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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

welche auf die Gesundheit ihres berühmten Gastes trinken wollten, und der gute alte Mann, der in der Mitte des Zimmers stand, stieß mit Allen freundlich an. Mitten in dieser heitern Scene schlang die Tochter des Schildmalers, die hübsche Susette, ihre Arme um den Hals ihres Wohlthäters und ihr Verlobter jagte durch die Heftigkeit, womit er die Hand des großen Künstlers schüttelte, eine ganze Wolke Sägespäne aus seiner Jacke.

In diesem Augenblick kam die Diligence an und mit ihr der erwartete Freund.




Die Perle der Antillen und der einsame Stern.

Oben ein tiefblauer Himmel, ausgespannt so weit das Auge reicht, unten das Meer mit seinen halb grünen, halb blauen Wogen, aus ihnen emporsteigend ein von üppiger Farbenpracht übergossenes Eiland – das ist Cuba, die Perle der Antillen, der letzte Edelstein, der der Krone Spanien aus dem reichen Diadem der ehemaligen Besitzungen in Amerika blieb. Unter unserm bleichen nordischen Himmel suchen wir vergeblich nach Farben, um eine der reizendsten Spannen der Erde auszumalen, eine Spanne der Erde, bei deren Schilderung selbst die üppige Phantasie der Südländer zur gemeinen Prosa wird.

Cuba ist jedoch nicht nur das reizendste Kleinod der Antillen, welche mit den Bahama-Inseln die Hauptgruppen Westindiens bilden, sondern es nimmt auch seinem Umfang nach den ersten Rang in den Inseln ein, welche geschlossen aneinander vor dem mexikanischen Meerbusen liegen. Cuba ist der Schlüssel zu Mexiko. Bei einem Flächeninhalte von circa 2200 Q.-M. dehnt es sich in einer Länge von 136 Meilen bei einer nur mittlern Breite von 15 Meilen aus. Die Küste ist reich an bequemen Ankerplätzen und Baien, während die Höhenzüge im Innern sich stellenweise bis an 8000 Fuß über die Meeresfläche erheben. Von den verschiedenen Hügelketten ergießen sich den Küsten zu zahlreiche Gewässer, von denen jedoch nur die wenigsten schiffbar sind. Mit edeln Metallen ist Cuba nicht gesegnet; seine Goldfelder liegen nicht unter, sondern über der Erde, aus welcher Taback, Zucker, Kaffee, Baumwolle, Cacao, Indigo, Reis, Mais und alle Südfrüchte in üppiger Fülle gedeihen. Die Thierwelt unterscheidet sich nicht von der europäischen. An der Grenze der Tropenzone gelegen hat Cuba schon alle Annehmlichkeiten des tropischen Klima’s, ohne dessen Beschwerden ausgesetzt zu sein. Der hügelige Charakter des Landes und die frischen Seewinde mäßigen die Hitze, gleichwohl werden die Küstengegenden mehr oder weniger von dem gelben Fieber heimgesucht, das seine Opfer hauptsächlich unter den Fremden herausliest.

Die Hauptstadt Cuba’s, der Sitz des Generalkapitäns und aller höhern Behörden ist Havanna, von den Spaniern San-Cristobal de la Habanna genannt, an einer Bai der Nordwestküste im blühendsten Theile der Insel gelegen, umringt von einem Kranze prachtvoller Landhäuser und Ortschaften, die zwischen Kaffeepflanzungen, feenhaften Gärten und riesigen Palmenalleen wie hingezaubert hervortauchen. Die Stadt selbst ist regelmäßig gebaut, doch sind die Straßen eng und schlecht gepflastert, auch zeichnet sich keins der öffentlichen Gebäude, selbst nicht die Kathedrale, welche seit 1796 die Ueberreste des Entdeckers von Amerika umschließt, durch besondere Pracht aus, wohingegen die Kaufläden, Kaffeehäuser und Conditoreien mit desto größerm Luxus ausgestattet sind. Bei dem Reichthum der Bevölkerung, der durch den hier getriebenen großartigen Handel, jährlich laufen ca. 2000 Schiffe ein, entstanden ist, durchdringt dieser Luxus überhaupt alle Verhältnisse und entspricht außerdem der blendend üppigen Phantasie der Havannesen. An seine jetzige Stelle wurde Havanna 1519 verlegt, nachdem es vier Jahre früher erst an der Südküste auf einem höchst ungesunden Punkte gegründet worden war. Die gegenwärtige Stelle empfahl der sichere und geräumige, von einer Bai gebildete Hafen, in welchem tausend Schiffe Platz haben und zu welchem als Eingang ein 4500 Fuß langer und 1000 bis 1200 Fuß breiter Kanal führt. Dieser Eingang wird von starken Festungswerken vertheidigt, darunter die Forts Morro mit Leuchtthurm und Cabanas jenseits und San Salvador de la Punta diesseits der Stadt (s. die Abbildung). Die Stadt zählt etwa 130,000 Einwohner, welche durchschnittlich auf einer höhern Bildungsstufe stehen, als dies sonst im spanischen Amerika der Fall ist.

Die Schicksale Cubas und seiner Hauptstadt können wir nur in aller Kürze berühren. Von Columbus am 28. October 1492 entdeckt, wurde die vollständige Eroberung der Insel nach und nach bewerkstelligt, was freilich zum großen Nachtheil der Blüthe derselben, 1560 mit der Vertilgung der letzten Eingeborenen endigte. Die glückliche Lage Havanna’s mit seinem trefflichen Hafen rettete jedoch die Insel stets vor allzugroßem Verfalle, selbst als sie im Laufe des 17. Jahrhunderts so gut wie die übrigen Besitzungen Spaniens in Amerika von den damaligen Flibustierbanden mehr als einmal mit Mord, Brand und Raub überzogen wurde. Die in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zwischen Spanien und England ausbrechenden Streitigkeiten führten die Engländer auf kurze Zeit (etwa ein Jahr) nach Havanna, lange genug jedoch, um durch Freigebung des Verkehrs, der vorher monopolisirt war, den Grund zu der künftigen Blüthe Cuba’s zu legen, da die spanische Regierung die Herstellung der alten Handelsverhältnisse nicht wieder durchzuführen vermochte. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, so 1812, 1844 und 1848, waren es hauptsächlich Negeraufstände, welche die Regierung zu bekämpfen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_420.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)