Seite:Die Gartenlaube (1853) 191.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

„Faule Fische,“ rief höhnend der Wirth. „Erst legitimiren, sonst behalte ich Sie bis eine Patrouille kommt.“

„In diesem Augenblicke trat ein Corporal mit zwei Mann ein.

„Die Soldaten entfernten sich geräuschlos beim Eintritt desselben. Der alte Mann aber nebst dem Wirthe, wendeten sich an den Corporal, der Eine verlangte, die Patrouille sollte mich zwingen, zwei Thaler für den zerrissenen Hut zu zahlen, der Andre verlangte, mich als Arrestant mitzunehmen, indem ich mich über meine Person nicht genügend legitimiren könnte.“

„Haben Sie diesem Herrn den Hut zerrissen?“ frug mich der Corporal.

„Allerdings,“ entgegnete ich, „habe ich die Krempe in der Hand behalten, als ich ihn abnahm, aber wahrscheinlich war er schon defect.“

„Der Hut ist so gut wie neu!“ rief der Alte dazwischen.

„Dann müssen sie Entschädigung gewähren,“ entgegnete der Corporal lächelnd. Doch“ – setzte er ernst hinzu, „diese Angelegenheit geht mir nichts an, wohl aber Ihr Legitimationsmangel. Ist dem so, wie der Wirth aussagt, daß Sie sich für den Stadtrath Buttlich aus Lichtenberg ausgegeben und ihrer Versicherung nach Ihre Paßkarte im Gasthause zurückgelassen haben?“

„Ja!“ entgegnete ich ruhig in meinem Innern werdend, denn nun dachte ich, bist du erlöst aus dieser nichtswürdigen Situation.

„Dann,“ bemerkte der Corporal achselzuckend, „muß ich Sie bitten, mir auf die Hauptwache zu folgen, wo das Weitere sich finden wird.“

„Als Arrestant?!“ rief ich erschrocken.

„Allerdings,“ antwortete der Corporal.

„Aber meine zwei Thaler für den Hut!“ jammerte der Alte.

„Sie haben sich an die Polizeibehörde zu wenden, welche mit diesem Herrn sich morgen beschäftigen wird,“ belehrte der Corporal den Alten und befahl ihn sich fort zu packen.

„Ich, Arrestant!?“ schrie ich von Zorn und Kummer überwältigt. „Ich Johann Leberecht Buttlich, Senator und Aeltester der Strumpfwirkerinnung zu Lichtenberg. Das ist zu toll.“

„Vorwärts, marsch!“ commandirte der Corporal, und mit der rothen Mütze das Haupt bedeckt, da kein anderer Hut in dieser verdammten Kneipe zu finden war, mußte ich von Soldaten mit Ober- und Untergewehr begleitet, meinen Marsch nach der Hauptwache antreten, während höhnend hinter uns das Chor der über meine Arretur jubelnden Soldaten, die sich noch in der Nähe des Wirthshauses aufhielten mir höhnend nachhallte:

Haha, die rothe Mütze schaut,
Es prahlt damit die alte Haut, –
Nun macht er auf der Wache Staat,
Gute Nacht, gute Nacht du Democrat
Mit deiner rothen Mütze.“

„Das heißt Pech!“ brummte der Oberförster, als Buttlich erschöpft inne hielt, und die Wirthin die dampfende Punschbowle auf den Tisch setzte.

„Aber wie wurde es denn nun noch?“ frug neugierig der Acciseinnehmer.

„Wie es noch wurde,“ entgegnete Buttlich. „Nun das will ich in der Kürze noch mittheilen, dann aber laßt mich für heute ruhig mein Glas Punsch trinken und meine Pfeife rauchen, denn ich bin müd’ und matt an Leib und Seele. –

„Auf der Hauptwache, wohin man mich gebracht, wurde ich zwar sehr artig behandelt, mußte aber bis gegen 4 Uhr des Morgens campiren, und dann einem dort meiner Person wegen eingetretenen Polizeidiener nach dem Polizeihause folgen, wo ich bis 10 Uhr Morgens zu warten genöthigt war, ehe ich zum Verhör gelangen konnte. Der Wirth meines Gasthauses bezeugte, daß ich des Tags vorher angekommen, aber nach der Table d’hôte mich entfernt hätte, und weiter konnte er auch nichts bezeugen; dagegen war meine Paßkarte nirgend zu finden. Da, als ich mit der Welt zerfallen, bis auf Weiteres wieder abgeführt wurde, besann ich mich, daß ich einem meiner Tischnachbarn diese Paßkarte zur Besichtigung gegeben, und daß ja der Rentier Busch gern bezeugen würde, daß ich der wirkliche Leberecht Buttlich aus Lichtenberg sei, und ließ dies dem betreffenden Polizeiactuar melden. Aber unglücklicher Weise war Busch verreist, und der Fremde mit meiner Paßkarte über alle Berge. Schon war man im Begriff nach Lichtenberg an Euch Gevatter Bürgermeister zu schreiben und eine der hiesigen Magistratspersonen auf meine Kosten nach Dresden kommen zu lassen, um mit der Identität meiner Person auf’s Reine zu kommen, da erschien zu meinem Glücke Busch den dritten Tag nach meiner Verhaftung und befreite mich durch seine Bekräftigung, daß ich der betreffende Buttlich sei und durch seine Bürgschaft für meine Person während meines etwa noch längern Aufenthalts in Dresden aus den Händen der wohllöblichen Polizei.“

„Also habt Ihr in einem Tage drei Hüte bezahlen müssen, und doch keinen gehabt,“ lachte der Bürgermeister.

„Und drei Tage gebrummt,“ setzte der Postmeister hinzu. „I nun, als Vergnügungsparthie ist dies genug.“

„Ihr habt gut spotten,“ entgegnete Buttlich. „Uebrigens habe ich nicht drei Tage auf der Polizei zugebracht, sondern unter Handgelöbniß bis zu Busch’s Rückkehr in meinem Gasthofe. Aber, darauf könnt Ihr Euch verlassen, ich fahre sobald nicht wieder nach Dresden.“

„Aber wenn die ganze Harmoniegesellschaft von Lichtenberg hinrutscht, wie da?“ frugen Mehrere.

„Dann, ja dann ist es etwas Anderes,“ entgegnete der Gefragte lächelnd.

„Also, die Gläser gefüllt!“ rief der Bürgermeister. „Auf eine fröhliche Fahrt nach Dresden zum nächsten Frühjahre!“

„Glück auf zur Fahrt nach Dresden ohne Buttlich’s Pech!“ tönte es laut im heitern Kreise unter hellem Gläserklang und spät nach Mitternacht erst trennte sich die Harmoniegesellschaft, den wieder zurückgekehrten Senator in der fröhlichsten Laune bis an die Thür seines Hauses begleitend.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_191.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)