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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

von 19,000 Mann auserlesener Kavallerie, die ganz und gar zu seiner Disposition waren. Das war, nach seiner eigenen Aussage, der günstigste Augenblick, den Tod seines Vaters zu rächen. Er unterließ es auch dieses Mal, um die Reformbestrebungen seines Onkels nicht zu stören und ging zurück nach Konstantinopel. Dort erwarb er sich durch sein humanes und edles Betragen und durch seine hervorragende Bildung viele Freunde. Im Jahre 1831 ward er mit geheimen Depeschen von Chosrew Pascha nach Warschau an die revolutionäre Regierung gesandt, kam aber in Wien erst an, als bereits Warschau gefallen war und blieb in Oestreichs Hauptstadt, dessen Kaiser und Adel ihn sehr auszeichnete. Plötzlich aber ward er, weil man ihn für einen angesehenen Polen hielt, mit seinem ganzen Gefolge verhaftet. Französische Zeitungen besprachen damals vielfach das auffallende Ereigniß. Eine Depesche aus Konstantinopel befreite ihn aus seiner Haft. Metternich entließ ihn in einer Mitternachtsaudienz mit vielen Entschuldigungen und Nadir Bei kehrte nach Konstantinopel zurück, wo er – aus ihm noch jetzt räthselhaften Gründen – sofort in ein neues Gefängniß geworfen wurde, aus dem er nur durch die Verwendung des französischen Gesandten, Baron von Varennes, befreit wurde.

Brennend vor Wuth ging er nach Egypten, ward dort im Dienste Mehmed Ali’s Generalinspektor der gesammten Kavallerie und später, wie das Januarheft der Revue britannique 1834 meldet, Generaladjutant Ibrahim Pascha’s. Der Friede mit der Pforte bewog ihn, seinen Abschied zu nehmen. Er bereiste dann zu seiner Belehrung Europa und Amerika, nahm später und zwar incognito wieder türkische Dienste und wurde Commandant von Silistria. Als solcher hatte er Gelegenheit, die schreckliche Verwirrung und die vielen schreienden Mißbräuche in der Civil- und Militärverwaltung kennen zu lernen; er beschloß nach Konstantinopel zu gehen und seinem Oheim einen Plan zur Abhülfe vorzulegen. Obwohl er die Gunst des Sultans und der ersten Würdenträger erlangte, wollte es ihm doch nicht gelingen, sie zur Annahme seiner Vorschläge zu bewegen. Unmuthig darüber kehrte er nach Europa zurück und setzte von da aus seinen Oheim, der bald darauf starb, von seiner Geburt und seinen Absichten in Kenntniß.

Von dieser Zeit an beginnt, wie er sagt, seine Verfolgung. Von Spionen und Mördern umgeben, mußte er nach der Thronbesteigung des jetzigen Kaisers, seines Vetters, von einem Ort zum andern wandern, ohne Ruhe zu finden. Er ging nach Afrika und war lange Zeit verschwunden. Erst vor einigen Jahren tauchte er wieder auf, als er, immer noch in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Prinz, eine Petition um Gastfreundschaft und Aufenthalt an die Gesandten der christlichen Mächte am Hofe des Königs beider Sicilien richtete und die damals in einer englischen Zeitschrift abgedruckt war. Ob ihm das Asyl gewährt wurde, ob und wo er augenblicklich noch lebt, ob überhaupt alle seine Aussagen auf Wahrheit beruhen – wir wissen es nicht und wollen ihn weder verwerfen noch anerkennen.


Wunder der Schöpfung im Kleinen. Unter den unendlich vielen und großen führen wir nur einige an. Das menschliche Haar ist von verschiedener Stärke und variirt vom 250sten bis 600sten Theile eines Zolls. Die Faser der gröbsten Wolle ist ungefähr 1/500 Zoll stark, die der feinsten aber 1/1500. Der Seidenfaden, so wie ihn der Wurm spinnt, ist ungefähr den 5300sten Theil eines Zolles dick, der Faden einer Spinne aber fast noch sechsmal feiner, so daß ein einziges Pfund dieser dünnen, aber dennoch vollkommenen Substanz hinreichen würde, einen Faden um die ganze Erde zu ziehen.

Ein einziges Körnchen Moschus kann ein Zimmer zwanzig Jahre lang mit seinem Duft erfüllen. Nach der niedrigsten Berechnung hat sich der Moschus in dieser Zeit in 320 Quadrillionen Theilchen getheilt, von welchem jedes fähig ist, die Geruchsnerven zu afficiren. Die unendliche Theilbarkeit der riechbaren Ausströmungen läßt sich auch nach der Thatsache beurtheilen, daß ein der freien Luft ausgesetztes Stückchen Assafoetida in sieben Wochen blos ein Gran an Gewicht verlor. Da ferner die Hunde die Spur nur mittels ihrer Geruchsorgane verfolgen, so müssen die Ausströmungen von den verschiedenen Thiergattungen nicht blos, sondern auch von den verschiedenen Individuen einer und derselben Gattung wesentlich verschieden und ihre Ausdehnung bei der Länge des Raumes, den sie zuweilen einnehmen, eine alle unsere Begriffe übersteigende sein.


Ludwig Bechstein hat neuerdings zwei Erzählungen geschrieben: „das Fest der Prinzen“ und: „der deutsche Vielwisser“, und diese in Altenburg erscheinen lassen. Daran wäre an sich nichts Merkwürdiges. Aber er hat sich zugleich erlaubt, diesen Machwerken den Namen Volks-Erzählungen beizulegen. Es ist empörend, für wie ungebildet, dumm und urtheilslos dieser Mann das Volk halten muß, daß er es wagen kann, dergleichen Trivialitäten dem Volke als geistige Speise vorzusetzen. Wir haben lange nichts gelesen, was uns einerseits wegen seiner ordinären niedrigen Denkweise so angewidert und andererseits wegen seiner plumpen, ungeschickten Form so lächerlich und albern erschienen wäre, wie dieses Buch, dessen zweite Erzählung Alles übertrifft, was an Ungereimtheiten und Absurditäten jemals für das Volk geschrieben worden ist. Jeder ehrliche Mann, einerlei ob Arbeiter oder Beamter, ob Handwerker oder Gelehrter, müßte das Buch als eine Beleidigung des Volkes zurückweisen, wenn es nicht eben zu fade und kindisch wäre. Herr Bechstein ist die Persönlichkeit nicht, dessen Beleidigungen wehe thun können; er hat indeß mit diesem Buche zugleich bewiesen, daß er literarisch vollständig bankerott ist. – An weitern, aber anständigern Neuigkeiten sind in den letzten Woche noch erschienen, eine zweite durchgesehene Auflage des Giseke’schen Romans: die modernen Titanen; von dem ehemaligen Leipziger Theater-Direktor Küstner (jetzt Chevalier de Küstner): Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung; von Klenke abermals ein dicker dreibändiger Roman: der Parnaß zu Braunschweig.E. K.     



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_462.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2023)