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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

der Bauernkinder in verschiedenen Gewerben errichtet werden. Ein Reservefonds war für die Unterstützung der Kranken und Alten vorgesehen. Eine unbedeutende jährliche Abgabe, von den freigelassenen Leibeigenen zu zahlen, war bestimmt, um nach und nach die Freiheit ihrer Nachbarn zu erkaufen, die, wie sie es gewesen, zu harter und undankbarer Arbeit verdammt sind.

Nachdem Staszic in dieser Weise für seine Bauern gesorgt hatte, vermachte er 600,000 Gulden zur Gründung eines Musterspitals, und bestimmte eine beträchtliche Summe für die Erziehung armer und fleißiger Jünglinge. Was seine Schwester betrifft, so vererbte er ihr nur dasselbe Ausgesetzte, was er ihr jährlich während seines Lebens gegeben hatte; denn sie war eine Person von sorglosen und extravaganten Gewohnheiten, die alles Geld, das sie empfing, thöricht verschwendete.

Ungewöhnlich war das Schicksal des Stanislaus Staszic. Ein Märtyrer der Verleumdung während seines Lebens, ward nach dem Tode sein Andenken gesegnet und geehrt von den Vielen, welche er glücklich gemacht hatte.




Die Zucht der Champignons und ihre Gefahren. In Lezennes, einem Dorfe südöstlich in kurzer Entfernung von Lille gelegen, besitzt ein Herr Puy einen Garten, der in Frühbeeten und Treibhäusern eine Menge Delikatessen hervorbringt. Den größten Ruf hat sich Herr Puy durch seine Champignonszucht erworben, aber vergebens würde man sich in diesen Frühbeeten und Treibhäusern nach Champignons umsehen. Und dennoch ist man denselben hier näher, als man glaubt.

Außer seinem Garten und seinen Feldern besitzt Herr Puy nämlich auch noch ein unterirdisches Gebiet. Schon mancher Monarch hat sein Reich so ausgedehnt und weitläufig gefunden, daß ihm die Beherrschung desselben zuletzt unbequem und gefährlich geworden ist. Gerade dies ist auch der Fall mit Herrn Puy. Er besitzt nämlich die Katakomben oder Steinbrüche von Lezennes und betreibt in denselben die Zucht der Champignons nach großartigem Maßstabe. Herr Puy ertheilt Fremden gern Erlaubniß, diese merkwürdige unterirdische Pflanzstätte in Augenschein zu nehmen und man wird dann nach einem Wirthshause geführt, zu welchem ein Keller gehört. In der Seitenwand dieses Kellers ist eine kleine Thür angebracht, durch welche man auf hölzernen Stufen in die Höhlen hinuntersteigt. Die Tiefe ist nicht sehr beträchtlich und fast überall dieselbe; man befindet sich blos sechsunddreißig Fuß unter der Oberfläche der Erde. Vor dem Hinabsteigen bekommt man eine kleine Lampe eingehändigt und wird von einem Führer begleitet. Es kann durchaus nichts schaden und auch nicht als Feigheit ausgelegt werden, wenn man sich von noch einigen Personen begleiten läßt und wer sich weigert, diese unterirdischen Steinbrüche anders zu betreten, als mit einem Packet Zündhölzchen und Wachslichtern in der einen und einigen Pfund Zwieback in der andern Tasche, kann deswegen noch nicht als ein übertrieben furchtsamer Mensch betrachtet werden. Ich für meinen Theil schäme mich fast, zu gestehen, daß ich mich in dieses Labyrinth hineinwagte, ohne irgend welche Vorsichtsmaßregel zu gebrauchen.

Der Platz, auf welchen man nach dem Hinabsteigen zuerst gelangt, ist der Mittelpunkt einer Reihenfolge unregelmäßiger Gänge, die sich nach rechts und links vier bis fünf Stunden weit im Umkreise erstrecken und auf die verworrenste Weise durchkreuzen. Diese Gänge sind durchschnittlich drei bis vier Ellen breit, ungefähr eben so hoch und durch den weichen Kalksteinfelsen gehauen. Im Ganzen genommen jedoch ist ihre Dimension sehr unregelmäßig und sie sind zuweilen so niedrig und schmal, daß nur eine Person hindurchpassiren kann. Hier giebt es Kreuzwege, Seitenstraßen und Sackgäßchen, in welchen man wieder umkehren muß. Soweit als die Champignonszucht betrieben wird – und diese nimmt einen sehr bedeutenden Theil der Höhle ein – sind hier und da vergitterte Oeffnungen nach oben angebracht, durch welche der nothwendige Dünger eingebracht wird und die zugleich als Luftlöcher dienen, ohne welche die Arbeiter ihre Arbeit nicht lange verrichten könnten. Jenseits des Champignonsgebiets fällt kein Lichtstrahl in diese ewige Nacht, aber selbst wo dies der Fall ist, und auch mit einem Lichte in der Hand, möchte es Jedem, der diese Gänge nicht kennt, sehr schwer fallen, ohne Führer heil Rückweg zu finden.

Die Champignons wachsen hier auf terrassenförmigen, etwa zwei Fuß hohen und eben so breiten Erhöhungen, die mit dem nöthigen Dünger und mit dem Spaten flachgeschlagener Erde bedeckt sind. Eine Bedeckung mit Stroh findet hier nicht statt, weil dieselbe bei einem so unabänderlichen Zustande der Feuchtigkeit, Temperatur und Finsterniß unnöthig wäre. Zwischen diesen Erhöhungen, welche sich durch die Gänge hinziehen, sind schmale Wege freigelassen, damit die Arbeiter dazwischen herumgehen und die Ernte einsammeln können.

Sieben oder acht Mann sind fortwährend mit den hier nöthigen Arbeiten beschäftigt. Sie erhalten einen etwas höhern Lohn als Herrn Puy’s übrige Gartenarbeiter, verdienen denselben aber auch redlich. Die munteren gebräunten Gesichter der Männer, welche mich begleiteten, bildeten einen seltsamen Gegensatz zu dem wachsbleichen Gesicht unseres Führers, und feine Damen, welche viel auf ihren Teint halten, könnten hier sehen, wie ersprießlich es für die Gesundheit ist, ein oder zwei Mal jährlich von den Sonnenstrahlen tüchtig gegerbt zu werden. Diese Leute arbeiten täglich zwölf Stunden und bekommen daher im Winter, ausgenommen an Sonn- und Festtagen, die Sonne niemals zu sehen. Sie sind leichter Krankheiten unterworfen als Arbeiter im Freien, nicht blos in Folge des Mangels an dem wohlthätigen Einflusse, den das Tageslicht auf den menschlichen Körper äußert, sondern auch wegen der unvollkommenen Lüftung dieser unheimlichen Regionen und der Dünste, welche sowohl von dem gährenden Dünger, als von den aufsprießenden Pilzen ausgeströmt werden.

Am 10. Januar 1847 stieg Herr Puy in seine Höhlen hinab, um allerhand Arrangements für das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_403.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)