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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

entgegnete mit einem zärtlichen Blick auf die Geliebte im Tone scherzenden Vorwurfs der junge Kriegsmann.

„Ich weiß recht wohl – fuhr er dann fort – daß ein Ritt zum wilden Welfenherzog, diesem den Absagebrief seiner Stadt Lüneburg zu überbringen, so gar leichtes Spiel nicht ist, da ich aber durch solch’ einen Ritt mir Elsbeth’s Hand und Euern Vatersegen zu unserm Liebesbund erwerbe, so würde ich eben so fest vertrauend auf Gottes Schutz und mein Glück in der Walpurgisnacht zum Hexentanz auf den Blocksberg reiten, als wie jetzt zu Magnus Torquatus nach Celle.“

„Du bist ein wackerer Kämpe, Arnold –“ rief der Bürgermeister, sichtlich erfreut über den kecken Muth des künftigen Schwiegersohns, und auch Elsbeth blickte, ihre Angst vergessend, mit holdseligem Lächeln zu dem Geliebten auf, dessen Lob sie mit Stolz erfüllte, da sie ja deutlich sich sagen mußte, daß Alles, was er zu wagen entschlossen sei, nur aus Liebe zu ihr geschehe.

„Wenn der Auftrag, den wir Dir geben – fuhr Ulrich von Weißenburg zu Arnold Becker gewendet fort – Dir ein neuer Beweis ist, welch’ Vertrauen die Stadt Lüneburg Dir schenkt, so wirst Du mir wohl glauben, daß ich nicht theilnahmlos geblieben, als es sich darum gehandelt, das Leben eines Mannes, welchem ich das Theuerste, was ich auf Erden besitze, mein einziges Kind überlassen will, den Gefahren Preis zu geben, die nicht allein in Celle unter Magnus wildem Kriegsvolke, sondern auch auf Deiner Rückkehr nach Lüneburg durch Verfolgung Dich treffen können.“

„Es ist daher Vorkehrung getroffen, daß bei Deinem Hin- und Herritt auf drei Dir bekannten Punkten der Haide frische Pferde zum Wechsel für Dich bereit gehalten werden, und es kommt nur darauf an, daß Du auch Zeit zur Flucht gewinnst, während der Herzog den Absagebrief durchliest; es muß Dir dies durch List auszuführen überlassen bleiben, denn eben das ist das schwierigste Deines Auftrags.“

Der Bürgermeister hielt hier inne, und warf einen prüfenden Blick auf den Kriegsmann und Elsbeth, deren Besorgniß von Neuem durch die Andeutung der Gefahren, die den Geliebten droheten, mächtig gesteigert wurde. Obgleich sie keines Wortes mächtig zu sein schien, so gab doch ihr heftig wogender Busen und ihr ängstlich forschender Blick, mit welchem sie den Geliebten betrachtete, deutlich die Aufregung kund, in der sie sich befand, während Arnold Becker heiter und ruhig ihr zulächelte. „Nimm jetzt Abschied von Elsbeth –“ begann der Bürgermeister von Neuem – und folge mir in mein Cabinet, wo noch besondere Instruction Dir werden soll.

„Will’s Gott, so bist Du morgen Abend schon wieder hier und dann mag Elsbeth als Deine verlobte Braut Dich begrüßen. – Wir aber,“ setzte er mit ernster Stimme hinzu – „wollen bis morgen nicht unthätig bleiben[WS 1], um Hand an’s Werk zu legen zur Befreiung Lüneburgs von der Zwingburg des Welfenherzogs.“

Mit diesen Worten verließ er das Gemach, und mit dem Ausruf inniger Liebe: „Elsbeth, morgen für immer mein!“ zog der Kriegshauptmann die bangende Jungfrau stürmisch an seine Brust und nach einem langen heißen Kusse eilte er dem Bürgermeister nach.

Eine Stunde später ritt Arnold Becker in den Farben eines herzoglichen Kriegshauptmanns gekleidet, der Straße nach Uelzen zu, indeß Elsbeth in ihrem Kämmerlein im stillen Gebet unter heißen Thränen des Himmels Schutz auf den Geliebten herabflehte.


Während in neuerer Zeit Kunststraßen und Eisenbahnen die öden traurigen Sandflächen durchziehen, welche von Lüneburg und Harburg sich bis nach Münster hin ausbreiten und nur eine geringe Abwechselung von Hügelland und zerstreuten Laub- und Nadelholzparthien bieten, war vor 50 Jahren so wenig wie vor 400 Jahren durch die größte dieser mit Haidekraut und Moorboden bedeckten Ebene, bekannt unter dem Namen der Lüneburger Haide, eine eigentliche Straße nirgend zu finden, wohl aber durchzog ein Labyrinth von Fahrgleisen nach allen Richtungen der Windrose diese Steppe, denn es blieb jedem Fuhrwerk überlassen, sich selbst eine Straße zu wählen. – Der einzelne Reiter und Fußgänger mußte in dieser 12 bis 15 Meilen weiten weglosen Fläche genau bekannt sein, wenn er nicht Gefahr laufen wollte sich zu verirren, da die wenigen in der Haide oder an deren Grenzen gelegenen Ortschaften meilenweite Entfernung von einander trennte, und so lange dieselben nicht sichtbar, auch nirgend das kleinste Zeichen sich kund gab, daß man sich in der Nähe menschlicher Wohnungen befinde.

Aber Arnold Becker hatte den Weg von Lüneburg nach Celle auf seinen Kriegsfahrten schon oft zurückgelegt, um irre zu reiten und gelangte nach 12stündigem scharfen Ritte, ohne daß er auf irgend ein Hinderniß gestoßen, in Zelle an, wo Herzog Magnus Torquatus seit einigen Wochen Hof hielt und von hier aus seine Rüstungen gegen die Bischöfe von Münster und Osnabrück betrieb, mit denen er neuerdings wieder in Fehde gerathen.

So wenig auch Arnold Becker der Furcht in seinem Innern Eingang gestattete, so ward ihm doch etwas unheimlich zu Muthe, als er so allein Celle sich näherte, welches weit eher einem wilden Kriegslager als einer herzoglichen Residenz glich, deren Straßen von neugeworbenen Kriegsvölkern angefüllt waren, und in den weiten Höfen und Zwingern der Hofburg der Kern der herzoglichen Kriegsleute rastete, denen das blutige Fehdeleben zur Gewohnheit geworden und die hinsichtlich ihrer Grausamkeit und Plünderungswuth in Feindesland zum Schreckgebild von ganz Deutschland geworden waren.

Ehe der junge Kriegshauptmann noch vom Roß gestiegen, umringte ihn schon ein Trupp herzoglicher Panzerreiter und musterte den Angekommenen mit mißtrauischen Blicken.

„Nun, Herr Hauptmann,“ begann ein alter Rottmeister, sich selbstgefällig den langen Zwickelbart streichend, indeß Becker sein Roß einem Stallbuben übergab und sorgfältig den Absagebrief unter den Brustharnisch verbarg – „Ihr scheint scharf geritten zu sein; kommt Ihr, um uns die bischöflichen Kreuzfahrer anzumelden, denen die Glatzen nach unsern Flambergen zucken?!“

„Nein, Rottmeister,“ entgegnete Becker ruhig. „Ich komme von der Festung auf dem Kalkberge mit einem Schreiben unsers Commandanten an unsern herzoglichen Kriegsherrn.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: beiben
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_209.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)