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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

erscheinen würde. Nach oben liegt an Fig. 1, mit s bezeichnet, die zarte gelbbraune Samenschale des Weizenkorns; Du siehst, daß sie aus mehreren unregelmäßigen Zellenschichten besteht. Zu unterst in ihr liegt eine dünne Schicht, welche eine Reihe schmaler Zellen

bildet. Dann kommt eine Zellenreihe mit k bezeichnet, an welcher die einzelnen Zellen nach außen sehr dickwandig sind. In den Zellen der Samenschale (s) ist kein Nahrungsstoff enthalten, wohl aber enthalten ihre Zellen-Häute für Menschen und Thiere unverdauliche Mineralsubstanzen, weshalb die mit Kleie gefütterten Müllerpferde so oft an Darmsteinen leiden. Aber die nun folgende Zellenschicht mit den dickwandigen Zellen (k) enthält den wichtigsten und nahrhaftesten Theil des Mehles, den so genannten Kleber, und zwar in der Form unendlich kleiner Kügelchen, wie Dir die einzelne noch stärker vergrößerte Zelle 1 k deutlich zeigt. Diese äußere Schicht der Getreidekörner ist allerdings die nahrhafteste, aber Kleienbrod ist wegen der darin enthaltenen Samenschale schwer verdaulich. Es ist ein arger Irrthum, wenn man es für ein Wegwerfen des Besten vom Getreide erklärt, wenn man die Kleie dem Vieh giebt. Wir erhalten es ja von ihm in Ochsen-, Schaf- oder Schweinfleisch verwandelt und als solches verdaulicher zurück.

Ich schalte hier ein, daß ich den Inhalt der Zellen an Fig. 1 weggelassen habe, weil er, namentlich im untern Theile der Zeichnung das Zellgewebe undeutlich gemacht haben würde, hätte ich diese Zellen alle mit Mehlkörnchen vollgestopft zeichnen wollen. Sie sind alle noch viel voller damit angefüllt, wie die einzelne Zelle Fig. 1 a es Dir zeigt. Du siehst, daß dieses mehlhaltige Zellgewebe fast ganz allein das Korn bildet. Ich habe diese Zelle an Fig. 1 mit a bezeichnet. Von einem Weizenkorne hätte ich wenigstens 1000 solcher Schnittchen machen können; es hat ungefähr 50 Zellen, in jeder Zelle finden sich wenigstens 40 Stärke- oder Mehlkörnchen. Diese weit unter der Wahrheit angenommene Schätzung würde in einem Weizenkorne zwei Millionen Körnchen geben. Von den kleinen Körnchen, die in jeder Mehlzelle (1 a) neben den größern liegen, sind einige Kleberkörnchen, die meisten jedoch Mehlkörnchen. Du wunderst Dich vielleicht über diese Behauptung, wenn ich Dir namentlich gestehe, daß sie ganz gleich aussehen. Mit Hülfe der Chemie ist es aber sehr leicht zu entscheiden. Du wirst dies nachher erfahren. aa sind einige größere Körnchen in 400maliger Vergrößerung.

Vergleichen wir nun hinsichtlich des Mehles die Kartoffel mit dem Getreide, denn im Roggenkorn ist es wesentlich eben so wie im Weizenkorn.

Fig. 2 stellt ein eben so kleines und eben so dünnes Kartoffelstückchen dar. Wir sehen nach oben die platten Zellen der Schale, und darunter die gerundeten, locker verbundenen, von mir ebenfalls leer gezeichneten, Mehlzellen. Es fehlen also hier die Kleberzellen, welche, da der Kleber stickstoffhaltig ist, dem Getreidemehl den Vorzug der größeren Nahrhaftigkeit vor dem Kartoffelmehle geben. Eine solche, mit großen und kleinen Mehlkörnchen angefüllte Zelle siehst Du in Fig. 2 a.

Ich muß Dir nun noch etwas Ausführlicheres über diese Mehlkörnchen mittheilen.

Vorerst bemerke ich, daß es in allen Pflanzen von ganz gleicher Beschaffenheit ist; nur in der Gestalt und Größe kommen da Verschiedenheiten vor. Du siehst also, daß die verschiedene Nahrhaftigkeit der Mehlsorten und der mehlreichen Samen (Bohnen, Erbsen, Linsen, Reis, Gerste, Heidekorn u. s. w.) niemals von diesen Mehlkörnchen abhängt, sondern immer von andern ihnen beigemengten Stoffen.

Man nennt diese Mehlkörnchen mit dem wissenschaftlichen Namen Amylum oder Stärkemehl. Sie sind immer glashell durchsichtig, sehr hart, schwerer als Wasser – was uns die Gewinnung des Kartoffelmehls so sehr erleichtert – quellen im siedenden Wasser zu dem bekannten Stärkekleister auf, ohne sich vollständig aufzulösen, und haben die auffallende Eigenschaft – das ist das vorhin angedeutete Erkennungsmittel, – von Jod, einem chemisch reinen Stoffe, der selbst eine braungelbe Flüssigkeit mit Weingeist aufgelöst giebt, sofort blau gefärbt zu werden, während andere ähnliche in den Pflanzenzellen vorkommende Körnchen von ihm braungelb gefärbt werden. Ich sagte vorhin, daß die Gestalt und Größe der Amylumkörnchen bei den verschiedenen Pflanzen oft sehr verschieden sei. Dadurch kann man z.B. leicht Mehlverfälschung mit Kartoffelmehl entdecken; nicht nur weil die Körnchen des letzteren viel größer sind, sondern weil man an ihnen schon bei 400maliger Vergrößerung einen schalenartigen Bau unterscheiden kann – Fig. 2 aa – welcher durch die schalige Zunahme bei dem Wachsthum der Körnchen entsteht.

Sieh, das ist eine kurze Schilderung dieser kleinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_129.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)