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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

dürfte. Das Gold regt zu sehr auf, macht zu luxuriös und entnervt und entsittlicht zu massenhaft, als daß man berechtigt wäre, große Hoffnungen auf diese goldenen Länder zu bauen, oder auf diese Städte, die über Nacht aus der Erde hervorzuspringen scheinen.

Wo einst der Indianer in wilden Bergen und Thälern jagte oder der schlaue Jesuit aus seinem Eulenneste hervor Gift für Gold verkaufte, wimmelt jetzt in hingezauberten Städten eine rastlos, heißblutige Masse, ein furchtbares Gemisch aller Völker und Stände und bauen Städte in einem Jahre mitten in Berge und Sümpfe hinein, die sich wie auf Zauberwort in fruchtbare Ebenen verwandeln. Die Städte Californiens sind von gestern, brennen heute ab und stehen morgen wieder da schöner, größer und prächtiger.

San Francisco im Jahre 1852.

Wir sehen nur auf San Francisco, die Hauptstadt Californiens. Sie ist erst vier Jahre alt und dabei so fabelhaft groß und reich, wie kaum eine Stadt Europas, die schon vor Christi Geburt groß war. San Francisco ist noch dazu während dieser vier Jahre mehrmals durch Feuer, Pestilenz, Anarchie und Verbrechen aller Art zerstört und entvölkert worden, aber sie blüht, sie breitet sich immer üppiger aus und ist schon jetzt ein zweites New-York, das New-York des stillen Oceans auf der andern Seite Amerikas.

Nichts, was wir von dem fabelhaften Gedeihen dieser Stadt je gehört haben, giebt einen lebhafteren Begriff von ihrer Entwickelung als zwei Ansichten, die eine ein Bild derselben von 1849, die andere von 1852.

„Das glückliche Thal“, wie 1849 noch der Mittelpunkt von San Francisco hieß, war damals fast nur von den rohesten Goldsuchern bewohnt, die in ganz gewöhnlichen Zelten ihre Schlafstellen, ihre Küchen und Speisekammern, ihre Putzzimmer und etwaigen Viehställe brüderlich vereinigten. Sie bestanden in mehreren Gesellschaften zu gegenseitigem Schutz und gemeinschaftlichem Gewinn und Verlust, communistisch-kleinen „Staaten“. Das Thal lag zwischen öden, zum Theil sehr hohen und breiten Hügeln und dem Meere, und gewährte mit allen seinen „Staaten“ keinen andern Anblick, als den im ersten Bilde versinnlichten. Drei Jahre später waren alle die Hügel und Thäler und Zelte verschwunden, in eine große Ebene verwandelt und mehrmals mit ganzen Straßen und Stadttheilen, zum Theil mit den prächtigsten Palästen, bebaut worden. Wo noch vor drei Jahren das unruhige Meer mit bodenlosem Dünensande spielte, erheben sich jetzt feste, stolze Straßen mit steinernen Palastreihen, ungeheuern Vorrathshäusern und En-gros-Geschäften mit Welthandel. Die Straßen wimmeln von Fuhrwerken und Fußgängern aller Farben und Formen. Alles entstand so schnell, wie der Milton’sche Palast (im „verlornen Paradiese“), mit welchem es in einer Beziehung, wir meinen hinsichtlich seiner gigantischen Laster – auch eine große Aehnlichkeit haben soll.

Mit dem schnellen Anwachsen der Bevölkerung ward es nothwendig, die Natur durch Kunst zu unterwerfen. Hügel und Thäler waren Hindernisse des Verkehrs; so beschloß man denn die Wege zu ebenen. Wer beschloß es? „Behörden“ gab’s nicht, Jeder machte was er wollte, und da, wo der Dieb gestohlen hatte, wurde er auch ohne viele Complimente aufgehangen, so daß von jeher dort eine größere Sicherheit des Eigenthums herrschte, als irgendwo. Ein bedeutendes Kaufmannshaus, das sich große Strecken am Ufer zugeeignet hatte, ließ im December 1849

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_181.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)