Seite:Die Gartenlaube (1853) 434.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

eines südlichen Himmelsstrichs verschiedene Krankheiten, namentlich das gelbe Fieber, welches alle drei oder vier Jahre den Charakter einer förmlichen Pest annimmt. Im heurigen Jahre hat diese Krankheit eine vorher noch nie gekannte Höhe erreicht und die Zahl der Todesfälle in der Stadt New-Orleans allein beträgt täglich über zweihundert. Allerdings ist die Gesammteinwohnerzahl der Stadt New-Orleans gegen hunderttausend Seelen, aber es darf, wenn man eine richtige Vorstellung von dem Verhältniß der Todesfälle zu der Einwohnerzahl geben will, nicht unerwähnt bleiben, daß man dieselbe in eine acclimatisirte und eine nicht acclimatisirte theilt. Die erstere besteht aus den Eingeborenen und Eingewanderten, welche von dem gelben Fieber schon einmal befallen worden sind, es glücklich überstanden haben und in der Regel nie wieder davon heimgesucht werden. Die nicht acclimatisirten oder mit andern Worten diejenigen, welche das gelbe Fieber noch nicht durchgemacht haben, werden stets als eine besondere Klasse der Bevölkerung betrachtet und wenn Berechnungen über den öffentlichen Gesundheitszustand während der Fieberzeit in New-Orleans aufgestellt werden, so pflegt man die Procente der Todesfälle nur im Verhältniß zu der Zahl der nicht acclimatisirten Einwohner zu berechnen. Nun beträgt diese Zahl ungefähr dreißigtausend und da von dieser Zahl binnen zwei Monaten dreitausend von der Seuche hinweggerafft worden, so ergiebt sich hiernach, daß, wenn dieselbe ein Jahr lang in demselben Grade fortdauerte, kaum noch zehntausend Nichtacclimatisirte übrig bleiben würden. Ein in New-Orleans erscheinendes Journal berechnet sogar in einer seiner Nummern vom Monat Juni, daß bereits fünfzehntausend Personen erkrankt und entweder gestorben oder wieder hergestellt seien und sonach, da nur noch eben so viel nichtacclimatisirte vorhanden sind, die Seuche im September aus Mangel an Individuen, welche davon befallen werden können, von selbst aufhören müsse.

Diese furchtbare Statistik macht die gräßlichen Mittheilungen, die von mehreren Seiten über die Wegschaffung der Leichen gegeben werden, einigermaßen erklärlich. Es ist nämlich geradezu unmöglich geworden, die Todten alle zu begraben. Anfangs, als die gewöhnlichen an den Kirchhöfen angestellten Arbeiter ihrer Aufgabe zu erliegen begannen, wurden die Kettensträflinge zu diesem Dienste gezwungen und später Neger gemiethet, um die Leichen fortschaffen zu helfen. Aber selbst dieses Auskunftsmittel war unzureichend, obschon der Lohn, den man dafür zahlte – eine Guinee (7 Thaler) die Stunde – das californische Arbeitslohn zehnfach überstieg, und zwei Tage und Nächte thürmten sich die Haufen der unter den sengenden Sonnenstrahlen des Südens verwesenden Leichen immer höher auf. Sogar die Sklaven und Verbrecher konnten nur dadurch, daß man ihnen neben dem ungeheuren Lohn vollauf Branntwein zu trinken gab, bewogen werden, auf den Kirchhöfen zu arbeiten. Auf einigen zog man mit dem Pfluge lange Furchen, in welchen man die Leichen gut oder übel verscharrte, bis man sich endlich zu wiederholten Malen genöthigt sah, sie zu verbrennen.

„In den Hospitälern“ – erzählt ein Reisender, welcher zu der Zeit, wo die Seuche am heftigsten wüthete, in New-Orleans anwesend war – „geht es entsetzlich zu und es ist ein wahres Wunder zu nennen, daß von den hierhergeschafften Patienten wirklich dann und wann einer wieder hergestellt wird. In dem einen Zimmer, welches ich besuchte, befinden sich ungefähr vierzig Frauenzimmer. Sie lagen auf Hängematratzen zu beiden Seiten des Zimmers mit gerade nur so viel Zwischenraum, daß die Wärter den armen Kranken ihre Medizin reichen konnten. Auf der einen Matratze lag eine Mutter, die so eben an dem schwarzen Erbrechen gestorben war und dicht daneben die Tochter, die sich von den Qualen des Fiebers gefoltert hin und her krümmte und obendrein noch die leblose Hülle der Mutter vor den Augen hatte. Auf der andern Seite lag ein junges Frauenzimmer aus Tenessee, die eben erst in’s Hospital gebracht worden war und sich im ersten Stadium der Krankheit befand. Auf der einen Seite neben ihr lag eine Frau, die, weil sie rasete, an ihr Bett festgebunden war, auf der andern die so eben gestorbene Mutter, und man kann sich leicht denken, welches Schicksal der Anblick solcher Nachbarn der neu aufgenommenen Kranken bereiten mußte. Auf einer andern Lagerstätte lagen drei Kinder, deren Eltern bereits gestorben waren und ich konnte mich nicht des Gedankens erwehren, daß es für diese armen Kinder wohl das Beste sei, wenn sie ihren Eltern in das bessere Jenseits nachfolgten. In dem untern Zimmer lagen ungefähr vierzig Männer in den verschiedenen Stadien der Krankheit. Hier waren die Lagerstätten in drei Reihen übereinander angebracht. Viele dieser Kranken hatten das schwarze Erbrechen, andere raseten und waren an ihr Lager festgebunden. Einige stöhnten, andere fluchten und lästerten, wenige waren ruhig. Es ist wirklich, wie ich schon vorhin sagte, ein wahres Wunder, daß doch einer oder der andere dieser Patienten, die hier von Todten und Sterbenden umringt sind und immerwährend Leichen an sich vorübertragen sehen, wieder hergestellt wird. Viele sterben vor Schrecken und andere, wie ruhig sie auch sein mögen, müssen alle Hoffnung verlieren und der Verzweiflung anheimfallen. Sobald als das Leben aus dem Körper entschwunden ist, wird der Todte in einen von den Gefangenen des Arbeitshauses gefertigten, nothdürftig schwarz angestrichenen Sarg gelegt. Der Stadtwagen fährt an dem Hospitale vor, die Särge werden – etwa drei oder vier auf die Ladung – daraufgesetzt und so durch die Straßen gefahren, ohne daß man sich die Mühe nähme, den Wagen oder auch nur die einzelnen Särge zuzudecken. Der heißen Sonne ausgesetzt, fährt man sie eine lange Strecke durch die Hauptstraßen der Stadt nach den Kirchhöfen. In dem Hospital erscheinen fortwährend eine Menge Leute, welche ihre hier liegenden Freunde besuchen wollen, aber natürlich nicht vorgelassen werden können, weil die Patienten so ruhig als möglich gehalten werden müssen.

„Gestern – Sonntag Morgen – befanden sich die Bürger des vierten Distrikts in einem Zustande von großer Aufregung. Wegen der großen Anzahl von

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_434.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)