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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Wir werden in einem späteren Artikel von der „Musik der Weberei“ sprechen, und wie sie mit Farbentönen spielt und herrliche Kompositionen vor Augen führt. Dahin muß auch der Weber blicken und aus seinem alten Marterholz Blumen blühen, Gewinde und Ranken sich entfalten lassen, die, mit der Natur wetteifernd, erzeugt sind unter der Sonne der Kunst. Einfach und schlicht ausgedrückt will dies sagen: daß der Weber gemusterte Gewebe, bunte Waare, glänzende, schmiegsame, weiche Mischgewebe machen muß. Und dies vermag er, wenn er auf seinen einfachen Handstuhl jene wunderbare Vorrichtung stellt, der ein Mann seinen Namen gegeben hat, zu dem Napoleon einst sagte: Und Ihr wollt das thun, was Gott selbst nicht vermag: nämlich einen Knoten in einen Faden knüpfen, der an seinen beiden Enden festgehalten wird? Dieser Mann war der Franzose Jacquard, durch dessen Vorrichtung zum Musterweben – die Jacquardmaschine –

viele, viele tausend Arbeiter, welche vor deren Erfindung die Musterlitzen zogen (sogenannte Ziehjungen), in Noth und Elend zu gerathen wähnten, während sie im Gegentheil in der Wirklichkeit bald mehr verdienten und Herren der Arbeit wurden, während sie früher deren Sklaven gewesen waren. Sie spielten nun mit den Mustern in den Geweben. Mit ihrem Weberschiffchen schrieben sie das Testament Ludwigs XVI. schwarz auf weiß und zeichneten Gemälde auf ihre Werften, so daß die Gobelins nach und nach viel von ihrer Merkwürdigkeit verloren, da der Fuß des Webers mit einem einzigen Tritt in seinem Stuhle etwas Aehnliches zu schaffen vermochte. Die persischen Schals, deren Anfertigungszeit nach Jahren berechnet wird, stellten die Schals der Jacquardweber in Bezug auf Schönheit und Fülle der Muster weit in den Schatten, so daß gegenwärtig eine gewisse Unvollkommenheit in Farbenformen und Figuren das Erkennungszeichen der ächten Kaschmirschals ist, weil man selbst die Verknüpfung der Fäden auf der Kehrseite nachzuahmen weiß. –

Nun aber fragen wir zurück. Wie kann nur ein Mensch glatten Kattun, etwa zu 12 Pfennige die Elle fertigen mögen, während ihm die Mittel gegeben sind, köstliche Zeuge „zu flechten und zu weben mit himmlischen Rosen ins irdische Leben?“ – Noch einmal: es ist die Gewohnheit, der Mangel an Anregung zu etwas Besserem; es ist die trübsinnige Unterwerfung unter eine vermeintlich unabänderliche Nothwendigkeit, es ist endlich Mangel an anderer Arbeit, was ihn nöthigt, bei der alten Arbeit zu bleiben. Freilich müssen wir nun aber nicht glauben, daß die Kunstweberei keine Mitbewerbung in anderen Fächern hätte. Sie begegnet deren mehreren. Die gefährlichste ist aber die der Zeugdruckerei. Diese übt oftmals einen sehr beengenden Druck auf die Musterweberei aus: denn sie ist im Stande, mit noch leichterer Mühe als es die Weberei mit Hülfe der Jacquardmaschine vermag, die herrlichsten Gebilde in den mannigfaltigsten, glänzendsten Farben auf die Oberfläche der Zeuge zu zaubern. Freilich macht sie es zuweilen zu schön und umhängt die zarte Gestalt einer Jungfrau mit Blumengewinden und Sträußen, daß sie aussieht wie ein bekränztes Opferlamm. Aber in ihren bescheidenen, und künstlerisch schönsten Mustern ist die Druckerei groß und mächtig geworden, und hat nicht allein die Kunst, sondern Chemie und Mechanik in ihren Sold genommen. Wieder sind es Maschinen gewesen, welche der Zeugdruckerei eine Entfaltung gegeben haben, die zwar nicht der der Buchdruckerei gleich kommt, aber doch so hoch getrieben ist, daß eine einzige Fabrik in Manchester im Stande wäre, das Bedürfniß der ganzen Welt an gedruckten Kattunkleidern zu befriedigen, während der Lesehunger der Welt wohl nicht von einer Buchdruckerei gestillt werden möchte. Wir lassen in

unserem Bilde einen Blick auf eine jener mächtigen Zeugdruckmaschinen fallen, die, ohne Stillstand, Stück um Stück bis mit 16 Farben auf einmal bedrucken; Zeuge, deren Musterpracht die Ballsäle und Promenaden mit wandelnden Blumenbeeten bedeckt, so gefährlich für die Augen und Herzen der Männerwelt. – Es ist bemerkenswerth, daß die Männer gedruckte Zeuge verschmähen, und den Druck allenfalls nur auf Weste und Kravatte dulden. Dahingegen huldigen sie der Kunstweberei und befördert sie durch Annahme kunstvoll gearbeiteter Rock-, Westen- und Beinkleiderstoffe. Die Kunstweberei ist dankbar dafür, und hat

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_400.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)