechte lacht mit. Dieses allgemeine Gelächter war Seiner Durchlaucht durchaus unbegreiflich, und trotzig mit untergeschlagenen Armen blieb er stehen, als ob er die Absicht habe, der ganzen ungezogenen Versammlung eine Herausforderung an den Kopf zu schleudern, bis ihn denn seine Freunde auf den so drastisch wirkenden Sprachfehler aufmerksam machten.

Seine Tournüre war höchst elegant, so wie seine Kleidung. Seine Eitelkeit natürlich auch hier sehr ausgebildet. „Was meinen Sie,“ sagte er einmal zu mir, „macht sich auf der Rednerbühne, – ich werde nämlich heute sprechen – ein weißes oder ein buntes Taschentuch besser?“

Bei seiner Launenhaftigkeit und Heftigkeit war es schwer, mit ihm umzugehen, und selbst der nachgiebigste Mensch kam irgend einmal mit ihm zusammen, doch war ihm eine gewisse Noblesse nicht abzusprechen. Poesie und poetische Gefühle lagen ihm wohl eigentlich fern, denn im Grunde war er ein prosaischer Verstandesmensch, der nur das Reale und durchaus nicht das Ideale suchte.

Um zu beweisen, wie reizbar der Fürst war, will ich hier eines Streites erwähnen, den ich mit ihm hatte. Ich wollte den bekannten Dichter Moritz Hartmann auch in mein Bild mit aufnehmen. Das erboste aber den Fürsten ganz ungemein. Hartmann spielte allerdings keine große politische Rolle, war aber doch ein bekannter Name, ein sehr schöner Mann, bei den Frankfurter Damen sehr beliebt und stand mit mir in freundlichem Verkehre. Daß er schön und auch bei den Frauen beliebt war, das konnte ihm eben der Fürst nicht vergeben. – Wir kamen heftig aneinander, und ich will die Ehrentitel, die er dem Dichter anhing, hier nicht wiederholen. Da ich fest blieb, ging er barsch und mit allen möglichen unangenehmen Zusicherungen von mir. Ein liebenswürdiges Billet, das ich einige Tage später von ihm erhielt, glich Alles wieder aus. –

In fünfundzwanzig Jahren schwindet Vieles aus dem Gedächtniß, und so wird es den Lesern nicht unwillkommen sein, wenn ich des Fürsten und seines Schicksalsgenossen, des Generals von Auerswald, gemeinsames, furchtbares Ende ausführlicher und nach Quellen erzähle, die nach dem anfänglichen Durcheinander ein ziemlich klares Bild des Todesrittes und Todesganges der Beiden geben.

Der Sommer war vorüber und hatte auch manchen schwülen, stürmischen Tag in die Paulskirche gebracht. Die Nachrichten aus Berlin, Wien und Paris beunruhigten und regten Jedermann auf. Ueberall Sturm und erregte Leidenschaften. Obgleich man es in Frankfurt bis zu einem Reichsverweser gebracht hatte, erschienen doch auch dort alle Zustände sehr fraglich und ungesichert. Was konnte auch der gute Johann, der mit vielem Pomp in Frankfurt eingezogen war, viel an den großen ungelösten Fragen ändern? Ohne Geld und ohne Soldaten! – Das Bischen österreichische Gemüthlichkeit nebst Dialect und herzigem Familienleben (die Gräfin von Meran und Sohn waren auch angekommen) reichte mit seinem Einfluß nicht über die Frankfurter Stadtmauer. – Dagegen wuchs in Folge der Annahme des Malmoer Waffenstillstandes die Unzufriedenheit und Aufregung namentlich in den benachbarten kleinstaatlichen Gebieten. Frankfurt war stets angefüllt von jungen, leidenschaftlich aufgeregten Männern, die aus den benachbarten Städten und umliegenden Dörfern zu den wichtigsten Parlamentssitzungen herangezogen kamen, und was während der Sitzungen nicht Platz auf den Galerien fand, nahm Stellung vor der Paulskirche, um auch dort Beifall oder Mißfallen an den vorübergehenden Deputierten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_645.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)