Seite:Die Gartenlaube (1853) 309.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 29. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Eine Nacht unter Alligatoren.

Aus den Sümpfen Louisiana’s in Amerika.




Ich bin, so zu sagen, ein geborner Jäger und ich glaube, daß Niemand im Stande ist, irgend eine Sorte von Jagd zu nennen, die ich nicht praktisch verstünde. Nur einen Ibis, einer der interessantesten Vögel Amerika’s, hatte ich noch nicht geschossen. Eigentlich war ich blos des Ibis wegen in die heißen Sümpfe, Seen, Buchten und Lagunen gegangen. In meiner kostbaren Sammlung von Jagd-Trophäen sollte der Ibis nicht länger fehlen. Lange hatte ich mich in den südlichen Theilen herumgetrieben, ohne meinen Vogel zu entdecken. Endlich wagte ich mich allein mit meiner Doppelbüchse und meinen Pulvervorräthen in einem gewöhnlichen Kahne eines Tages weiter und immer weiter hinein in diese schläfrigen, schlammigen Buchten und Bayen, die der Mississippi schon 300 Meilen (es ist immer von englischen Meilen die Rede) vor seiner Mündung um sich herum gerissen hat. Zuweilen schlafen sie ganz in Schlamm und Schlummer versunken, zuweilen kriechen sie vor-, dann auch wieder rückwärts, je nach der Jahreszeit. Diese labyrinthischen Ströme, Bayen und Buchten sind in der Regel sehr tief, zuweilen eng, zuweilen sehr weit und mit Inseln in deren Mitte. Sie sind mit ihren Sümpfen und Morästen die wahre Heimath der Krokodile und Alligators und eines nicht minder unfreundlichen Geschöpfs, des Fluß-Hay’s. Schaaren von Wasser- und Sumpf-Vögeln kreisen und kreischen über ihnen und waten durch deren schwarzen Urschlamm; der rothe Flamingo, der weiße Reiher, der Trompeten-Schwan, der blaue Fischreiher, die wilde Gans, der Kranich, der Schlangen-Vogel, der Pelican und endlich der Ibis in mehreren Arten. Ueber ihnen kreist die Aristokratie der Sümpfe, der weißköpfige Adler und andere Söhne vom Stammbaume der Raubvögel, die zuweilen herabschießen und sich bald Vögel, bald Fische holen. Die Natur strotzt hier noch von häßlicher Ueberfruchtbarkeit an scheußlichen Reptilien, Fischen und Insekten, die von den Schaaren der Vögel, obgleich sie von ihnen leben, nicht verdünnt, geschweige vertilgt werden können.

Diese Wassernetze wirren sich in allen Richtungen durch die Sümpfe und sind zwischen manchen Ansiedelungen die einzig möglichen Wege. Südlich nach dem

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_309.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)