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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

10,000 Thalern verholfen, schwammen die beiden Geisterklopferinnen überall ganz oben in den Stadtgesprächen. Alle Tage vermehrte sich die Liste ihrer Wunder. Ein Tischler sollte sogar durch diese „Media“ von seinem verstorbenen Großpater das geheime Recept zu einer vorzüglichen Politur erfahren haben. Daß einige subalterne Postbeamte mit den geheimnißvollen Damen in Verbindung stehen sollten, von denen Einer 5000 Thaler von einem citirten Verstorbenen ausgezahlt bekommen habe, erhöhte noch den Reiz der Absurdität. Des heiligen Augustinus Glaubenssatz: „Credo quia absurdum“ (ich glaube, weil es Unsinn ist) ist gar nicht so absurd, als er scheint.

Während die beiden Damen in der Blüthe ihres Ruhmes standen und einige Geistliche Sonntags nicht undeutlich auf dieses verdammte Satanswerk anspielten, wurden wir, d. h. ich und ein sehr liebenswürdiger und reicher anderer Student von hoher Familie mit einem noch anderen Studenten aus russisch Polen bekannt, der Petermann hieß und die Damen und ihre alte, wieder aufgefundene Kunst hartnäckig gegen uns Spötter vertheidigte und in seiner Weise den ganzen Proceß des Geisterbeschwörens auch zu erklären verstand. Er sagte: es giebt eine geheimnißvolle Flüssigkeit über dem Magnetismus und der Electricität, in der die Geister leben. Nun haben die Damen eine andere Flüssigkeit entdeckt, welche auf diese, worin die Geister leben, so wirkt, daß sie sich zusammenzieht und die Geister mit. Wer dann gerufen wird, zieht sich rasch aus den verschiedenen Luftarten, aus denen alle körperlichen Gegenstande chemisch zusammengesetzt sind, vermittelst seiner befreiten höhern Macht rasch einen Körper und die nöthige Kleidung dazu zusammen und – erscheint. Es machte uns unendlich viel Spaß, mit dem höhern Geisterkleidermacher zu disputiren. So wurden wir immer bekannter und ließen uns endlich bereden, uns durch die Damen eine Frage an das Schicksal frei zu machen.

Heinrich, mein liebenswürdiger, reicher Freund, hatte einen Bruder als Lieutenant in Breslau, von dem Petermann und die Damen nichts wissen konnten, von dem aber wir durch einen Brief erfahren, daß er sehr fidel und wohlauf sei und mit Glück spiele. Heinrich überredete mich, den Damen und den Gläubigen und besonders den höhern polnischen Flüssigkeiten Petermanns einen Possen zu spielen. Wir verkleideten uns und gingen Abends 8 Uhr stracks auf das „verwunschene“ Haus, wo die Verstorbenen alle erscheinen mußten, wie gut dressirte Hunde, denen man pfeift, mit dem Plane los, den „längstverstorbenen“ Bruder Heinrichs, den lustigen Hazardspieler und Lieutenant in Breslau, aus seinem Grabe rufen zu lassen, während er beim Spieltische und Champagner sich göttlich des Lebens freuen mochte in echt lieutenantischer Weise.

Ein grauhaariges, grauliches, grauenhaftes weibliches Wesen, nicht unähnlich einem vollkommenen Viereck, öffnete uns halb die Thür zu dem Geisterhause. Sie musterte uns sehr scharf, führte uns dann durch einen dunkeln Corridor in ein hinteres Zimmer mit drei Thüren und sehr geisterhaft aussehenden Meubles. Nur die Lampe schien dem gegenwärtigen erleuchteten Jahrhundert anzugehören und konnte sogar von dem Erfinder der höhern Lampenputze, Herrn Löff, sein.

Die beiden Geisterbeschwörerinnen ließen nicht lange warten und traten mit feierlicher Höflichkeit ein. Die eine schien ein deutsches, die andere ein slavisches Gesicht zu haben, aber Beide sahen sehr complicirt und schlau aus hinter ihrer Feierlichkeitsmaske.

Heinrich erzählte seine Geschichte mit einem so täuschenden Ausdruck von Schmerz und Trauer, als wär’ er einer der talentvollsten Tragödienspieler. Nachdem er geendet, fragte die slavische Dame sehr scharf: „Sind Sie auch ganz sicher, daß Ihr Bruder todt ist, ganz überhaupt?“

„Ganz, ganz sicher,“ antwortete Heinrich mit einem tiefen Seufzer, bei welchem er sich bald verrathen hätte, so schwer konnte er das Lachen bergen. Und mit hohler, feierlicher Stimme fragte sie jetzt, jedes Wort langsam und einzeln betonend: „Fühlen – Sie – Muth – genug –, junger Mann –, einem – dahingeschiedenen – Geiste – zu – begegnen –, ihm – in – das – Auge – zu – sehen –, zu – ihm – zu – sprechen – und – zu – vernehmen – seine – Antwort?“

„Bin’s,“ antwortete Heinrich wie ein Jaromir im letzten „Bins.“

„So will ich ihn rufen,“ antwortete sie, feierlich, kalt, eintönig; „mein Planet hat heute Macht. Doch vernehmen Sie vorher meine Warnung. Was Sie auch hören und sehen, schweigen Sie zu Allem und beschränken Sie sich lediglich auf die Worte, die Sie an den Dahingeschiedenen richten wollen; Sie können nicht wissen und wir eben so wenig, welche ungehörige Laute das feine Gewebe der Gesetze, welche hier durch eine alte, durch Fasten und Beten wieder aufgefundene Wissenschaft aufgerufen werden, etwa stören könnten. Folgen Sie mir!“

Wir folgten mit der Miene furchtsamer Handwerksburschen, deren Kleidung wir angezogen. Die andere Dame zog ein seltsames Buch aus der Tasche und setzte sich bei die Lampe. „Ich lese während jeder solchen Thätigkeit meiner Freundin Gebete,“ sagte sie und blieb zurück.

Die Thür schloß sich wie von selbst hinter uns, was jedenfalls mit zum „Geschäft“ gehörte, und wir befanden uns in einem blos mondscheinerleuchteten Raume. Vor uns sahen wir eine Art von Theater mit einer Todtenurne vorn und einer großen Vase. Die Dame ergriff letztere, goß eine Flüssigkeit in die Todtenurne, aus welcher sogleich mit seltsamem Geräusch eine stark riechende blaue Flamme, die bei mysteriösen Gelegenheiten nie fehlen darf, prasselnd aufloderte und das Theater erleuchtete. Es schien eine unendliche Perspective zu haben, wenigstens verlor sich das Auge in ein ganz unbegrenztes Dunkel. Wir hatten Beide ziemlich viel Chemie getrieben und glaubten die Gerüche aller möglichen chemischen Processe zu kennen. Dieser hier, der zum „Zusammenziehen“ der Geister gehörte, war uns absolut fremd.

Jetzt breitete die dunkele Dame ihre Hände gegen die blaue Flamme aus und forderte den Geist in einer uns ganz unbekannten Sprache auf (wenigstens dachten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_364.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)