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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

viel einzubringen vermöge. Mir hat es immer geschienen, als ob Hühner, Enten und Gänse so nebenher auf den Gütern mit aufgezogen würden und sich ihr Futter im Hof und Garten selbst suchen müßten. Wenn man daher nicht wie in London 20 Neugroschen für ein junges Huhn oder ein Hähnchen erhalten kann, so ist wohl kein Geschäft zu machen. Sollen wir hier aber 20 Neugroschen für ein Backhändel geben, dann würde Niemand Geld haben, selbst „alte Henne mit Allerlei“ zu bezahlen.




Jean Paul Richter.

Ein Bild aus alter Zeit.

Die dem Volk in diesem Blatt bereits vorgeführten Schilderungen der Persönlichkeit zweier seiner edelsten Freunde, die von Gervinus und die „des alten Arndt,“ veranlassen mich, bis jetzt noch nicht veröffentlichte Beiträge zur Schilderung eines Mannes hier niederzulegen, der, wiewohl er zur Zeit dem eigentlichen Volke noch wenig bekannt und zugänglich geworden, dasselbe doch so tief im Herzen getragen als irgend einer unserer berühmten Landsleute; denn, unmittelbar aus demselben hervorgegangen, hat er es in der glänzendsten Epoche seines Lebens und Wirkens nie verläugnet, selbst als die vornehme Welt um sein Lächeln buhlte und ihn ausschließlich für sich in Anspruch zu nehmen suchte.

Ich sah Jean Paul zum erstenmale in Dresden als Student während der Osterferien 1822, als derselbe zu einem Frühlingsbesuche in das schöne Elbthal gekommen war, meine Familie ihm die Wohnung daselbst eingerichtet und, da seine Frau mit den Kindern in Baireuth zurückgeblieben war, während seiner Anwesenheit für seine gewohnten häuslichen Bedürfnisse sorgte. –

Es war auch damals und dort, wo er für mich die herzliche Theilnahme faßte, welche er mir bis auf seinem Todbette bewahrt hat, und die Veranlassung dazu ist zu charakteristisch für ihn, als daß ich dieselbe nicht an die Spitze dieser neuen Darstellung seiner Persönlichkeit stellen sollte.

Einer seiner Schwäger, mein Oheim somit ebenfalls, war August Mahlmann, der bekannte Dichter der so schönen Umschreibung des Vaterunsers und des satyrisch-burlesken Schauspiels Herodes vor Bethlehem. Derselbe, zugleich nach meines bereits 1805 verstorbenen Vaters Tode zu meinem und meiner Geschwister Vormund ernannt, war seitdem, namentlich in Folge des Besitzes der in den Kriegsjahren von 1813 Hauptquelle der Nachrichten vom Kriegsschauplatze gewordenen Leipziger Zeitung nicht nur ein sehr reicher, sondern, unter Anderm als Meister vom Stuhl der Leipziger Freimaurerloge, auch ein sehr einflußreicher Mann geworden. Dies glänzende Emporkommen und die mehr oder weniger offiziellen Verhältnisse, zu denen er dadurch gelangt, hatten ihm eine gewisse ängstliche Berücksichtigung dessen, was damals für gesellschaftlichen Anstand galt, aufgedrungen, und er wollte solchen auch von seinem Neffen und Mündel, für dessen spätere Versorgung er thätig zu sein allerdings geneigt war, auch während dessen Universitätsjahre beobachtet wissen. So hatte er mir sein Haus in der Weise geöffnet, daß ich wöchentlich zweimal an seinem Familientische aß, und wir hatten so lange im besten Vernehmen mit einander gestanden, als ich, von dem eigentlichen Studentenleben unberührt geblieben, in meinem Aeußern nichts von der gewöhnlichen Sitte Abweichendes an mir hatte. Ein gegen Ende des ersten Halbjahres in Halle gemachter Besuch hatte jedoch, da ich dort meine ehemaligen Schulfreunde in der auch von Arnold Ruge damals besuchten, zur „Deutschen Quelle“ umgetauften Resource gefunden, eine förmliche Umwälzung in mir hervorgebracht. Als ein ganz veränderter Jüngling nach Leipzig zurückgekommen, hatte ich namentlich meine Halsbinde weit von mir geworfen und war, ohne Arges zu ahnen, mit bloßem Halse und einem übergeschlagenen weißen Kragen zu Tisch zu dem Verfasser des Herodes von Bethlehem gegangen. Doch so wie ich in sein Zimmer getreten, hatte mich derselbe mit Vorwürfen deshalb überhäuft, daß ich es wage, „in einem solchen Aufzuge“ zu ihm zu kommen, hatte mir erklärt, wie ich an seinen Tisch nicht gelassen werden könnte, wenn ich nicht sogleich eines seiner mir dargereichten Halstücher umlegte, und ich hatte da augenblicklich das Haus des reichen und einflußreichen Vormundes verlassen; ein völliger, nie wieder geheilter Bruch war die Folge davon gewesen.

Dieser Bruch war nun von meiner Familie Jean Paul mitgetheilt worden, und als er mich in seine Wohnung beschieden, um mein Sein und Wesen näher zu prüfen, hatte er zuvörderst die umständliche Erzählung des Halstuchereignisses verlangt. So wie ich der Zumuthung gedacht, ein solches augenblicklich im Beisein des Vormundes anzulegen und dann mit demselben bei ihm zu essen, hatte sich Jean Paul von seinem Sitze mit der im fast drohenden Ton ausgesprochenen Frage erhoben:

„Und Sie haben es doch nicht umgebunden?“ Erst als ich erwiederte: „O nein!“ hatte er sich beruhigt wieder auf das Sopha zurückgelehnt mit den Worten: „Das hätte Sie ja auch erwürgen müssen?“ – Und von diesem Augenblicke hatte ich an ihm einen väterlichen, tief in meinen Lebensgang eingreifenden Freund.

Zu jener Zeit war Jean Paul schon seinem sechzigsten Jahre nahe und die frühere hagere Gestalt mit dem offenen Halse und den zopflosen flatternden Haaren – welche ihrer Zeit das Aergerniß der ganzen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_368.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2023)