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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

keinen Waffenrock mit, denn derselbe (bei der Infanterie von dunkelblauer, bei den Jägern von hechtgrauer, bei den Dragonern von lichtblauer, bei der Artillerie von dunkelbrauner Farbe) wird nur in der Garnison im Frieden getragen, während im Felde die Blouse von der Farbe des Waffenrockes bei allen Waffen und Branchen das herrschende Kleidungsstück bildet, wie dies unsere Bilder ersehen lassen. Nur die Generale und Generalstabsoffiziere sowie die den Haupt- und Stabsquartieren zugetheilten Offiziere haben stets im Waffenrock auszurücken und dürfen die übrigens sehr bequeme und praktische, mit zwei oberen und zwei unteren Vordertaschen versehene Blouse nur im Bureau, auf der Mappirung[1] oder auf der Reitschule tragen.

Den Typus der „deutschen Infanterie“ pflegt man in dem auch hier im Bilde vorgeführten „Deutschmeister“ zu erblicken. Wir bemerken hierbei, daß unter „deutscher Infanterie“ kurzweg jene 55 Infanterieregimenter begriffen werden, welche sich in Oesterreich ergänzen, während die 47 anderen Regimenter, deren Ergänzungsbezirke in Ungarn liegen, „ungarische Infanterie“ genannt werden. Bei letzterer sowie bei der ungarischen Landwehr- (Honvéd-) Infanterie trägt die Mannschaft enge, in die Schnürschuhe gesteckte Beinkleider mit eigenartiger Verschnürung (vitézkötés), überdies auf dem je nach dem Regimente verschiedenfarbigen Aufschlage des Rockärmels sogenannte „Bärentatzen“, das heißt Litzen, bei der Mannschaft aus weißem Tuche, bei den Offizieren aus Gold oder Silber, je nach der Farbe der gelben oder weißen Knöpfe. Die deutsche Infanterie dagegen ist einfacher; sie hat keine Litzen und trägt Pantalons.

Was den bereits erwähnten „Deutschmeister“ betrifft, so ist dessen Volksthümlichkeit lediglich auf den Umstand zurückzuführen, daß die bezügliche Truppe aus „Wiener Kindern“ besteht und daher die Heimstätte des Wiener Witzes, der Wiener Lieder und des Wiener Humors ist. Das seit nahezu zweihundert Jahren (1696) bestehende 4. Infanterieregiment hat nämlich die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zum Ergänzungsbezirke und den jeweiligen Hoch- und Deutschmeister (seit 1863 den Feldzeugmeister Erzherzog Wilhelm) zum Regimentsinhaber. Im übrigen dürfte zwischen diesem und den anderen Infanterieregimentern des Heeres in der Organisation, in der Ausbildung und im inneren Werthe kaum irgend ein Unterschied merkbar sein, denn die gleichen Dienst- und Exerzierreglements sowie der einheitliche Charakter des Offizierstandes, und zwar nicht nur bei sämmtlichen Fußtruppen des Heeres, sondern auch bei allen anderen Waffengattungen, wirken zusammen, um trotz der Verschiedenheiten in dem Bildungsgrade einzelner Nationalitäten sämmtlichen Truppen ein gleichförmiges Gepräge zu geben.

Weder auf dem Schießplatze, noch bei Manövern wird der kritische Beobachter, sofern er nicht Paradekünste, sondern Geschicklichkeit in der Benützung des Bodens, Feuerdisciplin, Marschleistungen in der Ebene wie im Gebirge, kurz praktische kriegerische Verwendbarkeit zum Maßstabe der Beurtheilung nimmt, auffallende Unterschiede in der Ausbildung und Tüchtigkeit der einzelnen Truppen wahrnehmen können. Es ist dies ein besonderes Verdienst der Offiziere, welche insbesondere beim Unterrichte und bei der Uebung der Mannschaften weniger entwickelter Nationalitäten schwierige Aufgaben zu bewältigen und weitaus angestrengter zu arbeiten haben als Offiziere in Armeen, die aus einer einheitlichen Nation hervorgehen.

Die 2. Gruppe des Tableaus zeigt berittene Infanterieoffiziere, während wir auf der 3. die Attacke einer Hußarenschwadron sehen. Wie schon vorhin erwähnt, lassen alle Fußtruppen sowie die technischen Waffen bei der Ausrückung ins Feld Tschako und Waffenrock als Paradestücke in den Magazinen der Ergänzungsstationen zurück. Als Kopfbedeckung dient dann die schmiegsame Lagermütze, deren ausgestülpte Theile bei schlechtem Wetter oder bei Nacht im Bivouac als Ohren- und Nackenschutz herabgeschlagen werden.

Im Hinblicke auf die Eventualitäten des Nahkampfes nimmt jedoch die Kavallerie nebst der reitenden Artillerie die Paradekopfbedeckung als Schutzwaffe ins Feld mit, daher wir auf der 3. Skizze die Hußaren mit dem Tschako und Federbusch, auf der 4. die Dragoner mit dem Helm, auf der 6. die Ulanen mit der Czapka, und auf der 8. bis 10. die berittenen Dalmatiner (8) und Tiroler (10) Landesschützen und die Landwehrulanen (9) mit dem Hute, beziehungsweise mit der Czapka (Tatarka) sehen. Ueberdies haben die gesammte Kavallerie und bei der Artillerie die berittenen Mannschaften und Offiziere (5) den Waffenrock (bei den Hußaren den Attila) an einer Schnur über der linken Schulter hängen.

Die Geniesoldaten (13) besorgen in der österreichisch-ungarischen Armee die Verrichtungen der Mineure wie der Sappeure. Der neben ihnen stehende Unteroffizier der Leibgardereitereskadron (12) gehört einer Truppe an, die sich nur aus den besten Unteroffizieren der Kavallerieregimenter ergänzt und von altadeligen Offizieren befehligt wird. Sie bildet im Frieden einen Anhang des Hofstaates und hat daher ihre reiche glänzende Uniform, die Pickelhaube mit schwarzem Roßhaarbusche, die vergoldeten Achselschnüre, Schuppenepauletts etc. beibehalten. Im Kriege dient sie zur Begleitung der Armeehauptquartiere.

Offiziere und Mannschaften der Flotte (11) tragen das Gepräge aller übrigen Kriegsmarinen. Dagegen bilden die bosnisch-herzegowinischen Bataillone (7) eine Specialität; denn bei ihrer Bekleidung und Ausrüstung sind in erster Linie die Bedingungen maßgebend gewesen, welche der rauhe, von der Bora durchlöcherte, wildzerklüftete Karstboden des Prolog und der Dinarischen Alpen an eine Truppe in der Bewegung stellt.

Wir konnten hier nur flüchtig die hervorragenderen Gattungen der österreichisch-ungarischen Armee berühren. Wer jedoch Gelegenheit hat, das Innenleben dieser Armee, den trefflichen schneidigen Geist derselben, ihr Pflichtgefühl, ihre unausgesetzte intensive Thätigkeit und den hohen Bildungsgrad der Offiziere, insbesondere des Generalstabskorps, kennen zu lernen, der wird mit uns übereinstimmen, daß die Habsburgische Monarchie mit Ruhe und Zuversicht allen Ereignissen entgegenblicken kann.





Blätter und Blüthen.



Zu guten Zwecken. Da liegt vor uns ein Selbstschriftenalbum „Dem deutschen Schulverein“, herausgegeben vom Vorstand der Ortsgruppe Margarethen-Wien. Dies Album, zu welchem hervorragende Männer und Frauen, die durch ihr Wirken im öffentlichen Leben oder auf irgend einem Gebiete der Wissenschaft, Litteratur oder Kunst dem deutschen Volke zur Zierde und Freude gereichen, zahlreich beigesteuert haben, wird als eine Heerschau über die Freunde und Förderer des deutschen Schulvereins bezeichnet. Und in der That finden sich darunter die besten Namen der deutschen Nation. Wie verschiedenartig die Handschriften, ihre Züge und Schnörkel sein mögen, allen gemeinsam ist der Geist, der echt deutsche Geist, der sich in Sinnsprüchen von tiefer Weisheit und in Ergüssen von patriotischer Begeisterung offenbart. In dem Widmungsgedicht „Unser Zeichen“ feiert Franz Keim die Muttersprache, welcher der Preis gebührt. Die ersten Verse des schwunghaften Gedichtes lauten:

„Frau Muttersprache, die Herrin hold
Mit der lieblichen Stimme so rein wie Gold;
Die Pflegerin, die uns zu Häupten stand,
Als das Leben den lallenden Laut erfand,

5
Die Zauberin, die uns ins Herz gegossen

Den ersten Gesang, daß die Thränen flossen,
Die minnige Maid, Jungfer Tausendschön,
Die kein Schlachtengetös, kein Trompetengetön
Aus der Brust uns bannt, wenn der Tod auch grinst,

10
Die Fee, der wir alle geweiht sind zum Dienst,

Sie hat ihre Losung herausgesandt
Von des Kahlenbergs Höh’ in das weite Land.“

Welchen Geist die empfehlenswerte Sammlung athmet, das mögen einige Denksprüche deutscher Dichter und Gelehrten beweisen:

„Ob sie dem Licht den Sieg mißgönnen
Die Nacht wird’s nicht bezwingen können,
So lang der Feldruf der Jugend heißt:
Hie deutsches Gewissen und deutscher Geist.“

Paul Heyse.     

„Kein Grenzpfahl staut die deutsche Luft,
Das deutsche Licht, das deutsche Wort,
Und allgemeinsam leuchtet
Jedweder deutsche Hort.

5
Ein Sinnesbruderbund, ein Bund

Der Geister und der Herzen,
Der, was ihn eint, unsterblich weiß,
Er kann, was trennt, verschmerzen.“

Robert Hamerling.     
  1. Zur Kartenzeichnung vorbereitende Terrainaufnahme.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_387.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)