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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

den scharfsinnig ausgedachten und scharfsichtig ausgeführten Untersuchungen der Naturforschung unserer Tage oft plötzlich zurück und gestatten dem vorwärtsdringenden Geiste mit einem Male das Eindringen in ein neues weites Feld, was dieser ohne Aufenthalt durcheilt, bis er wieder an einer Schranke steht, die sich vielleicht morgen schon ebenfalls als eine besiegbare zeigen wird.

Nein, nein! es ist das schöne Recht und die ernste Pflicht der Naturforschung, zu forschen Tag und Nacht. Nur dadurch hören wir auf, Fremdlinge auf der Erde und bewußtlose Spielbälle der Naturgesetze zu sein.

Was ich da für einen gewaltigen Anlauf genommen habe, um zur Erläuterung meines heutigen Bildchens zu kommen! Doch wenn ich auch kürzer dazu kommen konnte, so ist dies doch auch der richtige Weg. Denn ob ich mit dem Mikroskop das hier Abgebildete zum ersten Male sehe, oder den elektrischen Strom in den Nerven, den uns Dubois-Reymond zuerst gezeigt hat – Beides ist ein neuer Schritt auf der Bahn zu dem noch Unerforschten, wenn auch beide von sehr verschiedenem Werthe.

Ich komme heute schon wieder mit dem Mikroskop, welches jetzt alle Tage den Gesichtskreis des Naturforschers bereichert und erweitert; und in der That, seitdem man, was für die Lehre vom Leben von unglaublicher Wichtigkeit ist, die feinsten Gewebe des pflanzlichen und thierischen Körpers, einschließlich unseres eigenen, immer schärfer beobachtet, findet man eine Menge ungeahnter Schönheit; so daß neben dem Nutzen für das Wissen auch etwas für das Auge abfällt.

Du kannst unmöglich errathen, was heute meine Figuren darstellen.

Figur 1 ist in 200maliger Vergrößerung das Stückchen, was an Fig. 1b fehlt; und diese Fig. 1b ist eine 5malige Vergrößerung von Fig. 1a, welche die natürliche Größe zeigt. Dasselbe ist’s mit den Figuren von 2. Hier schneiden bei b die beiden Linien das Fig. 2 auch 200 Mal vergrößerte Stück heraus.

Was Du siehst, ist eine sehr feine, aber eine sehr derbe und haltbare Haut, auf welcher in regelmäßigster Anordnung, zunächst bei 1, kleine Zahnschüppchen oder Schuppenzähnchen, – wie Du willst – sitzen, welche aus Kieselerde oder einem ähnlichen feuerfesten Stoffe bestehen. Auf dem ganzen Blättchen, was eben Fig. 1a in natürlicher Größe darstellt, habe ich durch Multiplikation der Zähnchen einer Querreihe mit denen einer Längsreihe nicht weniger als 11,400 gefunden. Es ist daher das Größenverhältniß der die Zähnchen auf Fig. 1b darstellenden Pünktchen nicht richtig, sondern zu groß. Richtig gezeichnet wäre es aber weder zu schneiden noch zu drucken gewesen. Die Zähnchen jeder Querreihe werden nach dem Rande hin, wie Dir Fig. 1 zeigt, niedriger und anders gestaltet. Die größeren nach der Mitte zustehenden (links) zeigen 2 Spitzchen, ein größeres und ein rechts daneben stehendes kleineres. Beide sind hohl und es läßt sich damit schaben und kratzen, wie mit einen Kartoffelhacke.

Aber noch viel zierlicher wirst Du Fig. 2 finden. Hier stehen auf dem ganzen Dinge, Du sollst gleich hören was es ist, 7 Reihen ebenfalls steinerner Schuppen oder vielmehr Plättchen, welche an ihrer Spitze jedes anders mit 3, 4 oder sehr zahlreichen Zähnchen enden. Diese sind bei der mittelsten und den jederseits 2 nächstfolgenden Reihen ebenfalls hohle Schabinstrumente.

Du siehst, wie überaus regelmäßig diese zierlichen Plättchen, deren hier blos 1078 (in jeder der 7 Längsreihen 154) sind, sich unten in einander fügen; aber nicht fest; sie sitzen vielmehr locker in der Haut, wie die Federn in der Haut des Vogels, und können wie Messerklingen gegen einander bewegt werden.

Nun was wirst Du sagen, wenn ich Dir angebe, was das sei! Es sind die Zungen von zwei unserer gemeinen Gehäuseschnecken; – Fig. 1 von der bekannten Weinbergsschnecke, H. pomatia und Fig. 2 von der Kreismundschnecke, Cyclostoma elegans. – a. von beiden die natürliche Größe.

Wenn man solche Zungen mit dem Mikroskop betrachtet, – leider konnte ich Dir hier nur ein kleines Stückchen von jeder in 200maliger Vergrößerung zeichnen (denn ganz gezeichnet würde Fig. 2 zwei Ellen lang geworden sein!) – so findet man ihre Spitze immer abgenutzt, indem sich Plättchen loslösen und vom Thiere unwillkürlich verschluckt werden. Gleichzeitig wächst die Zunge hinten immer nach, wie die Nagezähne der Hasen und anderer Nagethiere. Untersucht man Schneckenkoth mit dem Mikroskop, so findet man fast immer ganze Zahnfelder von der eigenen Zunge, bis zu 100 und mehr Zähnchen darin.

Also die Löwen und andern katzenartigen Raubthiere haben nicht allein eine bewehrte Zunge. Ohne

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_506.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)