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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

No. 4.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Amtmanns Magd.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)

Das Mädchen wandte sich ab, als hörte sie kaum auf das, was Fritz sagte, und nahm das weiße Tuch von der Bank, um es wieder über den Kopf zu werfen.

„Aber mir geht das Rebelliren im alten Hirschwinkel doch an’s Herz,“ setzte er hinzu. „Das Vorwerkshaus steht auch nicht fester als die Schneidemühle – der beste Vorwand, kurzen Proceß zu machen.“

„Mag er!“ sagte das Mädchen rauh, während sie die Tuchzipfel mit hastigen Händen unter dem Kinn zusammenknüpfte. „Mag er uns auf den Bettel schicken! Mag’s sein – immer hin! Ich zermartere mir Nachts nur immer den Kopf, wie wir die Kranke fortbringen wollen –“ die Stimme versagte ihr.

„Aber das ist doch das Wenigste,“ meinte er mit seinem treuherzigen Lächeln in dem bärtigen Gesicht. „Halten Sie mich denn für so ’nen Schneider, daß ich nicht einmal das abgezehrte, schwache Weibchen auf dem Arme forttragen könnte? Stundenweit will ich sie tragen, die gute, alte Dame, und sie soll weder Ruck noch Zuck verspüren in ihren schmerzhaften Gliedern. Und so weit ist’s ja auch noch lange nicht bis zu dem Hause da. Die schöne Eckstube auf der Südseite ist groß und hell – da kann ihr Bett stehen, und sie sieht von zwei Seiten in’s Grüne; das wird ihr gut thun. Und der alte Herr hat’s hier am Fenster auch viel hübscher als auf dem Vorwerk; es fährt und geht ja doch dann und wann ein Bischen Menschentreiben vorbei – auf dem Vorwerk sieht er nur den öden Hof, wo die paar übriggebliebenen Hühner krakeln und scharren.“

„Sie sind treu wie Gold, Fritz, aber –“

„Und das Giebelstübchen da oben,“ fuhr er fort, ohne ihren Einwurf zu beachten, und zeigte mit dem Daumen nach dem Fenster, vor welchem die Vogelbauer hingen – „das ist das schönste im ganzen Hause; ich lasse einen kleinen Ofen hineinsetzen, und da kann eine junge Dame im Sommer und im Winter malen und in ihrer freien Zeit hübsches Geld verdienen. Also mit dem Bettel ist’s noch nichts, noch lange nicht. … Nur immer den Kopf oben behalten – das ist die Hauptsache.“

„Ja, das werde ich,“ sagte sie fest und nicht ohne einen gewissen Trotz. „Es soll dem tückischen Schicksal schwer werden, mich niederzuwerfen. Noch weiß ich nicht, was Seelenmüdigkeit ist, und dazu fühle ich die Kraft der Jugend in meinen Händen. … Und ansehen soll mir’s gewiß Keiner, wenn das Bischen Selbstgefühl einmal nicht so pariren will, wie es soll und muß. – Im Uebrigen sind Sie ja da, Fritz, meine treue Stütze.“

Sie griff nach dem Handkorbe. „Nun muß ich heim – da wartet noch ein tüchtiges Stück Arbeit auf mich. Und nebenbei muß ich noch plätten – die arme Kranke soll und muß morgen frischgewaschene Bettgardinen haben, aber ich bin mit meinem Tannenzapfen-Vorrath zu Ende“ – ein Lächeln huschte wie Sonnenlicht über ihr Gesicht – „und da habe ich den unverschämt großen Korb da mitgebracht.“

Er lachte, nahm den Korb und zugleich das Brod vom Sims und beeilte sich, das Haus aufzuschließen. Gleich darauf kam er beladen zurück. Durch den Wald wenigstens werde er ihr die Last tragen, sagte er abwehrend, als sie darnach griff, und nun schritten sie einträchtig neben einander, zwei prächtige Gestalten, die zusammenpaßten. Und der Hund trabte auf der andern Seite neben dem Mädchen, als sei sie das Eigenthum seines Herrn, das sie Beide eifersüchtig und schützend in ihre Mitte nehmen müßten.

Herr Markus sprang aus dem Gebüsch und sah ihnen nach, starr und unverwandt, bis sie auf der Biegung des Weges verschwanden. Dann fuhr sein Blick verdüstert über das Haus. … Wie lange dauerte es noch, da hingen hübsche Gardinen an den kahlen Fenstern, und ein schönes junges Weib sah heraus – eine lächerliche Zusammenstellung, die der feinen Welt abgelauschten Manieren und das Teigkneten, das Waschen und Scheuern der zukünftigen Frau Forstwärterin!

Aber es war trotz alledem so. Diese beiden Menschen arbeiteten und sorgten mit vereinten Kräften für ihre verarmte Herrschaft, und aus der treuen Cameradschaft wurde schließlich der Ehebund – selbstverständlich! … Was wollte auch die Dienende, von weither Gewanderte im ärmlichen Arbeitskittel mehr? Sie trat in die gesicherte Stellung der Frau, bekam ein schönes Heim im Walde und einen stattlichen Mann, der noch dazu nach Bildung und Belehrung strebte und „die Nase in naturwissenschaftliche Bücher steckte“.

Dieses unbegreifliche Mädchen mit seiner beispiellosen Hingebung hatte dann die geliebten Hülflosen im eigenen Hause. Sie bediente nach wie vor Fräulein Gouvernante und behütete ihr die letzten silbernen Löffel, auf daß kein gemeiner Blechlöffel ihre verwöhnten Lippen berühre. Und droben im schönen Giebelstübchen sollten die schönen Feldblumensträuße gemalt werden, hatte der Forstwärter gesagt. … Zum Teufel, nein, Herr Grünrock, so weit war es noch lange nicht. „Der Herr vom Geldsack mit seinem brüsken Officierston“ ließ sich nicht beschämen, auch nicht vom wohlbestallten Forstwärter Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_057.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2021)