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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

lustig Zeug vorsingen und vorschwatzen muß, während mir’s im Innern gar nicht so ist. Wißt Ihr denn, was darum die ganze Zeit daher mein Lieblingswunsch ist?“

„Nun?“ frug Lortzing.

„Sag’ an Dein Sprüchlein, theil’s uns mit,“ versetzte der Cometenlenker, eine Mandel knackend.

„Wenn ich könnte so ein Wirthschaftchen an mich bringen,“ fuhr Berthold vertraulich fort, – „aber es müßte etwas Apartes sein – so was Poetisches – Humoristisches. Als ich neulich in Grimma drüben war beim alten Dorfbarbier, der treuen Seele, und ihr meine Idee mittheilte, hat die mir auch gleich eine Ankündigung aufgesetzt so ganz nach meinem Sinne. Wart’, dies Ding muß ich bei mir haben, dies muß ich Euch vorlesen, damit Ihr ungefähr seht, wie ich die Sache anzufangen und das Volk zu packen gedenke.“ Er kramte lange in der Seitentasche unter Briefen und Papieren, endlich brachte er einen zerknitterten Papierstreif hervor, den er auseinander glättete und davon folgendermaßen ablas: Also ergebenste Bekanntmachung meiner projectirten Schankwirthschaft: Veranlaßt durch die „Macht der Verhältnisse,“ angetrieben durch „Vaterliebe“ und um für „Künstlers Erdenwallen“ einen weniger sorgenfreien Ausgang anzubahnen, hat der ergebenst Unterzeichnete sich entschlossen, einem für Leipzig tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen und eine neue Restauration zu gründen, welche den Namen „zum Weltumsegler“ führen wird. Ich wollte sie erst „zum treuen Schäfer“ nennen, aber da meine verehrten Gäste in spe hoffentlich sämmtlich auf der Höhe des Zeitbewußtseins unterjährigen Lagerbiers angelangt sind, so ist dieser Titel zu idyllisch und ich würde höchstens zum „Wollmarkt“ Geschäfte damit gemacht haben. – Was die innere Einrichtung meines Locals anlangt, so verbietet Bescheidenheit ein Weiteres. Denn wollt’ ich auch des großen Luxus gedenken, der daselbst angebracht ist, würde man mir doch nicht ohne Grund zurufen: „Na möglich ist’s schon, aber wahrscheinlich nicht.“ – Im Vertrauen kann ich nur erwähnen, daß „Menschenhaß und Reue,“ der „Menschenfeind,“ „Parteienwuth“ und der „häusliche Zwist“ gänzlich vom Repertoir gestrichen sind; während „Edelmuth und Liebe,“ der „gute Ton“ und „humoristische Studien“ einen stehenden Artikel bilden werden. – Zahlreicher Besuch von „Stadt und Land“ soll mir gleich willkommen sein. Ich huldige hier keinem engherzigen städtischen Patriotismus, und der „Doctor Wespe,“ der „alte Student“ werden mit derselben Zuvorkommenheit empfangen werden, wie der „neue Gutsherr“ und der „Bauer als Millionär.“ – Sollten mich auch fremde Etrangers zu beehren die Güte haben, so wird sich so wohl für den „Bräutigam aus Mexiko“ den „Kaufmann von Venedig,“ sowie für den „Vetter aus Bremen“ ein Plätzchen darbieten. – Schließlich erlaube ich mir für meine trinklustigen verehrten Gäste die gewiß beruhigend wirkende Bemerkung, daß der „artesische Brunnen,“ der „Feensee“ und der „Wasserträger“ mir als Wirth völlig fremde Piecen sind. – Daß es für ein aufblühend Institut nur von erwünschtem Erfolge sein kann, wenn von einer zu oft wiederholten Aufführung der „Schuld“ Umgang genommen wird, versteht sich von selbst. Und so empfehle ich mich mit dem aufrichtigen Wunsche, daß es der ausdauernden Anhänglichkeit meiner Gönner gelingen möge, daß ich nicht als holde Phantasie vom hohen Cothurn herab, sondern endlich einmal auch in der Wirklichkeit ausrufen kann: „Meine Mittel erlauben mir das!“ Seht,“ schloß der von seiner Lieblingsidee eingenommene Berthold, „in solchem Geiste ungefähr müßte meine Wirthschaft gehalten sein.“

„Dies Ding ist nicht übel,“ lachte Herloßsohn; Lortzing aber rieb sich bei des Freundes Restaurationsplänen eine Zeitlang die Ohren. „Lieber Berthold,“ sprach er, „ich will Dich von Deiner Lieblingsidee nicht gerade abwendig machen; aber ich fürchte, Du bist als Wirth weit mehr ein Sclave der Launen des Publikums denn als Schauspieler. Ich gebe zu, daß Deine bekannte und beliebte Persönlichkeit im Anfang viel Zulauf finden wird; aber ein Jeder, der ein Glas Bier bei Dir verzehrt, wird auch das Anrecht zu haben glauben, daß Du ihm für seine zwei Groschen so erscheinst, wie Du ihm von der Bühne her bekannt bist. Man wird im „Weltumsegler“ auch den Weltumsegler selber, wie er auf dem Theater dargestellt wird, suchen, den Leporello, den Papageno, den Doctor Bartholo u. s. w. und, wie ich Dich kenne, sich getäuscht finden. Doch lassen wir die Zukunft, wo die Gegenwart uns so freundlich winkt. Wir kommen zur dritten Studie.“ Mit diesen Worten entkorkte er eine Steinberger-Cabinet und füllte die frischen Gläser, die Herr Rossi unterdeß gegen die zeitherigen umgetauscht hatte.

„Auch kein Hund,“ meinte Herloßsohn, mit Kennermiene den Steinberger prüfend. „Wem bringen wir jetzt das erste Glas?“

„Dreien Schriftstellern der Gegenwart, die wir lieben,“ sprach Lortzing.

„Wohlan,“ rief Berthold, „so lasse ich für meine Person den Heinrich Zschokke leben in Aarau. Ich wüßte nicht, welcher Schriftsteller der Gegenwart mir so zu Geist und Gemüth spräche.“

„Und ich,“ sprach Lortzing, „ebenfalls einen Schweizer, ein noch wenig bekannter Name, er nennt sich Jeremias Gotthelf – seinen gemüthreichen Schweizerbildern nach muß das ein ganz vortreffliches Haus sein.“

„Ich muß diesmal wider Willen galant werden,“ versetzte Herloßsohn. „Ich lasse Friederike Bremer leben. Diese Frau verdient schon wegen ihrer vortrefflichen „Nachbarn“ ein Glas. Ach,“ fügte er nach einer Pause mit einem Seufzer hinzu, „ich könnte auch Bessres zu Wege bringen, wenn ich nicht als Esel in die tägliche Tretmühle des Cometen gespannt wäre und bogenweise um das liebe Brot schreiben müßte. Wenn nur so ein wohlhabender böhmischer oder thüringischer oder rheinischer Graf das Einzigemal den guten Einfall hätte und mir ein Jahrlang ein freundlich Stübchen einräumte mit erquicklicher Aussicht in grüne Berge und Ruhe und Stille und Frühling – da könnte schon was werden.“

Berthold lächelte; „ein wahres Idyllenthum,“ sprach er, „aber ich wette, Herloß, Du hältst es nicht vierzehn Tage aus. Du bist viel zu eingeleipzigert. Wie schwer hält es, Dich einmal loszureißen zur einfachsten Landpartie. Wie oft hast Du dem Stolle versprochen, ihn zu besuchen in seinem freundlichen Grimma, wo er so schön wohnt an der Mulde, in grünen Bergen. Wenn Du nicht Mittags zu Veronelli schlendern kannst und dann zu Kühl und später zu Kintschy in’s Rosenthal – da bist Du gar

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)