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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

der westlichen Welt in nähere, ja engere Berührung bringen dürfte.

So viel wir von der Geschichte Chinas wissen, reicht dieselbe Jahrtausende über unsere Zeitrechnung hinaus, und Jahrtausende hindurch, ja bis auf die neuesten Zeiten hin, blieb China unberührt von allen Einflüssen europäischer Bildung und behielt die Formen, in welche das staatliche Leben von frühester Zeit eingezwängt war, unverändert bei. Jedenfalls lag es in der Politik der chinesischen Herrscher, ihre Völker auf das Strengste von allem Verkehr mit fremden Völkern abzusperren, und die ungeheuere Ausdehnung des Reiches, die hohen unzugänglichen Gebirge, sowie die weiten Steppen und das stürmische Meer, welche die Grenzen China’s bilden, trugen wesentlich dazu bei, diese Politik leicht durchzusetzen; auch haben der Stolz und Eigendünkel der Chinesen, die sich für das gebildetste Volk der Welt halten und auf alle übrigen Völker mit Verachtung herabsehen, dem Abschließungssystem bedeutenden Vorschub geleistet und die Annahme fremder Einrichtungen und Kunstfertigkeiten verhindert.

Unter den eigentlichen chinesischen Dynastien, deren letzte, die Ming-Dynastie, vor zweihundert Jahren in Folge eines inneren Aufruhrs durch die, aus dem Norden berbeigerufenen Mandschu gestürzt wurde, ward dies Absperrungssystem nicht immer streng gehandbabt, und schon im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts traten die Portugiesen und Spanier mit den Chinesen in Verkehr, und unter der jetzt noch regierenden Mandschu-Dynastie, die sich Too-tsing, d. h. die sehr reine nennt und seit 1644 auf dem Drachensitze des himmlischen Reichs thront, wurden die ersten Handelsverbindungen mit Rußland angeknüpft, die bis auf diese Stunde fortbestehen. Bald darauf gelang es auch den Franzosen und Engländern, in gleiche Verhältnisse zu China zu treten, ja sogar sich in Kanton festzusetzen.

Von dieser Zeit an begann die Thätigkeit englischer und französischer Missionäre für die Verbreitung des Christenthums in China, doch konnten sie, wenn gleich schon lange vor ihnen besonders die Jesuiten in derselben Richtung gewirkt hatten, um so weniger wesentliche Resultate erzielen, da die, unter dem zweiten Herrscher der Mandschu-Dynastie den Christen zugestandene freie Ausübung ihrer Religion von dem nächsten Nachfolger desselben zurückgenommen ward. An die Stelle der Duldung trat bald eine harte Verfolgung der Christen, auch das locker gewordene Absperrungssystem wurde wieder strenger beobachtet, ja immer schärfer und schärfer durchgeführt, je kräftiger sich die britische Macht in Indien entwickelte. Es scheint, daß der jetzt regierende Kaiser – vorausgesetzt, daß er in diesem Augenblicke noch seinen Sitz im Palaste zu Peking hat – der 1820 zur Herrschaft gelangte, geahnt haben mag, daß von den immer mächtiger werdenden „rothborstigen Barbaren,“ wie der chinesische Staatsstyl die Engländer nennt, dem Reiche der Mitte Unheil drohen werde; denn er ließ die einmal bestehenden Verkehrsverhältnisse nach Möglichkeit einschränken, trieb 1828 alle katholischen Missionäre aus Peking und verbot auf das Strengste den Umgang mit den Fremden.

Dies Verfahren, dann aber auch die Aufhebung des Monopols der englisch-ostindischen Kompagnie, wodurch der Handel der Engländer nach China einen ganz andern Charakter annahm, führten vorzugsweise in Kanton zu allerlei Händeln, die schon im Juli 1834 so bedenklich wurden, daß die chinesischen Behörden allen Verkehr mit den Engländern aufhoben. Es traten nun zwar momentane Ausgleichungen ein, jedoch brachte der von den Engländern mit Eifer betriebene, höchst vortheilhafte Schmuggelhandel mit Opium eine solche Erbitterung bei der chinesischen Regierung hervor, daß sie den Verbrauch des Opiums bei den schrecklichsten Strafen untersagte, ja sogar die Auslieferung alles auf englischen Schiffen und in Magazinen befindlichen Opiums verlangte, um so auf einen Schlag den Handel mit dieser „Teufelswaare“ zu vernichten. In Folge dieses Verfahrens brach der Krieg zwischen England und China aus, der nach wiederholten blutigen Niederlagen der chinesischen Land- und Seemacht im Jahre 1842 mit dem Frieden von Nanking endigte, die Eröffnung von fünf chinesischen Häfen und Zulassung von Konsuln in denselben herbeiführte und die Engländer in den Besitz der Insel Hongkong setzte.

Dieser Friede ist ein weltgeschichtliches Ereigniß: er brach das chinesische Absperrungssystem und öffnete die bis dahin so gut wie unbekannte Ostwelt Asiens dem Einflusse europäischer Kultur um so mehr, da die Siege, welche die Engländer in verhältnißmäßig kurzer Zeit, mit an sich nur geringen Kräften und unter ganz unbedeutenden Verlusten über den Sohn des Himmels davon trugen, aller Welt verriethen, auf wie schwachen Füßen die Macht des so gewaltigem Reiches stehe.

Daß der Ausgang des Kampfes mit den Engländern auch im Innern des eigentlichen China, eines Landstrichs, der mindestens fünfmal so groß ist, wie Deutschland, außerordentliche Bewegungen hervorgerufen habe, darüber hatte man lange Zeit hindurch keine bestimmte Nachrichten. Man hörte wohl bald nach dem Frieden von Nanking, daß sich in den südwestlichen Provinzen gewisse Reformbestrebungen kund gäben, daß sich eine mächtige Partei erhoben habe, welche sich bemühe, überall geheime Gesellschaften zu stiften und mittelst dieser das Volk gegen die verhaßte Mandschu-Dynastie aufzuwiegeln, und daß ein Nachkomme der vor zweihundert Jahren vertriebenen Ming-Dynastie von allen Seiten her Unzufriedene an sich zu ziehen suche und entschlossen sei, sein gutes Recht auf den Thron in Peking mit den Waffen geltend zu machen und dem chinesischen Volke, das von fremden Tyrannen niedergedrückt werde, eine bessere, ruhmreichere Zukunft zu eröffnen. Nachrichten dieser Art wiederholten sich von Zeit zu Zeit, fanden aber, da sie zu sehr den Charakter von Gerüchten an sich trugen, wenig Glauben, bis man endlich in englischen Blättern von einer Verschwörung las, die in Kanton im Jahre 1848 entdeckt und an den Theilnehmern, deren man habhaft werden konnte, auf das Grausamste bestraft wurde. Man erfuhr nun, daß ein Dreieinigkeits-Bund bestehe, der mit andern geheimen Gesellschaften den engsten Verkehr unterhalte, daß dieser Bund bereits eine bedeutende Streitmacht habe, und daß die Ermordung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_290.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)