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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wird noch gesteigert durch das Geschrei der Jungen, die dem Hunde nacheilen und laut ausrufen: „Er ist toll! Nehmt Euch in Acht, er wird beißen!“ Einer der Jungen, der sich den Anschein besonderer Verwegenheit giebt, setzt dem Hunde nach und zerrt ihn glücklich auf die Straße. Während die Bewohner des Hauses meist rasch in ihre Zimmer flüchten, haben die jugendlichen Gauner die schönste Gelegenheit, sich nach werthvollen Gegenständen umzuschauen und sie zu entführen. Bis sich bei den Bewohnern die Aufregung und der Schrecken so weit gelegt haben, daß sie den Verlust entdecken, sind die Diebe bereits in Sicherheit und wiederholen in einem andern Stadttheil dasselbe Manöver. Die Ausbeute in der ersten Woche soll eine ergiebige gewesen sein. Für die Zukunft werden die jungen Spitzbuben freilich etwas Anderes erfinden müssen, denn die Polizei ist ihnen stark auf den Fersen.




Mineral-Reichthum der Türkei. Der Ingenieur der türkischen Eisenbahn, die ausgemessen worden ist, hat in seinen Grabungen auf türkischem Boden so viele Adern von Gold, Silber, Quecksilber, Kupfer, Eisen, Blei, Antimonium und Arsenik gefunden, ferner Spuren von Kohlen, Salz, Salpeter, Schwefel und Aluminium, daß man nach einer Wahrscheinlichkeits- Rechnung den reinen Gewinn aus diesen Minen bereits auf 30 Millionen Thaler abgeschätzt hat. Goldadern entdeckte man bei Adrianopel und Eisen am Flusse Ardo. Die alten klassischen Berge der Griechen, Ossa und Pelion, sollen allein mehr Gold verbergen, als z. E. der jetzige Krieg kosten würde. Der große thränenvolle Streit um den Schatz (nicht um den Schlüssel zur Betlehemskirche, der einmal an Allem Schuld sein sollte) wird nun um so – intereressanter werden.




Einige Lehensrechte. Unter den zahllosen Rechten, welche das Lehnswesen im Gefolge hatte, gab es viele lächerliche und abgeschmackte neben zahlreichen harten und bedrückenden; einige aber waren von Grausamkeit und die unmöglich Glauben finden würden, wären sie nicht historisch unwiderlegbar bewiesen.

Einige Grundbesitzer in Frankreich – wo die Gräuel des Feudalismus überhaupt am ärgsten gewüthet haben – hatten das Recht, wenn sie im Winter jagten, zweien der Leibeigenen, welche als Treiber aufgeboten worden waren, den Bauch aufschlitzen zu lassen, um sich in ihren Eingeweiden die Füße zu wärmen. Dieses gräßliche Recht, welches in der That zuweilen ausgeübt worden ist, wurde später durch gegenseitiges Uebereinkommen zwischen der Gemeinde und ihrem Grundherrn in eine Geldabgabe verwandelt, und diese mußte, ihres scheußlichen Ursprungs ungeachtet, fortbezahlt werden, bis die Revolution sie mit zahlreichen andern Privilegien des Adels aufhob, was jedoch nicht ohne lebhaften Widerspruch der Barone geschah, welche sich über die Verletzung ihrer Gerechtsame bitter beschwerten.

Kaum minder grausam war ein anderes Lehensrecht, viel weiter verbreitet und viel häufiger zur Ausführung gebracht. Dies bestand darin, daß der Lehnsherr oder Grundbesitzer das Recht hatte, dem Leibeigenen, welcher seine Abgaben nicht richtig bezahlte – und in schlimmen Zeiten waren diese Abgaben in ihrer zahllosen Mannichfaltigkeit durchaus unerschwinglich – die rechte Hand abhauen zu lassen. Gleiche Verstümmelung durfte der Grundbesitzer auch an den Leichen der verstorbenen Leibeigenen ausüben lassen, die ihm nichts zu erben hinterließen. Die auf solche Weise abgehauenen Hände wurden dann an den Thoren der Ställe oder Scheunen angenagelt, wie noch in unsern Tagen die geschossenen Raubvögel!!




In England giebt es einzelne Fabrikanten, deren Geschäfts- und Haushalt den eines großen mitteldeutschen Staates übertrifft. Der Alpaca-Wollen-Fabrikant Solt von Soltoire (letzteres ist der Name der von ihm allein gebauten Stadt für seine 5000 Arbeiter), der neulich 5000 Freunde zu Mittag einlud und sie darauf durch Extraeisenbahnzüge zu einem für sie besonders arrangirten Concerte führte, läßt jetzt eine neue Werkstatt bauen, 550 Fuß lang, 50 Fuß breit und 6 Stockwerk hoch. Die Maschine ersetzt 1200 Pferde und etwa 8000 Menschen, doch finden noch 6000 Hände[1] täglich volle Beschäftigung dabei.




Literarisches. In den nächsten vierzehn Tagen haben wir außer dem in der letzten Nummer angekündigten „Dessauer Jahrbuch“ auch noch ein „Hessisches (belletristisches) Jahrbuch“ zu erwarten. „Es gilt,“ wie der Herausgeber sagt, „ein Unternehmen in’s Leben zu rufen, welches bei den traurigen Verhältnissen, die wie ein Alp auf unserm engern Vaterlande lasten, durch das Zusammenwirken unserer bedeutendsten literarischen Kräfte das gesunkene Selbstvertrauen heben und stärken und der Erweckung und Nährung patriotischen Sinnes einen geistigen Mittelpunkt geben soll.“ – Ob dies ein belletristisches Jahrbuch vermag, müssen wir sehr bezweifeln. Die Zustände eines Landes lassen sich nicht durch einige Verse und Novellen ändern, ein gesunkenes Vertrauen nicht durch einige biographische Artikel wieder heben. Die Zustände des Landes sind hier wohl nur Aushängeschild. – Nach und nach scheint sich der amerikanische Humbug auch nach Deutschland überzusiedeln, wenigstens auf dem Felde der Literatur. Eine Hamburger Firma kündigt ein Buch: die Welt der Verbrechen, als „Amerikanische Volksbibliothek“ folgendermaßen an: Kein Humbug! 40,000 Abonnenten in Amerika! Interessant! Wohlfeil! Allgemein faßlich und verständlich! für Jedermann! Nur ein Silbergroschen!“ – Die Welt der Verbrechen als Volksbibliothek!!! – An Neuigkeiten sind diese Woche noch angekommen: Hesekiel, Zwischen Hof und Garten, zwei Bände Novellen. – Sternberg, die Ritter von Marienburg, drei Bände. – Monteton, Sänger und Ritter, zweibändiger Roman aus der Neuzeit.

E. K. 

Ludwig Storch.

In Leipzig erschien soeben:

Am warmen Ofen.
Erzählungen und Novellen
von
Ludwig Storch.
2 Bände. 23/4 Thlr.

Der rühmlichst bekannte Verfasser des „Freiknechts,“ des „deutschen Leinewebers“ und anderer vortrefflicher Romane übergiebt in diesen beiden Bänden dem Publikum eine Reihe anziehender und unterhaltender Novellen und Erzählungen, welche zweifellos großen Anklang finden werden.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.


  1. Anmerkung WS: Im Original: „Hunde“. Richtig: „Hände“ gem. Berichtigung auf Seite 520.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_508.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2023)