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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sich deren 5–12, (ja man hat sogar schon 20 gezählt) wird nahe an sechs Fuß hoch, ist aber nicht ganz hohl, sondern markig, und liefert ein schönes gelbes Stroh, welches, wenig stärker als das gewöhnliche, zu landwirthschaftlichem Gebrauche sich seines Markes wegen besonders gut eignen dürfte.

Die Aehre wird mit den Grannen bis zu 13 Zoll lang, ohne dieselben 8 bis 9 Zoll. Die Blüthe, von Außen fast unbemerkbar, so daß sie vom Regen weniger leidet, tritt vierzehn Tage später ein als beim hier gebauten Roggen, wessenungeachtet aber der Same beider zu gleicher Zeit reift. Der Same ist 1/2 Zoll lang und, bei der Stärke von reichlich 1/8 Zoll, sehr klar, fast durchsichtig.

Die Ertragfähigkeit des Riesenkorns läßt sich am deutlichsten aus folgenden Angaben ersehen: Am ersten October 1850 wurde von Herrn Mosenthin in Eutritzsch das einzig vorhandene Samenkorn in’s freie Land gelegt. Es entwickelten sich aus demselben zwölf Halme, welche zusammen 409 Körner als erste Ernte ergaben. Von diesen wurden 1851 am zweiten October 370 Körner, wegen der vielen entstehenden Halme 3 Zoll von einander entfernt, gelegt, und, obgleich die Schnecken im Frühjahre 1852 einen Theil der Pflanzen vernichtet hatten, wurden gleichwohl noch 8 Pfund Samen (auf ein Pfund gehen 5000 Körner) gewonnen. Wenn auch weniger günstig im Ausfall als die erste Ernte, zeigt diese zweite doch immer noch eine hundertundzehnfache Vervielfältigung.

Da das Riesenkorn wegen der vielen aus einem einzigen Korne entstehenden Halme sehr dünn gesäet werden muß, so dürfte bei seinem reichen Ertrage der von einem Pfund gewonnene Same zur Bestellung eines sächsischen Ackers (gleich 21/6 Magdeburger Morgen) ausreichen. Uebrigens bemerken wir zum Schluß, daß das Riesenkorn nur Anspruch darauf macht, ein Wintergetreide sein zu wollen, wie es denn auch die bisherigen Erfahrungen die drei letzten Winter durch vollkommen kräftig aushaltend fanden.




Blätter und Blüthen.


St. Francisco und Californien. Gegen das Ende des Februar 1850 war die fieberhafte Aufregung der Amerikaner am höchsten gestiegen. Man sprach und träumte von Nichts als Goldminen und Californien. Selbst der einträglichste Erwerb sicherte nicht gegen die Ansteckung, und auch Henrich Herz, der berühmte Pianist, unterlag ihr. Er überließ es den untröstlichen Dilettanten der vereinigten Staaten, zu sehen, wie sie ohne ihn fertig würden, und vertraute seine Person der übeln Einrichtung und übleren Gesellschaft eines Auswandererschiffes an. Schiffe, welche Auswanderer nach Californien bringen, sind von allen ihrer Art die schlechtesten. Doctor Johnson beschreibt ein Schiff als ein „Gefängniß, in welchem man sein Leben durch Ertrinken verlieren kann“; aber diese Schiffe besonders sind Gefängnisse, in welchen der Tod durch Ertrinken, Verhungern, durch Vergiftung und Erstickung in Aussicht steht, und am Ziele der Reise lauert außerdem noch der Mord. Unser Reisender jedoch entging glücklich allen Gefahren, und die ausgestandenen Beschwerden wurden reichlich ausgeglichen durch den neuen und überraschenden Anblick, welcher sich ihm beim Einlaufen in den Hafen von St. Francisco darbot. Welch ein Wald von Masten mit den Flaggen aller Nationen der Erde, welches Treiben, welche Bewegung! Welch Gewirr von ausgeschifften Waaren! Welches Durcheinander von Rufen, von Sprachen, von Befehlen die sich kreuzen, von fröhlichen Gesängen und schrecklichen Flüchen! Wer nach dem vor seinen Blicken aufgehäuften Reichthum, nach der lebendigen Thätigkeit, nach dem endlosen, betäubenden Lärm schloß, hätte sich in dem Hafen von Liverpool oder mindestens von Marseille wähnen können.

Aber die Bewunderung, welche Henrich Herz im Hafen empfand, minderte sich mit jedem Schritt in die Stadt hinein. Die meisten Straßen waren ungangbar. Was man in St. Francisco eine Straße nennt, ist nichts als ein Kanal voll Schlamm, in welchem der Wanderer, wie man uns versichert, zuweilen knietief watet. Die Fußsteige, minder bequem als malerisch, bestehen aus Dielen, welche in sehr sorgloser Weise über leeren Kisten und Fässer befestigt sind. Die erste Sorge des Musikers war, eine Wohnung ausfindig zu machen, was zu St. Francisco nicht leicht ist. Die Gasthäuser waren abscheulich und über allen Begriff theuer. Nachdem er lange die Straßen durchwandert oder vielmehr durchwatet hatte, fand er endlich einen intelligenten Plebejer, welcher ihm in dem einzigen Zimmer, das er leer hatte, ein Unterkommen für sechs Dollars den Tag anbot. Es hatte freilich nicht mehr Raum als etwa ein Schilderhaus, aber dem Herrn Herz blieb keine andere Wahl. Im Grunde fühlte er sich zufrieden; war er doch der erste Pianist, welcher in diese entlegenen Gegenden vordrang. Es mußte wunderbar sein, die Wirkung der Musik auf die halbwilde Menge zu beobachten, welche vielleicht vor dem Piano auf die Kniee fiel, wie die Uramerikaner zur Zeit des Columbus beim Anblick der ersten Mondfinsterniß.

Als er da saß und diesem schmeichelnden Gedanken nachhing, ward an die Thür geklopft. Sie ging auf, und es zeigte sich ein junger Mann, dessen Aussprache, dessen schönes langes Haar hinreichend den Deutschen verrieth. Er fragte, ob er das Vergnügen habe, mit dem berühmten Henrich Herz zu sprechen, was natürlich bejaht wurde. Hätte aber der berühmte Mann ihn zum Eintreten einlassen wollen, so hätte er selbst zuvor zum Fenster hinaus das Gemach räumen müssen, da es nicht Zwei fassen konnte.

„Ich komme,“ sagte der junge Mann mit dem schönen Haar, „Sie zu veranlassen, Ihre Wohnung zu räumen. Ich räume ein, daß das Ameublement ganz schön ist und das Hotel ein prächtiges Ansehen hat; aber man muß gegen diese Häuser in St. Francisco auf seiner Hut sein. Sie werden zu rasch gebaut; bei der Grundlegung wird zu leicht verfahren, und daher ist es nicht selten, daß Leute,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_270.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)