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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wandeltest einsam dem dunkeln Frühlingsdome entlang. Die Aeolsharfe Deiner Brust war aber durch den Frieden des Abend wunderbar gestimmt und so zog eines Deiner schönsten Lieder durch Deine Seele: Du dichtetest:

Ich wollt’ ich wär die Eiche dort
Im duftig grünen Wald,
Und würde wie der Eichenbaum
Wohl tausend Jahre alt.

Geküßt so, wenn noch Alles ruht,
Vom ersten Sonnenstrahl,
Geküßt wenn niedersinkt die Nacht,
Vom letzten Licht zumal.

In jedem Frühling grün und neu –
Der Vögel luftig Haus –
So jährlich fügend Ring an Ring,
Und breitend Schatten aus.

Und träumend, wenn der Winter naht –
Im Innern warm und stark –
Voll Sommermärchen in der Brust,
Voll Trieb und Drang im Mark.

Erwachend wieder in den Lenz,
Der meine Knospen sprengt,
Ein Auge jedes Blatt, worauf
Sich Gottes Sonne senkt.

Vom Winterscheine sanft bestrahlt,
Vom Glühwurm hell umsprüht,
Entschlummernd, wenn die Nachtigall
Im Busche singt ihr Lied.

Der Wandrer ruhte unter mir,
Der Kinder frohe Schaar –
Den Menschen flüstert leis ich zu,
Wie einsten schön es war.

Und wenn ich alt geworden wär’,
Wohl an die tausend Jahr,
Dann baute man aus mir ein Haus.
Tisch, Wiege, Todtenbahr.

Im Wiegenraum ein holdes Kind,
Vom Leben angelacht –
Am Tisch beim Wein ein Lebehoch,
Vielleicht mir dargebracht.

So lebt’ ich, fühlte Alles mit,
Wär’ selbst das letzte Haus,
Worin nach einer Welt voll Pein
Der müde Mensch ruht aus.

Der Dichter hatte den Eingang des Wald-Parks erreicht, als von der Stadt her eine Gestalt kam, die bei ihm vorüberschritt, deren Gesichtszüge er aber wegen der Dunkelheit nicht zu erkennen vermochte. Nach einigen Schritten blieb der fremde Wandrer stehen.

„Doctor, bist Du es?“

„Alle gute Geister loben Gott den Herrn, Berthold[1], woher, von wannen? Welch’ seltener Gast zu solcher Stunde?“

„Hergesehn, wenn Du wissen willst, wie der Mensch im Glück aussieht, siehe mich an.“

„Ich will hoffen, daß Dein Glück wenigstens bis Morgen aushält, dann will ich mir Dich bei Tage besehen; jetzt trotz der Brille ist mir’s unmöglich.“

„Der Director war ein Mensch und hat endlich meinen sechswöchentlichen Urlaub bewilligt, den ich für mein Gastspiel bestens zu benutzen gedenke. Der Mensch im Glück braucht aber Einsamkeit oder muß sich auslaufen. Drum will ich noch bis Gohlis – komm’ mit!“

„Mörder, kennst Du mein Reservoir? – sieh’, diese sinkenden Nebel.“

„Bei Noack treiben wir die bösen Nebel wieder heraus. Komm’!“

„Und würfst Du die Krone selber hinein
Und sprächst, wer mir bringet die Kron’
Er soll sie tragen und König sein –
Mich gelüstet nicht nach dem theuren Lohn!“

Während die Beiden noch auf diese Weise unterhandelten, ward eine dritte Gestalt in der Dunkelheit sichtbar. Sie kam ebenfalls ziemlich schnellen Schrittes von der Stadt her, umging die beiden Freunde, um sich von ihrer Autenticität zu überzeugen; dann breitete sie beide Arme aus und preßte den Doctor und Berthold convulsivisch an’s Herz, und drehte Beide im Kreise umher.

„Gerechter,“ schrie der corpulente Berthold, „der Mensch erwürgt mich; Lortzing, bist Du des Teufels!“

„Ich hab’s wohl gerne, wenn der Becher überschäumt,“ meinte der Doctor, indem er im Kreise herumgedreht wurde, aber vor allen Dingen

„erkläret mir, Graf Oerindur,
dieses Räthsel der Natur.“

„So vernehmt, theurer Freund,“ rief jetzt der gefeierte Tondichter, indem er die Beiden los lies – „eben habe ich den Brief bekommen – mein Czaar hat in Berlin prächtig Glück gemacht.“

Unsern herzlichsten Glückwunsch, riefen Beide aus einem Munde, und ihre Hände drückten innig die des glücklichen Componisten.

„Ja, das wußte ich, treue Seelen,“ sprach dieser, den aufrichtig gemeinten Händedruck dankbar erwiedernd, „daß Euch diese Nachricht Freude machen würde. Ich bin daher schon in der halben Stadt nach Euch herumgelaufen. Ein glücklicher Zufall trieb mich hierher.“

Lortzing mußte jetzt über die Berliner Aufführung seines Czaar und Zimmermann erzählen. „Ich bin mit der Besetzung ganz zufrieden,“ sprach er, „nur Deine Rolle, Berthold, hätte ich in besseren Händen gewünscht.“

„Den Bürgermeister?“

„Ja, Du weißt, ich habe diese Partie für Dich geschrieben.“

„Ein tüchtiger Bürgermeister,“ sprach Berthold in seinem trocknen humoristischen Tone, „ist auch heut zu Tage eine wahre Rarität.“

„Das ist aber ja heut ein wahrer rarissima avis unter den Tagen,“ sprach der Kometenlenker Herloßsohn, „Lortzing Glück in Berlin, Berthold Glück bei Ringelhard und ich habe meinen neuen Roman ebenfalls glücklich bei Reimann in Hannover an den Mann gebracht.“


  1. Ein beliebter Komiker in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)