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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Erst wenn das Kind in Blume und Baum, im Lichtglanze der Sonne und im fruchtbaren Regen, im heitern Leben der Thiere in der Luft, im Wasser und auf der Erde die Gaben eines gütigen Gottes kennen gelernt hat, lernt es auch das eigne Leben, den Besitz liebender Aeltern, die Freude im Umgange mit dem Altersgenossen als Wohlthaten erkennen, für welche es Gott zu lieben und ihm durch gut und fleißig sein zu danken schuldig ist. - Daß im Kindergarten Religionsunterricht im Sinne der Schule nicht ertheilt wird, nicht werden kann, glaube ich Ihnen nicht näher ausführen zu dürfen. Er ist nicht Aufgabe des Kindergartens. Er erweckt in den Seelen der Kinder die ersten Regungen religiösen Glaubens, er macht sie mit Gott auf eine ihrem Alter angemessene Weise bekannt und lehrt sie mit Ehrfurcht zu ihm aufblicken und mit dem Herzen ihm nahen. – Kümmern Sie sich, verehrte Frau, nicht darum, wenn Finsterlinge schreien, daß Fröbel’s System der Kindererziehung eine dem Christenthum entschieden abgewandte Theorie zu Grunde zu legen beabsichtige. Wenn Sie nicht schon aus dem zuvor Gesagten es als wahr erkannt haben, so glauben Sie mir es auf’s Wort, Fröbel steht mit seiner Lehre mitten im Christenthume auf festem evangelischen Grunde. Und nun kein Wort über die giftigen Verleumdungen seiner Widersacher.

Und nun noch Einiges über den Einfluß des Kindergartens auf Entwicklung der Geisteskräfte im engeren Sinne. Ich sage Einiges, denn ein Rückblick auf das bereits Gegebene hat mich belehrt, daß ich Vieles unausgeführt, mehr noch ungesagt gelassen habe,was doch wirklich und recht eigentlich zur Sache gehörte. Aber Sie sind selbst Schuld an denn Stückwerk; wollen Sie später, angeregt durch das Gelesene, noch Weiteres erfahren, nun dann fragen Sie getrost, es wird mir immer eine große Freude sein, Ihnen zu antworten. – Die hervorstechendste Eigenthümlichkeit der Fröbel’schen Erziehungslehre für das erste Kindesalter ist, wie Ihnen nun schon bekannt, die, daß Fröbel das Spiel, als das nächste und natürlichste Mittel zur Erziehung des kleinen Kindes benutzt hat. Auch zur ersten Anregung, Betätigung und Uebung der Geisteskräfte kommen im Kindergarten Spiele in Anwendung, Spiele und Spielgegenstände aber, welche nicht an und für sich Etwas sind oder darstellen (wie etwa Puppen, Hausgeräthschaften, Soldaten u. a.), und so allein die Sinne beschäftigen, sondern solche, durch welche das Kind sich selbst Etwas zu schaffen in den Stand gesetzt wird, durch welche also sein schöpferischer Trieb geweckt, seine Phantasie belebt, sein Nachdenken, Unterscheiden etc. hervorgerufen wird. So will es auch die Natur des Kindes. Eine Anzahl Spiele, deren jedes wieder eine unendliche Mannigfaltigkeit der Formen und Verhältnisse darbietet, bildet den Mittelpunkt der erziehenden Thätigkeit des Kindergartens. Diese Spiele gewähren nicht blos den Vortheil formeller Uebung der Geisteskräfte, sie führen zugleich auch dem Geiste den ersten Inhalt an Begriffen und Kenntnissen zu. Die Spiele folgen aufeinander nach dem Grundsatze des Fortschreitens vom Leichteren zu dem Schwereren, und nicht früher wird das Kind mit einem netten Spiele beschäftigt, bis Alles, was das zuletzt dargebotene Lehrreiches enthält, ihm genau bekannt ist. Ich will beispielsweise hier nur Einiges anführen. So lernen die Kleinen bei ihren heiteren Ballspielen in Stube und Garten die verschiedenen Arten der Bewegung kennen und bezeichnen, ferner die sieben Grundfarben (mit denen Fröbel die sieben Bälle eines ganzen Spiels bezeichnet hat), die Bedeutung und die Eigenschaften des Balls oder der Kugel im Gegensatz zu andern Körperformen. Die Bauspiele (die Bausteine bestehen hier nur aus geometrischen Körpern), bieten dem Kinde durch ihre Mannigfaltigkeit eine neue unerschöpfliche Quelle geistig anregender Unterhaltung. Sie beschäftigen den Formensinn und die durch Umbildung selbstschaffende Phantasie. Sie sind ferner die leichteste und doch beste Vorbereitung auf den späteren Unterricht in Mathematik und Geometrie; sie lehren ihm Eigenschaften der Körper, das Verhältniß eines Ganzen zu seinen Theilen, die Gesetze der Theilung, Zusammenfügung, Verwandlung, und dienen endlich auch zur Nachahmung von Kunst- und Industriegegenständen und kommen so dem schlummernden Kunst- und Bautalent zu Hülfe. Auch werden die Bauspiele dazu benutzt, die Kinder mit den Zahlen und den Elementen des Rechnens bekannt zu machen, und wie viel leichter lernen die Kleinen hier gerade die Dinge, welche ihnen in der Schule so schwer eingehen. An die Bauspiele reihen sich sogenannte Legespiele an, die mit flachen Dreiecken ausgeführt werden und dem Kinde eine reiche Anzahl Schönheits- und Lebensformen lehren. Gleichen Zweck verfolgt das Verbinden dünner Stäbchen, das Figurbrechen und Ausschneiden von Papierfiguren, Alles nach leicht faßlichen und aus der Sache selbst ergebenden Regeln in ununterbrochener Steigerung vom Einfachen zu dem Zusammengesetzten, vom Leichten zu dem Schwereren doch auch Schöneren, jedes in eigenthümlicher Weise lehrreich. Was aber von diesen Spielen gilt, das gilt in höherem Grade noch von den technischen Beschäftigungen, welche Fröbel für den Kindergarten eingeführt hat; das Flechten mit bunten Papierstreifchen oder Stroh, das Ausstechen von Arabesken in Papier und namentlich das von Fröbel in großer Vollkommenheit ausgebildete Netzzeichnen. Außer dem, daß diese Beschäftigungen Hand und Auge bilden, erwecken sie vorzüglich auch den Sinn für das Schöne und haben dazu noch den nicht genug zu schätzenden Vortheil, daß sie das Kind mit einer nützlichen und verwendbaren Arbeit bekannt machen, Arbeitssinn und Freude an der Arbeit hervorrufen. Daß außer den hier genannten Spielen und Beschäftigungen auch die oben schon genannten Erziehungsmittel (die gymnastischen Spiele, das Erzählen, der Gesang, Naturlehre etc.), ihren eigenthümlichen Einfluß auf Erweckung des Geisteslebens haben, ist von mir wohl schon angedeutet worden? -

Wenn ich hier meinen Bericht schließe, so wissen Sie nun schon, v. Fr., daß dies nicht deshalb geschieht, weil ich Ihnen nichts mehr zu sagen wüßte. Aber ich denke für den nächsten Zweck wird, was ich Ihnen gegeben habe, ausreichen. Sie sind mit dem geistigen Leben und Wirken eines Mannes bekannt worden, der einer der liebenswürdigsten und edelsten Charaktere, einer der kräftigsten und strebsamsten Geister war, welche unsere Nation, welche die Menschheit gesehen hat. Sie haben einen Blick gethan in das gottgesegnete Haus, welches dieser Edle für den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_084.jpg&oldid=- (Version vom 2.8.2019)