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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Auch der Generallieutenant von Kalkreuth versuchte bei Greußen zunächst dieselbe Kriegslist anzuwenden, um den Feind aufzuhalten und die Flucht des Königs möglichst zu sichern. Da aber Soult bei einer Unterredung auf dem Hengstberge, etwa eine halbe Wegstunde von Greußen, an welcher auch Blücher theilnahm, klugerweise nicht an einen Waffenstillstand glauben mochte, sondern schroff Streckung der Waffen verlangte, während Blücher durchaus nichts von Capitulation hören mochte, so traf Kalkreuth alsbald Maßnahmen, die leicht hätten zur völligen Verwüstung der Stadt führen können.

Greußen liegt in einer von Westen nach Osten gestreckten, aber schmalen Ebene, welche von mehreren Armen der Helbe durchströmt wird. Südlich von


Die lustigen Weiber von Windsor.
Illustrations-Probe aus der Grote’schen Shakespeare-Ausgabe.
Von H. Lossow.


Greußen, dicht hinter der nach Weißensee hinabfließenden sogenannten sächsischen Helbe steigt eine leichte wellenförmige Anhöhe, welche dicht bei Greußen der Warthügel genannt wird, etwas über fünfzig Fuß hoch empor. Von dort her nahte der Feind, und hier stellte der preußische General am Wasser entlang, rings von Weidenbäumen und Dämmen gedeckt, die braven Weimarschen Jäger auf, um den ersten Anprall des Feindes aufzuhalten.

Auf der nördlichen Seite, dicht hinter der erwähnten Steinfurthsmühle, grenzt jene Ebene dagegen an den äußersten Fuß der Hainleite, die sich im Possen bei Sondershausen gegen neunhundert Fuß über das Pflaster von Greußen erhebt, um dann wieder stark zum Wipperthale hinabzufallen. Dorthin über die meilenlange, allmählich aufsteigende Höhe, durch die Dörfer Ober- und Niedertopfstedt, Westerengel, Kirchengel und Oberspier nach Sondershausen hin mußte der Rückzug dieser Nachhut genommen werden. Auf dem Abhange dieses Berges stellte Kalkreuth die rasch noch einmal gesammelte Hauptmenge seiner Truppen in einer langen Linie auf, welche von Greußen bis Grüningen reichte und dort namentlich den von Ottenhausen her anrückenden Franzosen gegenüber durch eine halbe reitende Batterie gedeckt wurde. Greußen selbst lag hiernach zwischen den Verfolgten.

Nachmittags halb vier Uhr begann das mit Kleingewehr und Geschütz geführte Gefecht und endete erst Abends halb acht Uhr mit dem Rückzuge der vor der gewaltigen Uebermacht weichenden Preußen. Dieser vierstündige Aufenthalt hatte genügt, um den schon vorausgeeilten König vor seinen Verfolgern in volle Sicherheit zu bringen.

Den Bewohnern von Greußen standen die schwersten Drangsale bevor. Der Flucht der letzten Preußen war eine kurze, bange Stille gefolgt, dann aber rückte der Feind ein, und, wie der Chronist Sternickel mehr kühn, als correct sagt, „es ertönte nun aus mehreren tausend Kehlen das furchtbare Einrücken der Franzosen“. Die zuchtlosen Kriegsvölker wälzten sich wie eine Sturmfluth fluchend und brüllend durch die Straßen. Sie begannen sofort die Thüren einzuschlagen, strömten in die Häuser, mißhandelten in der abscheulichsten Weise Männer und vor Allem Frauen und Mädchen, erbrachen in Stube und Kammer, im Keller wie auf dem Boden alle Schränke, Kisten und Kasten und raubten, was ihnen nur irgend von Werth schien.

Da die Soldaten hierbei mit brennenden Lichtern in der Hand, vom Weine und Branntweine trunken, auch in gefüllte Scheuern und Ställe drangen, so entstand gegen Mitternacht in der Altstadt Feuer, das beim Mangel rettender und helfender Hände bis gegen Mittag des folgenden Tages fortwüthete und eine Reihe von Häusern in Asche legte. Dabei aber dauerten die Gewaltthaten und Räubereien selbst in den kleinsten und ärmsten Häusern ungestört fort.

Auch in dem Dorf Wasserthaleben, das, wie Greußen, an der Helbe und nur etwa eine Stunde weiter nach Westen und thalaufwärts liegt, erschienen Beute machende Franzosen. Pastor Zahn glaubte zu jener Zeit noch an den unter allen Umständen höflichen Charakter der Franzosen. Er trat ihnen mit einigen bewillkommnenden Redensarten entgegen, wurde aber auch sofort über seinen Irrthum belehrt. Denn statt seine Höflichkeit zu erwidern, packten sie den würdigen Mann am Halse, drängten ihn in die Stube und nöthigten ihn dann unter schweren Drohungen, alles irgend Wertvolle herauszugeben. Auch hier standen den Plünderern vor Allem Geld, Schmucksachen und Kleider an, aber sie nahmen auch die im Hause verwahrten Altargeräthe an Kelchen und Hostienbehältern an sich und waren eben im besten Suchen nach weiteren Schätzen begriffen, als es dem Pastor glücklich gelang, ihnen zu entwischen und durch ein Fenster in das Freie zu entkommen. Er lief sogleich zum Amtsverwalter Böttcher, dem dortigen Domänenpächter, und theilte ihm seine Bedrängniß mit. Dieser, ein riesenstarker und beherzter Mann, war sofort zur Hülfe bereit. Er rief schleunig seine Knechte und Schäfer zusammen und stürmte mit ihnen in das Pfarrhaus hinüber, während zugleich der Flurschütze, durch das Dorf eilend, sein „Mannschaften heraus!“ vor jedem Hause schrie.

Die plündernde Rotte war bald genug entwaffnet und mit einigen derben Püffen und Knuffen aus dem Dorfe gejagt. Die Geflüchteten ließen aber die Schmach nicht auf sich sitzen, sondern riefen rasch ganze Schaaren ihrer vorbeiziehenden Cameraden zur Hülfe herbei, und jetzt wandte sich plötzlich das Blatt. Die Franzosen zogen unter unaufhörlichem Feuern in das Dorf; alle männlichen Einwohner mußten flüchten, und nichts Werthvolles wurde verschmäht.

Der König war, wie oben erwähnt wurde, der Nachhut seines Heeres um mehrere Stunden vorangeeilt und an jenem 16. October schon Vormittags, also früher nach Sondershausen gelangt, als jene nach Greußen kam. Er ließ auf dem Marktplatze halten und stieg aus, aber nicht, um auf das Schloß des Fürsten zu gehen, da dies die dringliche Eile nicht gestattete. Er begab sich vielmehr sofort in das Bertram’sche Haus am Markte und erbat sich hier von der Frau des Oekonomen Tölle Wasser zum Waschen und ein Hemd. Während er noch mit der Toilette beschäftigt war, kam Fürst Günther Friedrich Karl der Erste von Schwarzburg-Sondershausen vom

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_198.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)