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verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

verklärender Strahl der Gedanke durch meine Seele, daß Gott ein barmherziger Richter sei.

Mein Urtheil lautete auf Tod, aber mein Vertheidiger wußte Milderungsgründe geltend zu machen, deutete selbst auf gestörten Seelen- und Gemüthszustand hin. So ward die Todesstrafe in lebenslängliches Gefängniß verwandelt.

In der Abgeschlossenheit und Einsamkeit meiner Zelle – abgeschieden von allem Reiz und Comfort des Lebens – bei Wasser und Brot, dankte ich Gott gleichwohl für die Erhaltung meines Lebens, weil mir jetzt Zeit ward, meine wahre Buße zu beginnen So ist mein schwarzes Haar weiß, meine Lippen sind welk geworden und mein Körper ist zusammengebrochen und hoffend blicke ich der letzten Stunde entgegen. Ein Frieden ist herabgekommen, wie ich ihn in der einstigen Freiheit, in dem Rausche der Vergnügungen nie gekannt, nie geahnt. Ja, Gott ist ein barmherziger Gott. Er ward mein Vermittler bei dem zürnenden Schatten, der mir jetzt nicht mehr zürnt, meine Nächte nicht mehr stört. Und was meinen Kerker in den stillen Stunden oft zu einer Frühlingslaube umschafft – es ist die selige Gewißheit, daß meiner erwarten im bessern Lande mit Freude und Liebe – Clemence und Constantin!




Aus der Gewerbswelt

Mitgetheilt von Friedrich Georg Wieck
Die Nähmaschine

Sehr viel hört man jetzt von der „amerikanischen Nähmaschine“ reden. Während der eben geschlossenen Leipziger Messe sahen wir Abbildungen von ihr auf den Aushängeschildern eines Berliner Kleiderhändlers und einer Bude auf dem Roßplatze, in der allerlei Automate und sonstige Merkwürdigkeiten zur Schau gestellt waren. Dort versicherte man mit gewohnter Ruhmredigkeit, daß die mit der Maschine genähten Kleider viel besser und wohlfeiler seien, als die mit der Hand genähten, und hier lockte man durch lauten Ausruf und durch Schilderungen der Wunderwirkung der Maschine die Künstler und Künstlerinnen von der Nadel an, sich die gefährliche Nebenbuhlerin in der Nähe zu betrachten. In Berlin selbst sucht man, zum Theil wohl nur auf ängstliche Gemüther behufs der Verminderung von Nählöhnen zu wirken, die Nähmaschine recht in den Vordergrund zu stellen. Es befindet sich dort unter Anderem ein glänzend gaserleuchteter Laden mit großem Schaufenster, in dem ein sauber gekleideter Schneidergeselle vor den Augen der Vorübergehenden mit bewunderungswürdiger Gewandtheit und Geschwindigkeit Hosenbeine und Rockärmel von der Maschine zusammennähen läßt. Ein Beweis unserer ruhigen und vernünftigen Zeit ist es, daß alle diese offenen Kundgebungen von Leistungen einer Maschine, welche droht, die Nähnadel aus der arbeitenden Hand zu nehmen, mit so viel guter Laune betrachtet wird. Es ist dies ein Zeugniß von gesundem Sinn, der zu begreifen scheint, daß ein verbessertes Werkzeug, und nichts weiter ist die Nähmaschine, endlich doch der arbeitenden Hand – und ohne diese ist die Nähmaschine nichts – zu Gute kommen muß.

Aber man wird fragen: was denn eigentlich an der Sache sei? Ob sie nicht vielleicht lediglich ihren Ursprung in amerikanischem Puff, in Wind und Schwindel habe? Wir fühlen uns verpflichtet, unserer Auffassung der Sache nach, die letzte Frage zu verneinen und die Nähmaschine als eine sinnreiche mechanische Zusammenstellung und ein in vielen Fällen nützliches Werkzeug zum Nähen zu erklären. In der verbesserten Gestalt, namentlich wie sie unser geschickter und denkender Mechaniker Herr Christian Hoffmann in Leipzig jetzt ausgeführt hat, macht sie bei guter Behandlung und unter günstigen Umständen bis 500 Stiche einer schönen festen Steppnaht in allerlei Zeuge, und, je nachdem die Einrichtung getroffen wird, in feinem und starkem Stoff, enge und weite Stiche mit Seide, leinenem und baumwollenem Zwirn. Man kann gerade und in Bogen nähen. Bei guter Führung ist das Aussehen der Naht auf beiden Seiten gleich. Dahingegen kann man nicht überwendlich nähen, demnach auch nicht säumen. Gewiß wird nun aus diesen wenigen Andeutungen über die Fähigkeit der Maschine jeder denkende Kleidermacher, jede aufmerksame Näherin, selbst einen Schluß ziehen können, in wie weit die Maschine die einfache Nähnadel zu ersetzen vermag. Wir wollen hier nicht vorgreifen, sondern zu einer Beschreibung der Maschine übergehen, so weit sie sich ohne Bezugsnahme auf genaue Werkzeichnungen eben geben läßt.

Das Nachdenken der Erfinder hat sich schon seit längerer Zeit angestrengt, ein Verfahren zu ersinnen, die einfache Arbeit des Zusammennähens von Zeuglagen durch Maschinen rascher als mit der Hand verrichten zu lassen. Zum Vorschein kamen die Ergebnisse dieses Strebens zumeist auf der Londoner Ausstellung. Dort zeigte ein gewisser Mathee, wie man mittelst einiger Räder und einer Nadel die zwei Enden von Zeugen sehr schnell zusammenriegeln könne. Der Franzose Senechal nähte dort grobe Leinwand zu Säcken, indem er die in der Mitte geöhrte Nadel mit Hülfe von Zangen hin und her durch das dichte Zeug führte. Er mochte dadurch wohl das Nähen erleichtern, nicht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1853, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_478.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)