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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

schonender mit den Bäumen verfährt, welche ihn liefern. Wir können uns hier nicht lange bei den Verfahrungsarten aufhalten: die rohe, holzartig aussehende Gutta Pertscha zu reinigen, was durch mechanische Zertheilung im kalten Zustande, darauf folgendes Auswaschen und Kneten in der Wärme und mit Wasser, und endlich durch Ziehen, Strecken und Auswalzen geschieht. In Folge dieser Behandlung erscheint die Gutta Pertscha rein, glatt, lederartig, geschmeidig, in plattendünnen, papierähnlichen Blättern, Röhren, Fäden, und findet in dieser Gestalt Benutzung, man kann wohl sagen, zu den fast zahllosen Zwecken, wozu man auch Leder und Papier und biegsame wasserdichte Röhren benutzt. Als mehr und minder dicke Platten verwendet man sie u. A. zum Besohlen von allerlei Schuhzeug, um dessen Einführung in unserer Stadt sich Herr Bandagist Schramm viele Verdienste erworben hat. Schon sehr viele Leute verstehen die Kunst und legen sich Sohlen unter, welche namentlich wegen ihrer Haltbarkeit und Wasserdichte in nassem Wetter treffliche Dienste leisten. Ferner preßt und prägt man allerhand

Gutta Pertscha als Schallröhre.

Zierrathen und verzierte Geräthe aus den Platten, welche verschiedenartig gefärbt werden können und unverwüstlich sind, falls man sie nur nicht der Hitze aussetzt. In Rieme zerschnitten treiben die Platten Scheiben an Wellen zum Bewegen von Maschinenwerken und Mühlen. Man benutzt sie zur Anfertigung von Feuereimern, die nicht wie andere, siebartig auslaufen, wenn sie gebraucht werden sollen, und zu Schläuchen und Leitungsröhren für Flüssigkeiten, denen ähnliche von anderem Material kaum an die Seite gestellt werden können. So trefflich wie Flüssigkeiten leiten jene Gutta-Pertscha-Röhren auch den Schall, so daß man sie jetzt allgemein als lange Sprachrohre in Schächten, Schiffen, in Fabriken, Gasthäusern u. s. w. gebraucht. Eine menschenfreundliche Verwendung dieser Art sieht man auf unserem Bilde, wo durch eine Röhrenleitung von Gutta Pertscha von der Kanzel aus bis zum Kirchenstuhl Schwerhörigen das Anhören der Predigt möglich gemacht wird. Die Röhre erweitert sich oben an der Kanzel als Schallloch; im Kirchenstuhl aber theilt sie sich nach Bedürfniß in mehrere Zweige, an deren Enden sich Hörröhren befinden, deren Mündungen in die Ohren gesteckt werden. Als Ueberzug schützen Gutta Pertscha-Röhren Metalldrähte bis zu einem gewissen Grade gegen Einwirkung der Feuchtigkeit; und wenn man sie gegenwärtig weniger als Ueberzug von unter der Erde liegenden Landtelegraphendrähten benutzt, weil diese, als nicht zweckmäßig, aufgegeben worden sind, dort wo man oberirdische Drähte anbringen kann, so ist doch ihre Verwendung als Decke über unter Wasser befindlichen Telegraphendrähten fast unabweislich.

Die dünn ausgewalzte Gutta Pertscha ist zur Verpackung, zum luftdichten Verschluß von Flaschen und Büchsen, zum Buchbinden, zum Druck; in diesem Falle muß sie weiß gebleicht werden; zur Fertigung von feinen Stiefeln und Schuhen, in welchem Falle sie einer Färbung bedarf, trefflich anwendbar.

Mit großem Geschick wird sie, zumal in einigen Werkstätten Englands und Amerika’s, grade wie Kautschukkitt, aufgelöst, als Leim benutzt, um die Bogen der Bücher zu vereinigen, statt des Heftens und Nähens und der weiteren Bearbeitung des Rückens. Man legt die Bogen wie gewöhnlich zusammen, schlägt sie, fährt mit einer Raspel über den Rücken und trägt eine oder mehrere Schichten einer Gutta Pertschalösung auf. Zu mehrerer Sicherheit kann man auch einen, mit jener Lösung bestrichenen Kattunstreifen dem Rücken auflegen. Diese Art Heftung möchte jener deutschen vorzuziehen sein, wozu gar kein Faden, sondern nur Tischlerleim gebraucht wird. In Form von Cylindern und starken Platten, runden Scheiben eignet sich unser bildsames Material ungemein gut, behufs Fertigung von Walzen in Druckmaschinen, von Preßcylindern in Flachsspinnmaschinen, welche den Faden naß ausspinnen, für Kolbenliderungen in Kunstsätzen oder Pumpen u. s. w. Ist dasselbe aber zu stärkeren oder dünneren Fäden ausgezogen, so kann es als Ersatz für Taue und Stricke behufs einer Fülle von Zwecken dienen. Den Hausfrauen sind solche starke Pertschafäden als Wäschleinen zu empfehlen. Nichts Besseres zum Binden für Kunstgärtner als jene dünnen Pertschafäden, deren Schmiegsamkeit und Festigkeit erstaunenerregend ist. Netzwerk daraus ist unverwüstlich, was für Jäger und Fischer von Belang ist.

Die Wundarzneikunst benutzt ferner in vielen Fällen mit großem Vortheil die Gutta Pertscha bei Anfertigung von künstlichen Gliedmaßen und allerlei Binden. Eine Lösung jenes Harzes in Chloroform giebt nach Dr. Rapp in Bamberg ein besseres Wundpflaster als Collodium. Man bereitet es aus 1 Theil Gutta Pertscha und 8–9 Theilen Chloroform und kann die daraus entstehende dickliche Flüssigkeit mit einem Pinsel grade wie Collodium auftragen.

Endlich – um mit unsern Beispielen für Anwendung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_352.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)