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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 32.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Der lange Holländer.

Novelle von Rudolph Lindau.
(Fortsetzung.)


Jenkins brachte Büchner an Bord der „Aurora Belisle" und verließ uns erst, als wir die Anker gelichtet hatten und die Barke mit der Ebbe langsam aus der Bai dem offenen Meere zu schwamm. Es war ein schöner Abend. Die Sonne ging hinter den schwarzen Hakkonibergen unter und röthete den breiten, mit Schnee bedeckten Krater des Fusi-Yama. Das tiefblaue Meer war sanft bewegt und mit Hunderten von Fischerbooten bedeckt, deren Insassen, wenn wir in ihrer Nähe vorbeifuhren, uns „Glückliche Fahrt!" zuriefen. Die straff gezogenen Segel waren mit lauer Luft leicht gefüllt und durch die Raaen und Taue zog ein leises Summen, das zur Ruhe einlud. Büchner hatte sich auf dem Deck lang ausgestreckt, die Hände unter dem Kopf, die Augen weit geöffnet, und schaute in die Höhe mit einem Ausdruck tiefen Friedens auf dem stillen Gesichte. Ja, von dem Augenblick an gefiel mir der Mann – ich weiß selbst nicht warum.

Es gab bei dem ruhigen Wetter wenig zu thun. Ich setzte mich auf eine Bank neben dem Platze, wo Büchner lag.

„Friedliche Fahrt,“ sagte ich.

Er machte ein zustimmendes Zeichen mit dem Haupte.

„Hoffentlich bleibt das Wetter gut," setzte ich hinzu.

Er richtete sich halb in die Höhe, und auf den einen Ellenbogen gestützt, musterte er langsam den ganzen Horizont. „Kein Wölkchen am Himmel.“

„Schlechtes Wetter kommt unverhofft.“

„Ja, das ist wahr,“ sagte er.

Aber diesmal blieb das Wetter unverändert günstig, bis ich nach zehntägiger Reise die Anker vor Francis Morrisson’s Hong in Shanghai fallen ließ. Während dieser wenigen Tage war ich nun von früh bis spät mit Büchner zusammen. Er aß natürlich mit mir. Ich trinke an Bord nie etwas Anderes als Wasser, Thee und Kaffee, aber ich fragte meinen Passagier, ob er Wein oder nach Tisch ein Glas Brandy nehmen wolle. Er dankte. Ich hatte ihn, wie gesagt, beim ersten Anblick für einen Trinker gehalten. Seine Geschichte kannte ich damals nur unvollkommen, und seine Weigerung, ein Glas Wein zu nehmen, verdroß mich. Sie kam mir wie eine Heuchelei vor; ich war überzeugt, er hätte sich eine Kiste Spirituosen mit an Bord gebracht und tränke des Nachts, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Aber ich hatte


Das Feuerschiff „Adlergrund“ im Hafen von Swinemünde.
Nach einer Photographie von Th. Politzky in Swinemünde.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_517.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)