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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

dies noch neulich von Frankreich aus dargethan durch Hervorbringung eines Pantalonzeugs, auf dem sich Adam und Eva unter dem Apfelbaum die Hände reichen. (Thatsächlich.)

Die Zeugdruckerei hinwiederum ist die Patronin des glatten Kattuns, dem sie emporhilft und in anständige Gesellschaft bringt; aber sie dankt es dem Handweber nicht, daß er so wohlfeil arbeitet. Lieber greift sie zur Maschinenwaare, die da viel schöner ist. Ihrer Meinung ist auch die Fabrikation einfach gefärbter Baumwollzeuge und das riesige Geschäft in dichten, weißen Waaren, mit denen England die Welt umspannt und im eigentlichsten Wortverstande die ganze Erde umspannen könnte, so daß sie, etwa vom Monde aus, anzusehen sein würde, wie ein Plum-Pudding.

So glauben wir denn nachgewiesen zu haben, daß Leben schwerer ist als Weben und der Druck groß ist.




Blätter und Blüthen.

Richtet nicht! Es ist viele Jahre her, da gingen zwei Zöglinge der Universität in Warschau durch die Straße, in welcher die Säule König Sigismund’s steht, um deren Piedestal man meistens eine Zahl Weiber sitzen sehen kann, die an die Vorübergehenden Früchte, Kuchen und verschiedene Eßwaaren verkaufen. Die jungen Männer machten in ihrem Gange Halt, um eine Gestalt zu betrachten, deren Seltsamkeit ihre Aufmerksamkeit fesselte. Es war ein Mann, dem Anscheine nach zwischen fünfzig und sechzig Jahren; sein einst schwarzer Rock war fadenscheinig geworden; sein breiter Hut überschattete ein mageres, runzliges Gesicht; seine Gestalt war sehr abgezehrt, doch ging er mit einem festen und raschen Schritte. Bei einer der Buden unter der Säule stand er still, kaufte für einen halben Groschen Brod, aß einen Theil desselben, steckte das andere in seine Tasche und verfolgte seinen Weg gegen den Palast des Generals Zaionczek, Statthalters des Königreichs, der in Anwesenheit des Czaren Alexander königliche Gewalt in Polen übte.

„Kennst Du diesen Mann?“ fragte der eine Student den andern.

„Ich kenne ihn nicht; aber nach seinem kläglichen Kleide und seinem nicht weniger traurigen Gesichte zu urtheilen, würde ich ihn für einen Leichenbesorger halten.“

„Falsch, mein Freund! es ist Stanislaus Staszic.“

„Staszic!“ rief der Student aus, indem er nach dem Manne blickte, der eben in den Palast trat. „Wie kann ein geringer, schlecht aussehender Mann, der mitten auf der Straße Halt macht, um einen Bissen Brod zu kaufen, reich und mächtig sein?“

„Und doch ist es so,“ erwiederte sein Gefährte. „Unter diesem nicht vielversprechenden Aeußern ist einer unserer einflußreichsten Minister und einer der berühmtesten Gelehrten Europa’s verborgen.“

Der Mann, dessen Aeußeres in so seltsamem Widerspruch mit seiner socialen Stellung stand, der so mächtig war als er unbedeutend aussah, so reich als er arm erschien, verdankte all sein Glück sich selbst – seinen Arbeiten und seinem Genie. Von geringer Herkunft verließ er in seiner Jugend Polen in der Absicht, sich Kenntnisse zu sammeln. Er brachte einige Jahre auf den Universitäten von Leipzig und Göttingen zu, setzte seine Studien in dem Collège de France unter Brisson und d’Aubenton fort, gewann Buffon’s Freundschaft, besuchte die Alpen und die Apenninen und kehrte endlich mit reichen und mannigfaltigen Kenntnissen versehen in sein Geburtsland zurück. Er ward sofort von einem Edelmanne eingeladen, die Erziehung seines Sohnes zu übernehmen. Nachher wünschte das Gouvernement seine Talente zu benützen; und Staszie ward Schritt vor Schritt zu den höchsten Posten und den ansehnlichsten Würden erhoben. Seine ökonomischen Gewohnheiten machten ihn reich. Tausend dienende Hände bebauten seine Ländereien und er besaß große Summen Geldes auf Interessen angelegt. Wann erhob sich je ein Mann so weit über den Rang, in dem er geboren war, ohne dem Neide und der Verleumdung eine Veranlassung zu geben, ihre Pfeile gegen ihn zu richten? Die Mittelmäßigkeit rächt sich stets durch Verleumdung; und so ging es auch Staszic; denn die guten Leute von Warschau waren schnell bei der Hand, alle seine Handlungen schlimmen Beweggründen zuzuschreiben.

Eine Gruppe Müssiggänger hatte sich da gesammelt, wo die Studenten standen. Alle blickten nach dem Minister und ein Jeder hatte irgend etwas gegen ihn zu sagen.

„Wer sollte es denken,“ rief ein Edelmann, dessen grauer Schnurrbart und altmodisches Gewand die Zeit von König Sigismund zurückrief, „daß er ein Staatsminister sein könnte? Früher, wenn ein Palatin die Hauptstadt durchwanderte, ging ihm ein Trupp Reiter voraus und ein solcher folgte ihm. Soldaten zerstreuten die Haufen, welche sich drängten ihn zu sehen. Aber welchen Respekt kann man für einen alten Minister fühlen, der nicht das Herz hat, sich eine Kutsche zu gewähren und der ein Stück Brod in den Straßen ißt, gerade wie ein Bettler thun würde?“

„Sein Herz,“ sagte ein Geistlicher, „ist so hart wie die eiserne Kiste, in der er sein Gold aufbewahrt; ein Armer könnte an seiner Thüre Hungers sterben, ehe er ihm ein Almosen geben würde.“

„Er hat den nämlichen Rock in den letzten zehn Jahren getragen,“ bemerkte ein Anderer.

„Er sitzt auf dem Boden, aus Furcht, seine Stühle abzunutzen,“ tönte es aus dem Munde eines frechblickenden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_401.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)