Seite:Die Gartenlaube (1853) 334.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

höher. Nirgends entdeckte man dort irgend etwas nur einigermaßen Ungewöhnliches. Der Unterpräfect sah sich überall um, befahl Jedermann zu schweigen, stampfte zweimal auf den Boden, ließ sich Licht bringen, untersuchte die Stelle genau, wo er aufgestampft hatte, und befahl, daß man dort den Fußboden sorgfältig aufhebe. Dies war sehr schnell geschehen. Lichter wurden dorthin gehalten und wir blickten in eine tief gezimmerte Höhlung, zwischen dem Boden des obern und der Decke des untern Zimmers. Durch diese Höhlung ging perpendicular eine Art dick eingeschmierter Kasten und innerhalb des letztern erblickte man die Schraube, welche mit dem Betthimmel unten zusammenhing. Frisch eingeölte besondere Schraubenstöcke – mit Filz bedeckte Hebel – die vollständigen obern Theile einer schweren Presse, mit teuflischer Geschicklichkeit so berechnet, daß sie alle unten zusammenhalten mußten, und wenn sie wieder auseinander genommen wurden, im kleinsten Raume sich unterbringen ließen, wurden nun zunächst entdeckt und auf den Boden gelegt. Nach einiger Mühe gelang es dem Unterpräfect, die Maschinerie zusammen zu setzen, und so stieg er nebst mir mit Hülfe seiner Leute in das Schlafzimmer hinab. Dies geschah jedoch nicht so geräuschlos, als es bei mir der Fall gewesen war, und als ich ihm dies bemerklich machte, war seine Antwort von furchtbarer Bedeutsamkeit. Er sagte nämlich: „mein Herr, meine Arbeiter handhaben diesen Betthimmel zum erstenmale – die Männer, deren Geld Sie gewonnen haben, waren besser damit bewandert.“

Wir ließen das Haus blos in der Aufsicht der beiden Polizeioffizianten, da auf der Stelle alle Einwohner desselben ins Gefängniß abgeführt worden waren. Nachdem der Unterpräfect meine Aussagen zu Papiere gebracht hatte, begleitete er mich in mein Hotel, um sich meinen Paß auszubitten. Ich fragte, als ich ihn ihm einhändigte, ob er glaube, daß irgend Jemand schon in diesem Bette so zur Ruhe gebracht worden wäre, wie man es mit mir im Sinne gehabt?

„Ich habe,“ antwortete er, Dutzende ertränkter Menschen schon in der Morgue liegen sehen, in deren Portefeuilles wir Briefe fanden, welche enthielten, daß sie sich selbst durch Ertränken in der Seine um’s Leben gebracht, weil sie ihr ganzes Vermögen im Spiele verloren. Kann ich’s wissen, wie viele von diesen in dasselbe Spielhaus kamen, wo Sie hinein sich begaben, gewannen wie Sie gewannen, sich in das Bett legten, worin Sie lagen, darin schliefen, erdrückt wurden wie Sie, und dann heimlich in den Fluß geworfen wurden, mit einer von ihren Mördern geschriebenen und in ihr Portefeuille gelegten Empfehlung und Erklärung? Niemand kann wissen, wie viele oder wie wenige das Schicksal erduldet haben, dem Sie glücklicherweise entronnen sind. Die Leute aus dem Spielhause hielten ihre Bettstellenmaschinerie als ein Geheimniß für uns, den übrigen Theil desselben behielten die Todten für sich. Gute Nacht denn, oder vielmehr guten Morgen, Herr Faulkner. Finden Sie sich um 9 Uhr wieder auf meinem Büreau ein. Bis dahin auf Wiedersehen.“

Der übrige Theil meiner Geschichte ist bald erzählt. Ich ward befragt und wieder befragt, das Spielhaus ward vom Schornstein bis zum Keller auf’s Sorgsamste untersucht, die Gefangenen wurden abgesondert verhört und zwei der mindest Schuldigen unter ihnen gestanden. Ich entdeckte, daß der alte Soldat der Herr des Spielhauses sei, und die Justiz, daß er als Vagabund vor Jahren aus der Armee gestoßen worden, daß er seitdem alle Arten von Schlechtigkeiten sich zu Schulden gemacht, daß er plötzlich zu Vermögen gelangte, und daß er, der Croupier, noch ein Mitgenosse und das Weib, das mir die Tasse Kaffee gebraut, alle mit in dem Geheimnisse der Bettstelle verflochten. Es schien zweifelhaft, daß die geringern Personen im Hause etwas von der Erstickungsmaschine gewußt hätten und sie ernteten von diesem Zweifel dies, daß sie blos als einfache Diebe und Vagabunden behandelt wurden. Was den alten Soldaten und seine beiden Hauptbeistände betraf, so kamen sie auf die Galeeren, das Weib, das mir den Kaffee gebracht, ward auf mehrere Jahre eingekerkert, die regelmäßigen Besucher des Spielhauses erschienen als verdächtig und wurden unter Aufsicht gestellt, ich aber ward eine ganze Woche lang, folglich eine sehr geraume Zeit, der Haupt-Lion der Pariser Gesellschaft. Drei berühmte Schauspielmacher dramatisirten mein Abenteuer, aber es sah nie das Lampenlicht, denn die Censur verbot es, die treue Abbildung einer Spielhausbettstelle auf die Bühne zu bringen.

Zwei gute Wirkungen brachte aber doch mein Abenteuer hervor, welche jede Censur würde haben billigen müssen. Für’s erste half es die Regierung zu rechtfertigen, von da an alle solche Spielhäuser aufzuheben und dann kurirte es mich, jemals wieder Rouge et noir als einen Zeitvertreib aufzusuchen. In meiner Seele wird der Anblick eines grünen Tuches mit Karten- und Goldhaufen stets mit dem Anblick des Betthimmels vergesellschaftet sein, der in dem Schweigen und der Dunkelheit der Nacht sich herabsenkt, um mich zu ersticken.“




Joseph Hume.

Die Gartenlaube machte ihre Leser unlängst mit dem Portrait und den Verdiensten Richard Cobden’s bekannt. Folgerichtigerweise darf nun auch Joseph Hume (sprich Hjuhm) nicht fehlen. Wer jemals in den englischen Artikeln deutscher Zeitungen las, wird diesem Namen öfter und öfter begegnet sein und sich erinnern, daß er immer etwas Derbes, Tüchtiges, Praktisches, Oekonomisches sagte und unnöthige Staatsausgaben

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_334.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)