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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Das bekam ihm aber übel. Ein paar Tropfen geriethen in die Luftröhre. Ein langanhaltendes Husten folgte.

„Wenn der Kerl nur dies einzige Mal erstickte,“ brummte Berthold. Nachdem sich der Husten gelegt, frug der Ermattete; „Doctor – kein Mittel für den Husten – der Satan plagt mich täglich?“

„O ja“ sprach Herloßsohn trocken.

„Aber ein Radicalmittel – Sie sind ja so ein Stück Radicaler.“ Dieser Witz erschien ihm wieder äußerst belachenswerth.

„Ein Radicalmittel,“ fuhr Herloßsohn in demselben trockenen Tone fort, „Sie müssen sich die Gurgel abschneiden. Das ist der Sitz des Uebels. Wenn der beseitigt ist“ –

„Menschenfeindlicher Doctor - aber guter Witz – Ach wer doch schon in Paris wär’“ – Er streckte sich wieder so lang aus als er gewachsen war.

„Ja, ich wünscht’s auch,“ brummte Berthold.

Dem Kleinern schien sein Zuckerwasser auch nicht zu munden. „Die Limonade ist matt wie Deine Seele, Rossi.“

„Wünschen Sie etwas Rothwein darunter?“ bringt mir einen Absynth, aber alten.“

„Jetzt fängt er gar an zu schnapsen,“ murrte Berthold, „’s wird immer unterhaltender.“

„Charles – !?“

„Qui vive?“

„Schläfst wohl gar.“

„Wollen wir?“ – frug der Lange ohne seine Positur zu verändern.

„Pauline schmollt sonst.“

Auf diese Worte erhob sich Charles, matt und schlaftrunken, und warf einen Thaler hin. Der Kleinere goß seinen Absynth hinunter und erhob sich ebenfalls.

„Adjos – menschenfeindlicher Doctor“, sprach Charles, Herloßsohn nachlässig und halb gnädig die Hand hinhaltend.

„Wünsche recht wohl zu leben,“ sprach Berthold und halb für sich; „Hol’ Euch der Satan.“

Die Beiden stolperten hinaus. Unsern drei Glücklichen fiel aber eine Centnerlast von der Brust.

„Gott sei getrommelt und gepfiffen,“ rief Berthold neu aufathmend.

Lortzing erhob sein Glas; „Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.“

Herloßsohn rieb sich gemütlich die Hände; „Kinder, nun kann’s hübsch werden.“

Eben schlug die Rathhausuhr die Eilfte Stunde. Aber kaum war der eilfte Schlag erklungen, da riefen drei Stimmen wie aus einem Munde;

„Rossi, die Klappe zu!“

(Schluß folgt.)




Ludwig XVII. noch am Leben.

In dem Augenblicke, wo der Stern der Bonapartes seinen Höhepunkt erreicht hat, gewährt es ein ernstes und trauriges Interesse, auf die Dynastie zurück zu blicken, welche jenen in der Regierung von Frankreich vorausging. Das Haus Bourbon gelangte im Jahre 1588 mit dem großen, aber unglücklichen Heinrich IV. auf den französischen Thron, und mit so unwandelbarer Gleichmäßigkeit war das Schicksal dieses Hauses gewoben, daß der letzte regierende Fürst aus demselben, obgleich ihm erst in Folge einer fünfmaligen Anwendung des Salischen Gesetzes die Krone zufiel, doch in seiner Person noch alle natürlichen und legitimen Rechte der Capetinger vereinigte, und als der gerade Erbe Hugo Capet’s, der 987 zur Herrschaft gelangt war, das Schauspiel dieses 800jährigen Herrschergeschlechts zu seinem tragischen Schlusse brachte.

Ludwig XVI. heiratete 1770 Marie Antoinette Josepha Johanna von Oesterreich, die Schwester Joseph’s II., der Königin von Neapel und der Herzogin von Parma; die Tochter Kaiser Franz I. und der Königin von Ungarn und Böhmen, Maria Theresia. Am 10. Mai 1774 bestieg Ludwig den Thron. Marie Therese Charlotte, das erste Kind dieses unglücklichen königlichen Paares, wurde im December 1778, ein zweites Kind, welches aber bald wieder starb, 1781 geboren. Das dritte, der aus der Revolutionsgeschichte bekannte Dauphin Karl Louis erblickte am 25. März 1785 das Licht der Welt.

Das traurige Schicksal dieses Kindes, seine Schönheit, seine guten Fähigkeiten und seine Leiden sind bekannt. Nach der Trennung desselben von seinen weiblichen Verwandten und nach dem Tode seiner Mutter 1793 wurde der junge Prinz den Händen des Schuhflickers Simon übergeben, der ihn in einer, jedes menschliche Gefühl empörenden Weise behandelte. Kälte, Hunger, Schmutz, Mangel an Schlaf, übermäßige Anstrengung seiner Kräfte, Prügel und die Schrecknisse der Zeit brachten ihn in einen Zustand völliger geistiger Stumpfheit. Erst nach dem Falle Robespierre’s und nach der Hinrichtung Simon’s wurden seine Leiden geringer. An die Stelle der offenen Brutalitäten Robespierre’s und St. Just’s trat unter dem Convent die heimliche Niederträchtigkeit. Schon das Dasein Ludwig’s XVII. war ein schlimmes Ding für die Republikaner, welche es damals nicht einmal vor sich selbst entschuldigen konnten, ihn zu tödten. Im December 1794 wurde im Convent der Beschluß gefaßt, „daß der Regierungsausschuß Maßregeln treffen solle, den Sohn Ludwig’s aus dem Territorium der Republik zu entfernen.“ Am 9. Juni 1795 wurde dem Convent berichtet, daß derselbe gestorben sei. Sein Tod wurde von drei Aerzten beglaubigt und einem Skrophelleiden zugeschrieben. Die Herzogin von Angoulême, seine Schwester, hat in ihren Memoiren über die näheren Umstände dieses Todes dasjenige mitgeteilt, was sie darüber in Erfahrung gebracht hatte.

Ist nun Ludwig XVII. 1795 wirklich gestorben, wie damals berichtet wurde und seitdem allgemein geglaubt worden ist, oder ist er noch am Leben und hält sich im Staate New-York auf?

Die Beantwortung dieser Frage soll durch Aufführung der nachfolgenden Thatsachen in so weit versucht werden,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_159.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)