Seite:Die Gartenlaube (1853) 337.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

und Almazarron, über welche Orte ich hierher gereist bin, war dies der Fall, obgleich erstere Stadt ein Hafenort ist. Daß ich mich für das Leben in Spanien bis jetzt nicht im allermindesten begeistert fühle, mag immerhin zum Theil von meiner geringen Kenntniß der Sprache herrühren und daher, daß mich von Murcia an mein Weg durch die trostlosesten Gegenden geführt hat, die blos da zu sein scheinen, um malerische Scenen aufzustellen und dem Menschen den Mangel des Wassers fühlbar zu machen. Aber auch ohne diese Gründe glaube ich meinem Freunde von Gülich täglich mehr, daß es einem Deutschen, der nicht über Gelderwerb über andere Entbehrungen hinwegsieht, nun und nimmermehr unter den Spaniern gefallen kann. Eins – ich bitte immer zu beachten, daß meine Beobachtungen von denen mehrerer lange Jahre in Spanien lebenden Deutschen unterstützt werden – Eins vermißt man bitter, das ist die deutsche Wärme und Gemüthlichkeit. Außer diesem Mangel, den ein Deutscher bitter fühlt, vermißt der deutsche Gelehrte in Spanien das Interesse für die Wissenschaften. In einem gewissen Grade ist aber jeder Deutsche an Bildung ein Gelehrter. Ich unterscheide hier wohl zwischen Professorenthum und humaner Gelehrsamkeit! Der Kunstsinn der Spanier dreht sich nach meinen jetzigen wenigen Beobachtungen um einige spanische Namen, unter denen Murillo obenan steht. Wie ich in Murcia nicht die Spur von Kunsthandel fand, so fand ich es auch in Cartagena, so fand ich es hier. Am Tage meiner Abreise von Murcia war unter pomphafter Ankündigung eine lithographische Ansicht von dieser schönen Stadt erschienen, die füglich für den ersten stümperhaften Versuch eines Anfängers in der Lithographie gelten kann.

Doch das gehört ja nicht zu „spanischem Leben“ im engeren Sinne. Um das „Leben“ zunächst recht materiell aufzufassen, so muß ich kurz von der spanischen Küche etwas sagen: und wenn die neue physiopsychologische Schule darin Recht bat, wie sie es hat, daß die Nahrung auch den geistigen Menschen, nicht blos den leiblichen macht, so ist das Departement der Küche ein hochwichtiges. Sie ist gründlich von der Deutschen verschieden. Die französische steht zwischen ihr und der deutschen, und uns gilt schon die französische für zu gewürzt, zu – lasciv möchte ich sagen. Die spanische schwimmt in Fett, Speck, Oel, Butter und Gewürzen. Was sie von der leichten Beschwingung des deutschen Geistes übrig lassen würde, das vernichtet der schwere feurige Wein. Mein Hauptreiseleiden ruht in der spanischen Küche. Nur wenige Gerichte esse ich mit Appetit. Barcelona ausgenommen habe ich bisher kein Quellwasser getrunken. Von Bier einigemale, selbst in Cartagena, nur ein verfehltes Conterfei. Für den geistigen Kaffee und den phantasiereichen Thee liebt man im Süden Spaniens die nährende und aufregende Chocolade. Kurz, der Spanier ißt und trinkt nach meinen bisherigen Beobachtungen sehr massiv. Dabei ist für das Bedürfniß Fremder sehr schlecht gesorgt. Eben jetzt erlebte ich ein auffallendes Beispiel davon. Ich bin in Lorca mit meiner Tartana in einer Posada abgestiegen, was so ziemlich unsern deutschen Fuhrmanns-Wirthshäusern entspricht. Ich suchte, um etwas besser zu essen, eine Fonda, aber in Lorca, einer Stadt von wenigstens 15000 Einwohnern, giebt es keine! Sie werden fragen, wie es dann junge und unverheirathete Männer machen, um nicht zu verhungern? Sie essen in einer Casa de Pupilos oder de Huespedes, was so ziemlich unseren abonnirten Familientischen entspricht. Immer vermiethen diese Casas auch Zimmer. Für einen Aufenthalt auch von nur einigen Wochen ist es dem sparsamen Reisenden daher stets anzurathen, die fast immer theure Fonda zu vermeiden und in einer Casa de Pupilos ein Unterkommen zu suchen.

Um aus der Küche in die übrigen Gemächer zu gehen, so habe ich in dieser Hinsicht fast nur Extreme gesehen; in dem Hause meines Murcianischen Gastfreundes und dem seiner Familie spanischen Luxus und in den Gasthäusern von Almazarron und Lorca – in Cartagena war es etwas besser – das Gegentheil. In Murcia traf ich einen großen Luxus in der Parketirung der Zimmer. Sie sind mit 8 Zoll im Geviert großen buntglasirten Steinguttäfelchen, Azulejos, ausgelegt, die vorzüglich in Valencia gemacht werden. Jedes Stück davon kostete meinem Freunde bis an seinen Platz gegen 5 Sgr. Ueberhaupt habe ich Breterdielen in Spanien noch niemals gesehen. In den meisten Zimmern besteht die Diele aus quadratischen Ziegeltäfelchen; in kleinen Orten aus bloßem Estrich, gleich einer Tenne, nur selten so eben und stark wie diese. Im Winter breitet man Espartodecken darüber, die sehr zierlich geflochten und meist schwarz, roth und gelb gemustert sind. In Spanien tritt also das Volk im wahren Sinne des Wortes die deutschen Farben mit Füßen. Dem Esparto muß ich einen eigenen Brief widmen. Nächstens hoffe ich dieses wohlthätige Gras in Blüthe zu sehen. Es ist jetzt das leibhaftige Bild der ursprungslosen Bescheidenheit. Es giebt nichts schlichteres, ja fast unbedeutenderes, als einen Esparto-Stock, und doch – kann das Volk – was man in Deutschland Volk zu nennen pflegt – ohne Esparto nicht bestehen. Außer der Bedeckung der Diele spielt der Esparto selbst bei den Reichen eine große Rolle als Bezug der Stühle, wozu wir sogenanntes, aber keineswegs in Spanien wachsendes, spanisches Rohr oder Stroh verwenden. Polstermöbeln sind ein unerhörter Luxus in Spanien. Ueberhaupt scheint der Spanier sehr einfach in der Ausstattung seiner Zimmer zu sein. Barcelona ausgenommen, wo ich alle Zimmer mit grellen Farben geschmacklos gemalt fand, habe ich bis jetzt nur weiße, aber spiegelglatte Gypswände gesehen. Den Luxus unserer Wagen kennt man wenigstens in Südspanien nicht. Eine Coche (spr. Cotzsche) ist eine deutsche Kutsche mit C-Federn, wie wir sie vor 30 Jahren hatten und hier eine Seltenheit. Das Entgegengesetzte ist eine Tartana, deren eine, mit einer Mula bespannt, mich jetzt einige Monate hindurch Schritt vor Schritt, buchstäblich! durch Spanien schleppt; ich habe sie Ihnen schon beschrieben. In der Mitte steht eine Galera, eigentlich nur eine längere Tartana mit 2 Räderpaaren, von denen das vordere kaum über halb so groß als das hintere ist. Sie hat auch blos 2 Längsbänke. Diese Beförderungsmittel

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_337.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)