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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Partei ihres Landsmannes gegen den Fremden zu ergreifen. Welches Recht hatte er, sich hier einzumischen? Diese fremden Reisenden wurden nachgerade zu unverschämt.

Als sie jedoch so zusahen, verstummte ihr unzufriedenes Murmeln allmälig und verwandelte sich in immer lautere Anzeichen des Beifalls, sowie die Zeichnung immer deutlicher hervortrat. Der Besitzer des Wirthshauses war der erste, welcher „Bravo!“ schrie und selbst Gerard Douw’s Vetter im neunten Gliede fühlte, wie seine Wuth in Bewunderung überging.

„O!“ rief er, „Ihr gehört zum Handwerk, ehrlicher Mann, und Ihr braucht es weiter nicht zu läugnen. Ja, ja,“ fuhr er lachend fort, indem er sich zu seinen Nachbarn wendete, „das ist ein französischer Schildmaler, der sich einen Scherz mit mir machen will. Aber ich muß offen bekennen, er versteht seine Sache.“

Der alte Mann stand im Begriff, von der Leiter herabzusteigen, als ein Herr, auf einem schönen englischen Pferde reitend, sich durch die Menge Bahn machte.

„Dieses Gemälde ist mein!“ rief er in französischer Sprache, aber mit fremdartigem Accent. „Ich gebe hundert Guineen dafür!“

„Wieder ein Verrückter!“ rief das einheimische Genie. „Der Teufel soll mich holen, wenn diese Fremden nicht alle einen Sparren zu viel haben!“

„Was meint Ihr, geehrter Herr?“ sagte der Gastwirth, den die Sache nicht wenig interessirte.

„Was ich sage – ich gebe hundert Guineen für dieses Gemälde,“ antwortete der junge Engländer, indem er vom Pferde stieg.

„Dieses Gemälde ist nicht zu verkaufen,“ sagte der Schildmaler mit so stolzer Miene, als ob es sein eigenes Werk wäre.

„Nein,“ sagte der Gastwirth, „denn es ist schon verkauft und sogar zum Theil im Voraus bezahlt. Indessen wenn der Herr einen Handel deswegen abschließen will, so hat er es mit mir zu thun.“

„Keineswegs, keineswegs,“ versetzte der flämische Schildmaler, „es gehört mir. Mein College hier hat mir aus Freundschaft ein wenig geholfen, aber das Gemälde ist mein rechtmäßiges Eigenthum und es steht mir frei, es zu verkaufen an wen ich will.“

„Welche Schändlichkeit!“ rief der Gastwirth. „Mein Sonnenaufgang ist mein Eigenthum und haftet fest an der Wand meines Hauses. Wie kann es Jemandem anders gehören? Niemand als ich hat das mindeste Recht daran.“

„Ich werde Euch vor Gericht fordern,“ rief der, welcher das Bild nicht gemalt hatte.

„Und ich werde Euch wegen Contractbruch verklagen,“ entgegnete der Gastwirth, der die Hälfte des bedungenen Preises schon bezahlt hatte.

„Geduld!“ rief eine andere energische Stimme, nämlich die des Eindringlings; „es scheint mir, als hätte ich in dieser Sache wohl auch ein Wörtchen mitzusprechen.“

„Sehr richtig, Herr College,“ antwortete der Maler. „Anstatt hier auf der Straße uns zu streiten, wollen wir lieber hineingehen und die Sache bei ein paar Flaschen Bier freundschaftlich schlichten.“

Damit waren alle Parteien einverstanden, leider aber nicht in allen übrigen Punkten, denn in der Stube ward der Streit immer hitziger und unter betäubendem Geschrei und Spektakel weitergeführt. Die Flamländer stritten für den Besitz des Gemäldes und der Engländer wiederholte sein Anerbieten, es mit Gold zu bedecken.

„Aber gesetzt, wenn ich nun nicht wollte, daß es verkauft werde?“ sagte der eigentliche Verfertiger.

„O mein bester Herr,“ sagte der Gastwirth, „Ihr werdet doch gewiß einem armen rechtschaffenen Mann, der sich nur mit Mühe und Noth durchschlägt, nicht um das bringen, was ihm hier das Glück zugeführt hat. Ich würde dadurch gerade in den Stand gesetzt, mir einen guten Vorrath von Wein und Bier in den Keller zu legen.“

„Glaubt ihm nicht, Herr College,“ rief der Maler, „er ist ein alter Geizhals. Ich bin Familienvater und da Ihr auch Maler seid, so müßt Ihr einen Kunstgenossen unterstützen und ihm den Vorzug geben. Ueberdies bin ich bereit, das Geld mit Euch zu theilen.“

„Was!“ sagte der Gastwirth, „Ihr seid ein alter Saufaus und habt nun kein Geld, um Eure Tochter auszustatten, weil Ihr Alles, was Ihr verdient, für Eure Gurgel braucht.“

„Das geht Euch nichts an; übrigens ist meine Susette mit einem rechtschaffenen jungen Tischlermeister verlobt, der, so arm sie auch ist, sie nächsten September heirathen wird.“

„Ihr habt eine Tochter auszustatten!“ rief der fremde Künstler; „das ändert die ganze Sache. Ich bin es zufrieden, daß das Gemälde verkauft und das Geld dafür dem Mädchen zur Aussteuer gegeben werde. Ich überlasse es der Großmuth unseres englischen Freundes, den Betrag festzusetzen.“

„Ich habe,“ antwortete der beste Bieter, „schon hundert Guineen für die Skizze, so wie sie ist, geboten, ich will aber gern zweihundert geben, wenn der Maler sich dazu versteht, das Gemälde am Fuße mit zwei Worten zu signiren.“

„Mit welchen Worten?“ riefen sämmtliche Streitende wie mit einer Stimme.

Der Engländer antwortete:

Louis David!

Die ganze Gesellschaft verstummte vor Erstaunen, denn Louis David galt damals mit Recht für den ersten Maler der Welt und sein Ruhm war auch bis in diese bescheidenen Kreise gedrungen. Der Schildmaler hielt den Athem an, riß die Augen auf, schlug ganz außer sich die Hände zusammen und fiel vor dem großen französischen Maler auf die Knie nieder.

„Verzeiht mir!“ rief er; „verzeiht mir meine freche Unwissenheit!“

David lachte herzlich, ergriff ihn bei der Hand und schüttelte ihm dieselbe mit dem freundlichsten Wohlwollen.

Mittlermeile hatte sich die Nachricht von dem Vorfalle verbreitet; das Wirthshaus füllte sich mit Leuten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)