Seite:Die Gartenlaube (1853) 516.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Alles zusammen für 2 Pfund – eine vollständige Wirthschaft für vielleicht das ganze Leben, wenn man für nachwachsende Kleinigkeiten zu seiner Zeit für einige Pence hinzukauft. Tausenderlei andere einzelne Utensilien und Luxussachen – die sich ein Deutscher kaum in der Phantasie von Gußeisen vorstellen könnte, stehen alle da in eiserner Standhaftigkeit, in ihren glänzenden Kleidern dem allverzehrenden und allbelebenden Sauerstoff trotzend.

Für die verschiedenen Arten englischer Zimmer ist auf die mannichfaltigste Weise, beinahe Raum vernichtend, gesorgt. Was in Dein Schlafzimmer Alles gehören mag, Du kannst es in der Tasche und unterm Arme fortbringen. Eiserne Bettstellen verwandeln sich auf der Reise in ein Schlummerkissen, am Tage in ein Sopha oder einen Großvaterstuhl und auf den Druck einiger Federn des Abends in eine lange Bettstelle mit Bett. Wir haben Waschtische gesehen, die sich unter der Hand des Zauberers in eine Blechbüchse von 5 Zoll Tiefe verwandeln. Mit einem Ruck geöffnet zeigen sie Dir das Waschbecken, die Wasserkanne, das Seifennäpfchen, Bürstenkästchen und stehen fest, wenn Du Dich dieser Civilisations-Instrumente bedienst. Nicht zu vergessen ein Stück wunderbarer Marineseife im Näpfchen, die ganz besonders dazu gemacht ist, daß man mit Meerwasser eben so weiß waschen kann, wie mit Regenwasser.

Zum Kleider-Departement für Auswanderer, das die deutschen Juden in der Straße Houndsditsch beherrschen (Moses und Sohn sind beinahe so groß wie ganz Leipzig), gehörte ein Homer und eine Ilias, es zu besingen. Hier ist nicht nur tausendfacher Vorrath für alle Auswanderer, sondern auch für alle Soldaten, Matrosen, Arbeiter, Schiffer, Fischer und Irländer und jedes Ding funkelnagelneu dreifach billiger, als im Westend alte, abgetragene Sachen, freilich tausendmal theurer, wenn man die Thränen und Schwindsuchten, die hungrigen Tage und schlaflosen Nächte der dünnen Hände, die diese groben Arbeiten näheten, mit auf die Rechnung setzen würde.

Für Auswanderer ist auch hier am zärtlichsten gesorgt. Die beste Mutter kann ihre einzige Tochter zur Hochzeit nicht sorgsamer ausstatten, als hier der Jude den anglo-sächsischen Auswanderer. Da giebt’s immer vollständige Ausstattungen von 2 Pfund an bis 50 Pfund. Und in denen für 2 Pfund ist eben so viel, wie in denen für 50, in letzteren nur Alles 25 Mal besser. Nichts fehlt, selbst die Nachtmütze nicht. Und wenn der Auswanderer die Nachtmützen nicht mit haben will, wird der Jude eine zärtliche Mutter und bittet und beschwört den geliebten Kunden, der nie in seinem Leben an eine Nachtmütze dachte, sie ja in Australien zu tragen, da er ohne diese nicht 14 Tage leben könne. Die Ausstattungen sind außerdem auf das Genialste geordnet und eingerichtet nach den verschiedensten Berufsarten und Klimaten. Manche haben hier Ausstattungen nach einer aufsteigenden Linie von Pfunden und Schillingen rangirt. Wir schreiben eine solche Ausstattungsstufe ab. Für 3 Pfund 15 ß oder etwa 25 Thlr. erhält man: „Zwei Jacken, 2 Westen, 2 Paar Hosen, 1 Oberrock, 12 Hemden, 12 Paar Strümpfe, 6 Handtücher, 6 Taschentücher, 2 Paar Tragbinden, 1 Bett, 4 Decken und Betttuch, 1 Mütze, 1 Wetterhut, 2 Paar Schuhe, 1 Haarbürste, 1 Kamm, 1 Rasirmesser mit Streichriemen, 1 Seifennapf, 1 Spiegel, Messer und Gabel, 1 Teller, 1 Krug, 1 Eß- und Theelöffel, 6 Pfund Seife, Nadeln und Zwirn und eine Kiste, Alles hineinzuthun.“ Und dabei sind diese Juden auch Menschen und wollen nicht nur leben, sondern auch ihre Procente haben, wie ein rechtschaffener Christ. Natürlich ist auch jeder Artikel einzeln zu haben. und welch’ eine unendliche Elasticität hat jeder! Nachtmützen von 2 Pence bis 3 Schillinge. Mützen von 4 Pence bis 8 Schillinge. Jeder Artikel schließt also den Vorübergehenden in einen großen Raum ein und umgiebt ihn ringsum mit Artikeln, von denen er nothwendiger Weise diesen und jenen kaufen muß, um aus der Sirenenumarmung wieder herauszukommen. Ich müßte ja auch mein eigener größter Feind sein, denkt er, wenn ich mir wenigstens nicht das schöne Dings da für 6 Pence, wo für 1 Schilling Unterfutter darin ist, kaufen sollte!

Es thut mir leid, daß ich vor der Kiste der Kleider und Luxussachen, die je für 11 Pfund 11 Schillinge (nebst einer polirten Kiste) zu haben sind, zurückschrecke. Man denkt, es sei eine Ausstattung für die ganze türkische Armee. Der Umstand, daß 24 Paar Unterhosen dabei sind, läßt allein schon auf das Ganze schließen.

Aber der Auswanderer ist noch nicht vollständig versorgt mit Haus und Herd und Küche und Töpfen und Tiegeln und Haarbürsten, er will auch essen und trinken. Und da bis jetzt auf dem atlantischen Meere und dem stillen Ocean keine Semmeln wachsen und keine Fleischer wohnen und mit dem Meere, als einem großen Herrn, (zumal zwischen England und Australien) nicht gut Kirschenessen ist, mußte für Fleisch und Früchte u. s. w. für diesen Weg um die Halbkugel herum gleich vom Anfang an gesorgt werden. Und wie ist gesorgt! Alles, was Dir der höchste Pariser Restaurant bieten kann, steht Dir Tausende von Meilen von jedem Punkte festen Landes alle Morgen frisch auf dem Weltmeere zu Diensten. Sieh Dir diese verschiedenen runden Blechbüchsen an, die dort um Tower-hill herum in Läden aufgethürmt sind. Das ist nicht nur frisches Fleisch, das immer frisch bleibt, das sind auch alle mögliche Arten von frischem Obst und frischen Kartoffeln und frischen Gemüsen und – frischer Milch. Mit Chemie und Witz hat man’s wirklich so weit gebracht, daß alle diese Lebens- und Erquickungsmittel bei luftdichter Verschließung so bleiben, daß sie mit etwas Wasser behandelt sofort wieder alle Eigenschaften vollständiger Frische annehmen. Einige Fleischsorten, z. B. Stockfisch, amerikanische Ochsenzungen u. s. w. findet man wie Fuder Knüppelholz aufgeschichtet. Sie sind so hart getrocknet und überräuchert, daß ihnen keine Macht der Erde etwas anhaben kann, als kochendes Wasser. Am Genialsten klingt es, die frische Milch zu trocknen, luftdicht zu verschließen und dann alle Morgen ein Stückchen im warmen Wasser aufzuweichen, um stets eine Milch zu haben, die nicht besser unmittelbar von

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_516.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)