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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

erleuchtete Stübchen zu dem flinken Mädchen. Nach der ersten einfachen und herzlichen gegenseitigen Begrüßung sagte er leise: „Mein Schätzchen, ich muß Dir etwas anvertrauen, aber Du darfst es bei Leib und Leben nicht verrathen.“

„Da hast Du meine Hand drauf!“ versetzte Marielieschen treuherzig.

„Der Teufel mag wissen, was der Herzog mit Deinem Vater vor hat, aber etwas Gutes ist’s gewiß nicht.“

Das Mädchen erschrack.

„Heute war ich mit dem Herrn auf der Jagd. Als abgeblasen war und ich Urlaub nehmen wollte, sagte er zu mir: wart’ bis zuletzt, ich will Dir etwas mitgeben. Ich wartete. Da zog er ein zusammengeschlagenes Papier hervor, worin augenscheinlich irgend ein Pulver und sagte: das trägst Du diesen Abend noch nach Hucherode zum Gutsbesitzer Werneburg und sprichst hier wäre das Pulver für den Tauben-Jan; er soll’s ihm in Schnaps eingeben: Das Uebrige bleibe bei der Verabredung.“

„Großer Schöpfer“ seufzte Marieliese, „will denn der Herzog meinen Vater vergiften lassen?“

„Ah bah! das glaub’ ich nicht,“ meinte der Unterförster. „Dahinter steckt etwas Anderes.“

„Aber mein Vater ist ja doch nicht krank, daß er ein Pulver einzunehmen brauchte, und wenn er’s wäre, so wäre ja der Herzog kein Doktor, und warum soll ihm nur Herr Werneburg in Hucherode das Pulver eingeben?“

„Das sind ja eben die wunderlichen Räthsel, über denen ich mir den ganzen Weg über den Kopf zerbrochen habe. Herr Werneburg sagte weiter nichts, als: er werde es bestens besorgen. Da war ich so klug als vorher. Und fragen durfte ich natürlich nicht. – Du hast jetzt weiter nichts zu thun, als Deinen Vater zu warnen, daß er von Herrn Werneburg keinen Schnaps annimmt, wenigstens keinen, der nicht hell und klar wie Quellwasser aussieht.“ –

Marielieschen konnte die Nacht über vor Kummer und Neugierde, was es doch mit dem herzoglichen Pulver für eine Bewandtniß haben möchte, fast kein Auge schließen, und als sie am folgenden Morgen mit ihrer Mutter aus der Kirche heimkehrte und den ihr wohlbekannten Werneburg von Hucherode auf der Bank vor ihrer Hausthür auf ihren Vater wartend sitzen sah, entfärbte sie sich und zitterte.

Herr Werneburg, ein stattlicher Mann, war Besitzer des kleinen Landguts Hucherode, das eine gute Viertelstunde von Seebach westlich einsam in einem Thalgrund liegt, und eben auch ein großer Taubenliebhaber, der schon oft schöne Exemplare von Jan eingetauscht oder gekauft hatte. Auch heute kam er mit dem Vorwande, ob Meister Jan nicht etwas hübsches Neues habe; er habe diesen Morgen Geschäfte in der Ruhl gehabt, da sei ihm eingefallen, auch einmal hier zuzusprechen und sich Jan’s Taubenschlag zu besehen.

Jan fühlte sich sehr geschmeichelt und geehrt und war eben im Begriff, seinen „Zuspruch“ auf den Boden zu führen, als die Tochter ihn in die Küche rief und hier leise, bleich und mit bebenden Lippen beschwor, ja keinen Brandwein mit Herrn Werneburg zu trinken; sein Leben hange davon ab; sie aber auch nicht zu verrathen, daß sie ihn gewarnt. Jan war über des Mädchens Wesen und Rede doch betroffen. Inzwischen fiel es Werneburg nicht ein, ihm Schnaps anzubieten, vielmehr handelte er ihm zwei Paar prächtige „Sperberköpfe“ für einen hohen Preis ab. „Wißt Ihr was, Jan,“ sagte er nur so leicht hin, „ich kann die Tauben heute nicht mitnehmen. Auch wißt Ihr sie besser zu transportiren als ich. Ihr könnt sie mir morgen Nachmittag bringen. Ich laß mir’s auf ein Kopfstück Trinkgeld und ein gutes Abendbrot mit Doppelbier und Brandwein nicht ankommen. Na und Ihr geht ja doch wohl den Dienstag früh in die Seebach zur Kirmeß, da könnt Ihr die Nacht in Hucherode schlafen; wir halten erst eine kleine Vorkirmeß und gehen dann früh zusammen hinüber in die Kirche und zum Pfarrer.“

Das waren allerdings sehr lockende Anerbietungen für Jan. Der Gutsbesitzer hielt die Hand hin und sagte dringend: „Schlagt ein, daß Ihr morgen Abend kommen wollt! Ich zahl’ Euch eher keinen Pfennig, und wenn Ihr morgen Abend nicht kommt, gilt der Handel nicht. Kommt Ihr aber, so geb’ ich noch ein Paar von meinen schönsten Tauben drein, die Ihr Euch aussuchen sollt.“

Jan schlug schmunzelnd ein.

Erst als Werneburg fort war, fiel dem Taubenheger das eigenthümliche Drängen desselben auf, und er fragte nun Marielieschen aus, was sie denn nur mit ihrer seltsamen Warnung wolle. Sie wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie vorgab, sie habe einen bösen Traum gehabt, wenn ihr Vater einen dunkelgefärbten Schnaps mit Werneburg tränke, so koste es ihm das Leben. Das zog bei Jan, denn er war sehr abergläubisch, und er nahm sich vor in Hucherode vorsichtig zu sein.


Am Montag Nachmittag trabte Tauben-Jan im Sonntagsstaat, dunkelgrünen Manchesternen Kniehosen, blauwollnen langen Strümpfen, Schnallschuhen, kurzer blauer Jacke mit Zinnknöpfen, rother Tuchweste, buntem Kattunhalstuch und wollner Sackmütze, thalabwärts, in der einen Hand das berühmte Blasrohr, in der andern ein zusammengebundenes weißes Tuch mit den Tauben. Er war heiter und guten Muths und gedachte auf der kleinen Reise manche hübsche geflügelte Eroberung zu machen.

In Hucherode wurde Jan sehr freundlich aufgenommen. Bald stand eine Knackwurst und eine Bulle mit dunkelrothem Brandwein vor ihm auf dem Tische, und Herr Werneburg nöthigte zum Essen und zum Trinken. Der Schnaps wurde in ein Kelchglas gefüllt und dem Taubenzüchter präsentirt. Dem fiel aber plötzlich der Traum seines Kindes ein, und die Zunge im Halse wurde ihm kalt vor Schrecken. Doch nahm er sich zusammen und ließ sich nichts abmerken.

„Ah, Sie haben mir da einen Abgezogenen eingeschenkt, Herr Werneburg.“

„Es ist ein Kirschen, etwas ganz Vorzügliches. Trinkt das Glas aus, Jan!“

„Wollen Sie mir nicht zutrinken, Herr Werneburg?“

„Es ist jetzt meine Zeit nicht. Ich trinke nur zum Frühstück Brandwein. Doch will ich Euch ein wenig Bescheid thun.“

Jan sah genau, daß der Hauswirth nur ein Weniges abschlürfte und dieses im Umdrehen wieder ausspuckte. Nun wußte er genug.

„Und ich habe vorhin auf dem Heil’genstein erst ein Viertelchen getrunken“ sagte er gleichgültig. „Da’s aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_099.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)