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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wir auch dort viel schönes Papier aller Art aus Neudietendorf und Gera, aus Heiligenstadt und der berühmten Papierfabrik Flinsch in Blankenberg. Die Buchbinder und Futteralarbeiter schwelgen ordentlich in Musterpapier und leichtem Leder und jede Gewerbe-Ausstellung zeigt sauberere Schachteln, Dosen, Kästchen, Gedenkbücher und Stammbücher – Vornehme sagen Albums. Die gewichtigen Handelsbücher, Geldtaschen, vulgo Portemonnaies, die Damen- und Cigarrentaschen spielen immer eine große Rolle dabei. Die Fabrikation der Stahlbügel, derer man zu solchen Taschen bedarf, hat, zumal in Solingen, eine riesenhafte Ausdehnung gewonnen. Erfreulich ist es, daß sie nun auch in Ruhla sammt den Taschen fabrikmäßig und recht hübsch gemacht werden.

Neben den Luxuspapieren, den vortrefflichen Fischbeinen, Siegellacken und edlen Gänsekielen (Federposen) von Lilliendahl in Neudietendorf, erhohen sich schäkerhaft und schäferhaft die bunten Nipptisch-Porzellanfiguren von Schierholz in Arnstadt, Eberlein in Pößneck und Kling in Ohrdruf. Alles dran ist reizender Zopfstyl! Doch irren wir nicht, so haben wir auch Eisele und Beisele, Müller und Schulze, Breetenborn und Nudelmüller gesehen. Die Fabrikation der Figürchen, der Pfeifenköpfe, Cigarrenspitzen, Waschkinder und Puppenköpfe, der Arme und Beine von Porzellan ist auf dem Thüringer Wald jetzt sehr in der Woge.

Wir scheiden nun von der zweiten Gallerie und wenden uns links in die dritte Abtheilung zu den Gespinnsten und Geweben nebst den Bekleidungsgegenständen aller Art. Verträglich gruppiren sich ihnen gegenüber in den Fensternischen die Stahl- und Metallwaaren, die Bein-. Horn- und Holzwaaren. Die Bürsten- und Pinselmacher sind unzertrennliche Gefährten auf allen Gewerbeausstellungen. Aber die Haarkräusler sträuben sich jederzeit mit ihnen zusammen zu halten, obgleich sie auch in Haaren arbeiten, und flüchten sich lieber unter die Obhut der künstlichen Blumen, Federn und Putzwaaren, dort wo die Duftsalben, Haaröle und Riechwasser Platz genommen haben. Schade, daß diese ihre Büchsen und Gläser stets zugebunden halten. Sie sollten sich öffnen und ihren Duft ausströmen lassen vor den Nasen.

Die Gespinnste werden von den gewöhnlichen Besuchern der Ausstellungen in der Regel übersehen. Sie sehen auch gar so unscheinbar aus in ihren graupapiernen Bündeln, aus denen sie mit den Köpfen widerwillig hervorgucken, als ob sie wüßten, daß man sie nicht beachte. Und doch verdient kein Fabrikat bezüglich seiner gewerblichen Bedeutung und der Schwierigkeiten seiner Herstellung wegen eine höhere Beachtung als das Garn neben dem Eisen. Denn Eisen und Garn sind jene großen Manufakturartikel, oder wie man sich auszudrücken pflegt, das „Brod der Industrie,“ zu dessen Gunsten England große Flotten segeln läßt und sich vor Constantinopel legt. Die große Spinne England umgarnt die Welt und bombardirt die deutschen Fabrikplätze mit Twistballen und Ganzeisen. Thüringen ist berühmt wegen seines feinen Kammgarns, dessen Spinnerei zuerst dort eingeführt wurde. Aus jenem Garne werden die herrlichen, farbenreichen deutschen Kammgarngewebe gefertigt in Gera, Greiz, Schmölln, Meuselwitz und mehreren Orten des Königreichs Sachsen, welche man mit französischen Namen zu belegen die – Bescheidenheit hat, wie z. B. Atlas de Laine, Satin broché, Satin moiré en soie, Islymode, Satin italien, quarré, rayé Jaconné, Thibet, Cachemir, Bêge croisé, Coràme, Robes à Bayadère, Shawls façonnés, Mousselin, Armures etc. Mit allen diesen ächt deutschen Kammgarngeweben waren die Wände der dritten Gallerie in Gotha glänzend behängt. Neben der Weberei der glatten zum Theil glänzenden Kammgarne blüht auch die Weberei der rauhen Streichgarne ohne Glanz, wie sie zu Rock- und Beinkleiderzeugen verwendet werden und die Eigenschaft haben, sich im Gewebe mehr oder weniger dicht zusammenwalken zu lassen. Mit den Niederlanden, den Ersten in jenen Artikeln, wetteifert das Haus Gräser in Langensalza, sowie Mühlhausen durch Müller und durch Lutteroth rühmlich vertreten, sich in der Fabrikation von leicht gewalkten bunten Wollstoffen für Mäntel, Frauenkleider und in Flanellen auszeichnet. In Tuchen machen u. a. Jena, Schmalkalden bedeutende Fortschritte. Hier war auch Raum für die wichtige Strumpfzeugmanufaktur von Apolda gelassen. Leider war diese, wie wir bereits beklagt haben, nicht erschienen.

Die Thüringer Weberei baumwollener Waaren, so wie der Mischgewebe, steht gegen Sachsen sehr zurück, doch ist die Kraft dazu vorhanden. Nur langsam entwickelt sich auch die Leinweberei, um den Ansprüchen der Neuzeit vollkommen zu genügen. Auch sie verschuldet es mit der ganzen deutschen Leinwandmanufaktur vereint, daß England und Irland uns fast ganz aus den Schranken des großen Welthandels verdrängt haben. Doch lassen wir heute diese ernsten Betrachtungen und erfreuen uns an den Beweisen manchen Fortschrittes, den wir an den Stahlwaaren von Zella, Schmalkalden und Mehlis wahrnehmen. Diese Orte mit ihrer Umgebung, u. a. Steinbach, Brotterode, Asbach, Oberschönau. Seligenthal liefern vielleicht die wohlfeilste preiswürdigste Stahl- und Eisenwaare in der ganzen Welt. Man muß unter diesen Umständen

dann schon in Bezug auf die Qualität ein Auge zudrücken. In jenen Orten an der südlichen Abdachung des Thüringer Waldes regieren die Ahlen- und Zweckenschmiede, die Messerschmiede und Zangenschmiede, die Zeug-, Bohr- und Waffenschmiede, die Nagelschmiede und Schnallenschmiede, die Striegel- und Spicknadelmacher. Ueberall herrscht ein reges Leben. Form und Aeußeres der Stahl- und Eisenwaaren vervollkommnen sich. Wir haben Sachen gesehen, deren sich der feinste Galanterieladen nicht zu schämen hat. Ganz besonders aber haben wir uns gefreut einer Fabrik von Stahlfedern (der einzigen im Zollverein) von Fack in Schmalkalden zu begegnen, dessen Erzeugniß dem englischen nichts nachgiebt. Er begründete sein Unternehmen nachdem er sich selbst von den Arbeitsweisen in England unterrichtet hatte, mit Hülfe eines englischen Werkführers. Dieser aber wurde ihm durch englische Intrigue wieder entführt, in der Hoffnung, daß die deutsche Fabrik nun wieder eingehen werde. Das ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_460.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)