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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

womit die Verfassungsgeschichte Preußens beginnt, veranlaßte ihn die Feder zu ergreifen und sich über das Ungenügende des dadurch geschaffenen Zustandes auszusprechen. Noch mehr aber, ja fast ausschließlich, nahm ihn die Tagespolitik in Anspruch, als die badischen Liberalen im Juli 1847 die „Deutsche Zeitung“ gründeten, die unter seiner Leitung mit strenger Consequenz für das constitutionelle Repräsentativsystem und für eine festere einheitlichere Gestaltung des deutschen Bundesstaates kämpfte.

Um diese Zeit war Gervinus so sehr Politiker geworden, daß als die französische Februarrevolution erschütternd nach Deutschland herüber wirkte, er sich, von den Hansestädten gewählt, unter den, dem Bundestage beigegebenen Vertrauensmännern befand; auch nahm er an den Verfassungsarbeiten der Siebzehner Theil und nahm später einen Sitz im Parlamente der Paulskirche ein, aus dem er indeß schon im August 1848 trat.

Mißmuth über den Gang der Dinge und körperliches Unwohlsein bestimmten ihn gleichviel zu diesem Schritt, doch wandte er sich mit Ausgang des Jahres 1848 noch einmal mit aller Energie den öffentlichen Angelegenheiten zu, indem er in der deutschen Zeitung seine Stimme über die Verfassungsfrage vernehmen ließ. Die bald darauf eintretende Wendung der Dinge verleidete ihm die Politik so sehr, daß er dem publicistischen Wirken fast gänzlich entsagte, auch im Gegensatz zu seinen politischen Freunden, kein Vertrauen auf die durch Preußen eingeschlagene Politik, deren Ausdruck das Dreikönigsbündniß war, setzte, und sich ebenso wenig von den bekannten Verabredungen in Gotha versprach. Dessenungeachtet wurde Gervinus zu der Partei gerechnet, die man von da ab als „Gothaer“ bezeichnete, doch lebte er, dem politischen Treiben so ziemlich fremd, zurückgezogen in Heidelberg, und nur der schleswig-holsteinische Krieg (Juli 1850) sah ihn wiederum sich kraftvoll aber vergeblich für die Sache der Herzogthümer, mit der er seit Jahren sympathisirt, verwenden.

Als Gervinus alle seine Hoffnungen gescheitert sah, wandte er sich mit erneutem Eifer seinen wissenschaftlichen literarischen Arbeiten zu, als deren vieljährige Frucht sein geistreiches Werk über „Shakespeare“ in vier Bänden erschien. Von der politischen Bühne galt er dabei fast für verschollen, als plötzlich zu Anfang dieses Jahres sein Name auch hier wieder auftauchen sollte, und uns den Mann in ganz anderer Gestalt vorführte, seinen Freunden wie seinen Gegnern zur nicht geringen Ueberraschung. Wer hätte nicht von der „Einleitung in die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts“ gehört, der wir hier gedenken müssen. Der Grundgedanke des Buches ist, daß der endliche Sieg der demokratischen Ideen unausbleiblich sei, und trotz der rein wissenschaftlich gehaltenen Ausführung dieses Satzes, zog es gleichwohl dem Buche in fast allen deutschen Bundesstaaten die Confiscation, und dem Verfasser in Baden einen Preßproceß zu, der, weil es sich um eine so bedeutende Persönlichkeit wie Gervinus handelte, allgemeines Aufsehen erregte. Gervinus wurde zu zwei Monate Gefängniß verurtheilt, dieses Urtheil jedoch vom Oberhofgerichte in Mannheim für nichtig erklärt, weil die auf Hochverrath lautende Anklage vor die Geschworenen gehöre, nicht aber vor das Hofgericht, das in dieser Sache ganz unbefugter Weise erkannt habe. War diese Wendung des Processes schon ganz unerwartet, so überraschte es noch mehr, als kurze Zeit darauf der Staatsanwalt ankündigte, wie er höherer Weisung zufolge die Anklage gänzlich zurückziehe, womit die Angelegenheit selbst ihre Erledigung fand.

Das, was wir als den Grundgedanken des genannten Werkes bezeichneten, ist nicht etwa neu, sondern wurde von den demokratischen Zeitschriften bereits in unendlichen Variationen durchgeführt. Neu dabei, und daher so großes Aufsehen erregend, war nur, daß ein Mann wie Gervinus, einer der hervorragendsten unter den sogenannten Gothaern, und der Erste unter den deutschen Geschichtsforschern, das Alles sagte. Das Buch selbst ist übrigens seinem Inhalte nach nur auf gebildete Kreise berechnet, und steht der größern Masse des Volkes, welche die rein wissenschaftlichen Forschungen seiner großen Denker erst in mundgerechter Weise zubereitet haben will, durchaus fern.




Mosenthin’s Riesenkorn.

Einer der rationellen Grundsätze der Landwirthschaft ist der, daß sowohl zur Verbesserung der verschiedenen Getreidearten als zur Erhaltung derselben in einem allgemein guten Culturzustande, ein Wechsel der Arten unbedingt nothwendig ist, und in Anwendung dieses Grundsatzes hat man daher schon seit geraumer Zeit das zur Aussaat bestimmte Getreide bald aus näher, bald aus ferner gelegenen Gegenden bezogen, und dadurch im Allgemeinen einen für die Landwirthschaft sehr nützlichen Tausch der Arten herbeigeführt.

In diesem Augenblicke taucht jedoch eine ganz neue Sorte Roggen auf, über deren ursprüngliche Heimath die nähern Nachrichten noch fehlen, die wir aber gewissermaßen schon als bei uns heimisch bezeichnen können, da eine dreijährige Cultur in hiesiger Feldmark die günstigsten Resultate ergeben hat. Mosenthin’s Riesenkorn, so genannt nach seinem Erbauer Mosenthin in Eutritzsch bei Leipzig, zeichnet sich vor unsern heimischen Getreidesorten vor Allem durch die größere Ertragsfähigkeit und durch die Größe und Klarheit (fast Durchsichtigkeit) der Körner aus. Die beigegebene Abbildung stellt das Riesenkorn in natürlicher Größe vor:

a, eine ganze Aehre. b, der Theil des Halmes unmittelbar unter der Aehre. c, der darauf folgende Theil des Halmes mit Blatt. d, ein unterer Theil des Halmes mit Schrägschnitt. e, eine Abtheilung der Aehre (allemal drei Körner tragend). f, der Same mit Ansicht des Nabels oder Anheftungspunctes. g, der Same mit Ansicht der Furche. h, der Same im Durchschnitt.

Das Riesenkorn hat, im Unterschied von unserm Getreide, breitere und längere Blätter von tiefdunkelgrüner Färbung. Der Halm (aus einem Korne entwickeln

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_268.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)