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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

erst in Karlsruhe, dann in Constanz; eine Schwester desselben heirathete den verstorbenen badischen Minister Mathy, rühmlichen Angedenkens. Am 6. Mai 1830 wurde Max Stromeyer geboren. Nach dem Willen des Vaters sollte er Mechaniker werden, aber er bezeigte keine Lust dazu und wollte studiren. Erst nach manchen Wandlungen des Berufs wurde es ihm in schon vorgerücktem Lebensalter ermöglicht, das Gymnasialexamen zu machen und sich dem Cameralfache zu widmen. Im Jahre 1859, nach bestandener Prüfung, erhielt er seine erste Anstellung im Steuerfache; 1861 übertrug man ihm die Verwaltung der bedeutenden Districtsstiftungen in Constanz. Und von diesem Momente an nahm er den lebhaftesten Antheil an dem öffentlichen Leben. Bald zog er die Aufmerksamkeit seiner freisinnigen Mitbürger auf sich, die in ihm den muthigen, fest auf’s Ziel gehenden Kämpfer für ihre Sache erkannten. Er wurde schnell nach einander in den Bezirksrath gewählt, dann in die Kreisversammlung, in den Kreisausschuß und 1864 in den Stadtrath. Seine Thatkraft hatte jetzt den rechten Boden, auf dem sie sich so glänzend bewähren sollte, und vollends, als er am 11. October 1866 in einer heftigen Wahlschlacht gegen die ultramontane Partei unter dem Jubel seiner Freunde als Sieger hervorging und Bürgermeister von Constanz wurde.

Die Energie, mit welcher er sein Amt führte, um es zu einer Quelle des Segens für seine Vaterstadt zu machen, verspürte man nach allen Richtungen. Vor Allem suchte er aber erst den lähmenden Geist aus Constanz zu scheuchen und der freien Luft Zutritt in die dumpfe Atmosphäre zu verschaffen. Er sammelte seine Freunde und ordnete die Reihen seiner Partei, um überall kampffertig gegen die Römlinge zu stehen, die in der katholischen Stadt mit Ingrimm die Zügel ihrer Herrschaft sich entfallen sahen. Er hatte die „Constanzer Zeitung“ in’s Leben rufen helfen, die mit wuchtigen Schlägen für die liberale Sache stritt, und übernahm 1866 sogar selbst die Verantwortlichkeit ihrer Redaction, um sie der Partei zu erhalten. Er war einer der mannhaftesten Streiter in Sachen des Stiftungsgesetzes, welches gegen die Ultramontanen in Baden durchgebracht wurde; er betrieb gegen diese die Einführung confessionell gemischter Volksschulen in Constanz und deren zeitgemäßere Vervollkommnung. Schanze auf Schanze nahm er so mit seinen wackeren Bürgern den Römlingen, und in ihrem Zorne ließen diese deshalb am 14. Januar 1869 den Bannstrahl auf ihn schleudern. Seine Excommunication ging aber weder Stromeyer, noch der Bürgerschaft zu Herzen. Auch hier, auf diesem Boden, zündeten die vaticanischen Blitze nicht mehr, und die neue Zeit hielt ihnen den ableitenden Schild des freien Geistes entgegen.

Nicht glänzender konnte dies bewiesen werden, als durch die Thatsache, daß am 22. Juni 1870 Stromeyer abermals zum Bürgermeister gewählt wurde und daß in dieser neuen, heißen Schlacht gegen die Ultramontanen der Excommunicirte als der gefeierte Mann des Tages von nah und fern, um der Sache willen, seine Glückwünsche erhielt.

Unermüdlich ein Wächter gegen alle pfäffischen Ränke, war er auch rastlos in der Arbeit, um Constanz materiell emporzuheben. Durch ihn belebte sich das Vereinswesen, verbesserten sich mittelst der Vorschußbank die socialen Verhältnisse und das Kleingewerbe; durch ihn erstanden so manche der neuen Bauten, auch das vortrefflich eingerichtete Krankenhaus in der Vorstadt Neuhausen; durch ihn erhielten die Häuser der Stadt eine neue Wasserleitung, und neben gesundem Trinkwasser ist ihm auch die Anlage der Seebäder zu verdanken, die den Armen unbeschränkt zu ihrer Gesundsheitspflege geöffnet sind. An der Gründung des neuen Badhôtels hat er sich betheiligt; die Hebung des Verkehrs, die Anschlüsse der Eisenbahnen, die Errichtung einer Reichspost-Direction und einer Reichsbank-Filiale und sonst Alles, was heute Constanz in wahrhaft überraschender Weise als eine rührige, lebensvolle Stadt kennzeichnet, bildet den Beweis seiner rühmenswerthen Bürgermeisterthätigkeit. Durch ihn und unter ihm ist Constanz zu einer Eckburg des neuen deutschen Reiches geworden, eine Wacht am Rhein gegen das Römlingsthum. Eine selbstbewußte Bürgerschaft, echt deutschen und freisinnigen Geistes, verehrt in ihrem Stadtverwalter auch den Führer auf dem Gebiete, wo Altes noch mit dem Neuen ringt und der Fortschritt „trotz dem und alledem“ seiner Triumphe sicher ist.




Der Verleger der deutschen Classiker.

Als am 8. Mai 1839 Thorwaldsen’s Schiller-Standbild enthüllt werden sollte, schrieb Schiller’s zweiter Sohn Ernst, Appellationsgerichtsrath in Köln, an Georg von Cotta, den Sohn des berühmten Schiller-Verlegers: „Ich bin der Meinung, daß, wenn ein gesellschaftliches Subscriptions-Diner stattfindet, Du mit Schiller’s Söhnen zusammensitzest, damit Deutschland und Württemberg das innige Verhältniß auch sehe, in welchem Cotta und Schiller standen und stehen. Die Geister unserer Väter würden auch jenseits sich darüber freuen.“ Der frohe Stolz auf die Größe der Väter und ihre „classische Freundschaft“, der aus den Söhnen spricht, hat sich auf die Enkel verpflanzt: soeben geht aus dem Cotta’schen Verlage in Stuttgart ein stattliches Buch hervor: „Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta. Herausgegeben von Wilhelm Vollmer. Mit dem Portrait J. F. Cotta’s“. Dasselbe erscheint, wie das Vorwort des Herausgebers uns mittheilt, im gemeinsamen Auftrage der Familien Schiller-Gleichen-Rußwurm und Cotta, welche damit dem Freundschaftsbunde zwischen ihren Großvätern ein ehrenvolles Denkmal zu errichten beschlossen haben. In der That ein Denkmal, würdig der beiden ausgezeichneten Männer, denen es gilt, und würdig der alten Tradition, welche die Cotta’sche Buchhandlung von jenem ihrem berühmtesten Vertreter ererbt und weitergepflegt hat. Das Cotta’sche Archiv zu Stuttgart und das Gleichen’sche zu Greiffenstein ob Bonnland haben ihre Schätze hergegeben, wie in meisterhafter Bearbeitung liegen dieselben nunmehr, noch um eine große Zahl anderweitiger Briefe und Documente vermehrt, dem Publicum vor, ein Geschenk, wie es an weittragender Bedeutung und reicher Belehrung ähnlich die literarische Welt auf diesem Gebiete seit lange nicht empfangen hat.

Ein edleres Geschäftsverhältniß, als das, welches sich hier zwischen Dichter und Verleger vor den Augen des Lesers aufthut, läßt sich nicht denken. Die Charaktere der beiden Männer entsprechen keineswegs dem scharfen Gegensatze, in welchen das Leben und die Meinung der Welt die Berufe des Geschäftsmannes und des Dichters miteinander zu setzen pflegt. Denn der Geschäftsmann Cotta ist zugleich ein hochgebildeter Jurist von weitschauendem Blicke, voll Enthusiasmus für das Schöne und Edle, voll thätiger Theilnahme an den Geschicken seines kleinen und großen Vaterlandes. Dem gegenüber ist der Dichter Schiller – und so zeigt ihn dieses Buch mehr als irgend eine früher publicirte Quelle seiner Lebensgeschichte – zugleich ein firmer Geschäftsmann, der nicht nur mit rühriger Praxis seine eigenen Interessen und Obliegenheiten als Redacteur und Schriftsteller verwaltet, sondern der auch in anderen Dingen dem Buchhändler große und weitumfassende Ideen mitzutheilen und mit Sicherheit und Feinheit zu vermitteln weiß zwischen dem Verleger und dem schwierigen Freunde Goethe, sodaß Cotta, was Schiller ihm räth, stets unbedenklich und mit Glück befolgt und Goethe noch Jahre nach Schiller’s Tode den Edeln vermißt, der „bei unseren Angelegenheiten ein so lieber als glücklicher Mittelsmann war“. Und dabei, auf beiden Seiten, welche Noblesse in dem heikligsten aller Punkte, dem Geldpunkte, welche Ehrenhaftigkeit gegen einander, gegen die Fachgenossen, gegen das Publicum: es ist ein überaus wohlthuendes Bild, das diese Briefe uns eröffnen, ein Bild, das wohl zu einem Augenblicke ruhiger Betrachtung einladet.

Cotta entstammte einer Familie, die bereits seit vier Generationen im Besitze der akademischen Buchhandlung in Tübingen war. Der einst nicht unbedeutende Glanz der Firma aber war im Erlöschen; Cotta’s Vater lebte in Stuttgart, wo er eine Hof- und Kanzleibuchdruckerei errichtet hatte; die Tübinger Handlung ward durch Factoren verwaltet. Es verdient angemerkt zu werden, daß des alten Cotta Druckerei auch in Ludwigsburg einen Schößling getrieben hatte. In dem dortigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_450.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)