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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sich fortzusetzenden Uferhang, dicht vor uns das Städtchen Martorell, zu welchem eine hochgeschwungene Brücke, die Puente del Diablo über den Llobregat führt, und über all diesem die mannichfaltigste Berglandschaft, aus welcher gerade vor uns der breite zackige Rücken des Monserrat hervorragte. Ich schwelgte in den Reizen dieses entzückend-schönen Landschaftsbildes, welches durch die fremdartige Gestalt und das graue Alterthum der Brücke wesentlich gewinnt, deren Fundament und ein verfallener Triumpfbogen an ihrem einen Ende, der alten Charthagena, man behauptet sogar bestimmt, dem Hannibal angehört.

Nachdem in Martorell frische Maulesel vor unsern Wagen gespannt waren, ging es schnell weiter nach Esparraguera zu. Der bisher ziemlich klare Himmel bedeckte sich mit Regenwolken und nun sah der uns schon ziemlich nahe Monserrat vollkommen aschfarbig aus und schien aus zackigem Bimstein zu bestehen. In Esparraguera übernachteten wir, nachdem wir in der für Spanien ganz guten Posada an einem frugalen Nachtessen und feurigem Wein uns gelabt hatten. Wir gönnten uns nur eine kurze Nachtruhe und am andern Morgen ließen wir uns von einem Führer nach dem Dorfe Colbatò, welches dicht am südlichen Abhange des Monserrat liegt, bringen. Um unseren so genußreich verlaufenen 24. März in jeder Hinsicht genußreich zu machen, fanden wir in der sehr freundlichen und reinlichen Posada del Monserrate ein leckeres Frühstück von Chocolade, Eiern und würzigem Wein. Gegen 8 Uhr traten wir unsere Wanderung an. Voran unser Wirth als Führer, auf leichten Sandalen den hüpfenden Schritt des Bergsteigers uns voranschreitend. Seine Führung war eine durchaus durchdachte. Er begann an dem weniger malerischen und nicht beschwerlichen Theile des Weges und stieg zu immer entzückenderen und beschwerlicheren Parthien an, bis er zuletzt unser Leben geradehin in Gefahr brachte, das er aber auch kräftig schützte. Der muntere Petro Bacarisas aus Colbatò wird mir unvergeßlich sein und sei hiermit den Lesern und Leserinnen der „Gartenlaube“ empfohlen, wenn sie dem Monserrat einen Besuch machen wollen.

Der Monserrat ruht, wenigstens nach einer Untersuchung seiner Südseite, aus einer braunroten sandsteinartigen Unterlage, welche aber bei näherer Untersuchung auch wie der Berg selbst ein Conglomerat ist, in welchem das Bindemittel über die eingebackenen Rollsteine sehr vorwaltet. Der Monserrat selbst macht durchaus den Eindruck, als sei er durch vulkanische Gewalt empor gehoben worden, und doch ist er das Werk des Wassers. Um sich einen Begriff von seiner Felsart zu machen, so denke man sich ein Mauerwerk, welches aus Erbsen bis mehr als Kürbis großen abgerundeten Steinen aller Art und einem braunröthlichen Mörtel besteht. Die verwittertet, stets ganz glatten Wände der meist kissenförmigen Felsen erscheinen aber ganz hell grauweiß. Ihre horizontale Schichtung in mächtige Bänke kann man nur selten erkennen, weil sie senkrecht durch reiche mit niedrigem immmergrünem Buschwerk ausgekleidete Schluchten gewaschen sind und man aneinander und übereinander gelegte Säulen zu sehen glaubt. Bei Colbatò, welches großenteils auf einem mit Quarzschnüren durchzogenen und vielfältig in seinen Schichten gestörten Gneis ruht, fand ich einen kleinen sehr regelmäßigen Kegelberg, den ich seiner dunkelgrauen Farbe und seiner Gestalt wegen für einen Basaltdurchbruch hielt. Ich fand aber, daß er aus einem dichten Kalk bestehe, dessen Schichten fast auf dem Kopfe, gegen den Monsterrat zu, aufgerichtet stehen.

Im Aufsteigen unterhielten mich die immergrünen niedrigen Gesträuche, die aus allen den zahllosen Schluchten und Rissen hervorsprießen. Es waren meist niedrige Eichenbüschchen mit stachligen Blättern, Haidearten, Rosmarin, Lavendel, Buchsbaum, Seidelbaste und der bei uns so oft im Zimmer gepflegte Laurentinus (Laurus Tinus), der eben zu blühen begann. Nach zweistündigem Marsche befanden wir uns auf dem Sattel des Gebirges, denn der Monserrat ist mehr so als ein Berg zu nennen. Auf dem nicht sehr breiten Sattel stehen zahllose Felsen von 200 bis 500 Fuß Höhe. Sie sind ganz hellgrau, fast weiß und stets glatt und mit abgerundeten Wänden. Meist gleichen sie in der Form riesigen Zuckerhüten oder plumpen Säulen, bald einzeln, bald truppweise beisammen; hier bilden zwei ein Thor, indem sie sich oben aneinanderlehnen und den Rahmen einer reizenden, kleinen Fernsicht bilden; dort stehen zwei mit ihrem Fuße dicht beisammen und streben oben mit ihren Spitzen auseinander. Meist sind sie durchaus unersteiglich. Nur einen dieser Kegel fanden wir durch ein auf seiner Spitze aufgepflanztes Kreuz als ersteigbar bezeichnet. Er schien aber nicht der höchste und so begnügten wir uns mit der an seinem Fuße nicht weniger schönen und umfassenden Aussicht. Diese zu beschreiben ist ein gewagtes Unternehmen. Ganz Catalonien lag zu unseren Füßen ausgebreitet. Keine Stelle, so groß wie ein Tisch, erschien uns eben - Alles bunt durcheinander geflochtene Berge und Thalschluchten, vom Llobregat und dem Noya durchschlängelt. Im Norden dehnte sich, so weit das Auge reichte, die blendend weiße Kette der Pyrenäen aus; über die Berge im Osten ragte das schneebedeckte Haupt des Monseny hervor, im Westen thürmten sich die valencianischen Gebirge; aber im Süden - da hing das blendende Tagesgestirn über einer Landschaft von unendlicher Schönheit. Zu unseren Füßen lag das freundliche Cobató; im Mittelgrunde ruhete Martorell im Schatten seines steilen Bergnachbars; zu seiner Linken über dem Silberbande des Llobregat konnten wir deutlich Hannibals Teufelsbrücke erkennen. So lös’te sich der südliche Horizont im Sonnenlichte allmählig in Duft auf und an zwei Stellen, über Barcelona und am Ausflusse des Llobregat, beide durch den blauen Hügel des Monjuy geschieden, trat das herrliche Mittelmeer hoch am Horizonte empor. Ueber Barcelona war es mit Sonnenschein in in weiter Ausdehnung übergossen, und nur hier konnte ich durch die Beleuchtung die Grenze zwischen Meer und Himmel erkennen; auf der andern Stelle gingen beide ohne Grenze in einander auf.

Freund Pedro ließ uns wenig Zeit; er trieb vorwärts. Er sagte uns vor dem Weitergehen, mit dem Arme über die Pracht zu unseren Füßen hinstreifend: „Alles, was Sie jetzt als kahle, rothe Erde sehen“ - und unsere ganze erkennbare Umgebung sah so aus - „das sind alles Weingärten.“ Er führte uns nun in die tiefe Schlucht, welche den Monserrat in seiner Längenausdehnung von Westen nach Osten spaltet, und in der, wie in den Eingeweiden eines thierischen Körpers, der ganze wunderbare Bau des phantastischen Bergriesen sich uns

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_205.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)