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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

„Ich bin ein Buchhändler, der von der Jubilate-Messe zurückkehrt. Mein Name thut vor der Hand nichts zur Sache, doch sollen sie ihn nachher erfahren. Ich habe da Ihre Volksmärchen der Deutschen gelesen und möchte Ihres eignen Besten wegen wohl mit Ihnen über Ihre Schriftstellerei reden.“

„Wissen Sie wohl, wie das Büchlein gegangen ist? Hat wohl Herr Ettinger einigen Absatz erzielt?“ fragte Musäus etwas ängstlich.

„Das ist’s eben, weshalb ich zu Ihnen komme. Mein Freund Ettinger hat schlechte Geschäfte mit Ihren Märchen gemacht. Das ist kein Artikel, wie ihn die beutige Lesewelt verlangt.“

„Ich dachte es mir gleich,“ sagte Musäus resignirt; die Frau Professorin hatte aber plötzlich ihre ganze Munterkeit verloren. „Herr Ettinger wird Schaden an dem Buch gehabt haben; ich werde ihm den zweiten Band ohne Honorar überlassen. Ich kann nicht zugeben, daß er durch mich zu Schaden kommen soll.“ Die Frau Professorin seufzte und eine Thräne des Unmuths stieg ihr in’s Auge. Sie verwünschte im Stillen den Fremden, der sie so schlau ausgefragt und dafür so schlechten Trost ins Haus brachte.

„Ja, lieber Herr Professor, mit einem zweiten Band Märchen wird meinem Freund Ettinger nicht gedient sein. Damit können Sie ihn nicht entschädigen, er würde ja nur noch größern Verlust haben.“

„Sie sind also ein Beauftragter des Herrn Ettinger an mich, mit mir zu unterhandeln?“

„Gewissermaßen, ja!“

„Er hat mir wohl die Hiobspost nicht selbst bringen wollen?“

„Er wird aber doch selbst kommen. Erst muß ich mit Ihnen reden, Herr Professor. Sie haben ein schönes Talent; Sie würden gewiss einen guten Roman à la Werther oder Siegwart schreiben. Damit würden Sie nicht nur meinen Freund Ettinger hinlänglich entschädigen, sondern er würde Ihnen auch ein ansehnliches Honorar herauszahlen. Was meinen Sie dazu? Der Held muß aber durchaus vor schwärmerischer Liebe auf unnatürliche Weise umkommen. Was die Flammen der Sehnsucht nicht verbrannt haben, das muß in den Thränenbächen der Schwärmerei ertrinken. Je mehr unvergleichlich herrliche und vollkommene Menschen Sie auf diese Weise umbringen, desto reichlicher wird das Honorar sein, welches Ihnen Freund Ettinger zahlt.“

(Schluß folgt.)




Aus der Menschenheimath.

Briefe
Des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Fünfzehnter Brief.
Die Sternschnuppen-Nächte des 12. und 13. November.


Laß Dich, mein theurer Freund, heute einmal von der Erde auf den Himmel verweisen, nämlich den sichtbaren, leibhaftigen Sternenhimmel, der jetzt in den schönen frischen Herbstnächten uns so absonderlich klar und funkelnd zugeblinkt hat.

Zwar ist unsere liebe kleine Erde, unsere mütterliche Heimath, nicht zu klein, um Kopf und Herz jedes rechten Menschen sein Leben lang auszufüllen mit großen und heroischen Dingen; aber gut ist’s doch, daß man sich dann und wann einmal daran erinnert, daß sie auch zu der großen Heerde gehört, welche „der Hirt mit dem Silberhorne“ nächtlicher Weile austreibt auf dem dunkeln Plane des Firmamentes.

Da läuft sie denn mit ihren Genossen, den übrigen Planeten, deren Zahl in den letzten Jahren durch immer neue Entdeckung mehrerer bedeutend zugenommen hat, unermüdet in ihrer so viele Millionen Jahre alten Bahn um ihre Sonne, wie das Kind, aus einer Hand in die andere, um seine Mutter läuft.

Wenn wir aber hinauf sehen in einer klaren dunkeln Herbstnacht, so sehen wir eben Alles ruhig und fest an seinem Platze. Die 7 schönen Sterne des großen Himmelswagens stehen Jahr aus Jahr ein in derselben Ordnung zu einander, wenn auch der ganze Wagen selbst nach den verschiedenen Jahreszeiten mit der Deichsel einmal aufwärts, einmal links abwärts, wie z. B. gerade jetzt, steht, was wir leicht mit der Laufbahn unserer Erde um die Sonne in Verbindung bringen. Blos unsere Stellung zu den Sternen ändert sich, die der Sterne unter einander bleibt sich ewig gleich. Ewig gleich? Nein. Aber sie sind eben so unendlich weit von uns entfernt, daß ihre Bewegungen für unser Auge keine wahrnehmbare Ortsveränderung hervorbringen können. Bewegung herrscht im Weltall allerorten, weil überall Leben herrscht, das sich immer und überall durch Bewegung des Stoffes ausspricht. Aber es ist noch nicht lange her, daß man mit den stärksten Fernröhren unbedeutende Ortsveränderungen einiger Fixsterne zu einander, also doch Bewegung, beobachtet hat.

Doch es herrscht am nächtlichen Sternenhimmel nicht blos diese langsame Bewegung unendlich ferner Weltkörper, die wir eben nicht selbst wahrnehmen können, die uns vielmehr blos aus der von ihr bewirkten veränderten Stellung der Weltkörper zu einander in einzelnen Fällen kund wird; sondern mit der Schnelligkeit der die Luft durchschneidenden Schwalbe fahren, uns ganz nahe, Himmelskörper über unserem Haupte hin.

Das sind die sogenannten Sternschnuppen. Welch sonderbare Benennung! Man möchte sie gemein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_492.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)