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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

und Beschaffenheit erlange, dafür sorgen gemeinschaftlich unsere Sitten und unsere Aerzte. – Kurz in jedem Lebensalter spielt die Blutarmuth eine so wichtige Rolle unter den Krankheiten, daß jedes Lebensalter eine besondere Besprechung in dieser Hinsicht verdient und erhalten wird. – Folgen der Blutarmuth. Zum Tode führt die Blutarmuth sehr oft in den ersten Lebensjahren und zwar unter den Erscheinungen einer Hirnkrankheit (mit Krämpfen) oder einer Magen- und Darmerweichung, oder als sogen. Drüsen- und Unterleibsschwindsucht. Nicht selten befördert hier der Arzt den Tod durch Blutegel und Calomel (das scheußlichste und doch beliebteste Mittel unserer Aerzte). In den Schuljahren legt die Blutarmuth den Grund für die spätere körperliche und geistige Schwäche, zur Schwindsucht und zum Buckligwerden. In dem Jünglings- und Jungfrauenalter geht die Blutarmuth leicht in Lungenschwindsucht über und ist Ursache der mannigfaltigsten Nervenleiden. Die Jungfrau wird durch die Blutarmuth für ihren zukünftigen Stand als Gattin und Mutter unfähig, und eine blutarme Frau kann als sensitive oder hysterische Person weder sich selbst noch Anderen das Leben erheitern.

Behandlung der Blutarmuth. Da die Ursache dieser Krankheit stets ein Mißverhältnis zwischen Einnahme und Ausgabe von Blut ist, so muß die Behandlung natürlich darin bestehen, die Blutbildung und den Blutverbrauch in ein richtiges Verhältnis zu einander zu bringen. Zuvörderst ist die Blutneubildung kräftig zu unterstützen und dazu gibt es durchaus keine andern Mittel als zweckmäßiges Essen und Trinken, sowie richtiges Athmen (s. Gartenlaube Nr. 48, S. 527). Was die Kost anlangt, so muß dieselbe vorzugsweise eine thierische sein und demnach hauptsächlich aus Milch und Ei (aber ebenso aus dem Eiweiß wie dem Dotter), aus kräftiger und fetter Fleischbrühe und weichem saftigen Fleische bestehen; stets darf dabei aber der Genuß von Wasser, Fett (Butter) und Kochsalz nicht zu sparsam sein, auch sind die festen Nahrungsmittel recht ordentlich zu kauen. Bei Pflanzenkost sind Mehlspeisen und Hülsenfrüchte den Kartoffeln, Gemüsen, Wurzeln, sauren Sachen u. dgl. weit vorzuziehen. Uebrigens muß sich die Kost sowohl hinsichtlich ihrer Beschaffenheit wie Menge nach der Verdauungskraft des Patienten richten. Darum berücksichtige man, daß reine Milch, weil sie im Magen zu Käse gerinnt, ziemlich schwer zu verdauen ist (beim Säugling ist nur Mutter- oder Ammenmilch von Vortheil), und daß flüssiges Eiweiß sehr leicht verdaut wird, während geronnenes Eiweiß äußerst schwer verdaulich ist; daß Fleischbrühe im Vergleiche zum Fleische selbst weit leichter verdaut werden kann und daß lockeres Weißbrod weniger Verdauungskraft braucht als schweres Schwarzbrod. Demnach würde sich ein Blutarmer mit schwachem Magen vorzugsweise von rohen Eiern und Fleischbrühen (Suppen) zu ernähren und lieber wenig auf einmal aber öfterer zu essen haben. Nach und nach könnte er sich an Fleisch, Milch und Brod gewöhnen. Von den Getränken läßt sich bei Blutarmuth nur das Wasser und Bier anempfehlen, jedoch darf letzteres nicht zu stark (alkoholhaltig) sein. Jedes Getränk, was Herzklopfen und sogen. fliegende Hitze macht, ist zu vermeiden. – Neben der Nahrung ist sodann das Athmen ja nicht außer Acht zu lassen und es muß hierbei ebensowohl auf die Art und Weise zu athmen, wie auf die Beschaffenheit der einzuathmenden Luft die gehörige Rücksicht genommen werden, wie dies früher schon gelehrt wurde (s. Gartenlaube Nr. 17). – Außer der Blutneubildung ist sodann die Reinigung und der Lauf des Blutes durch den Körper in Ordnung zu halten oder wo nöthig in Ordnung zu bringen. Wie dies zu erreichen ist, wurde in Nr. 48. der Gartenlaube gesagt. – Das ganze Blutbilden auf die angegebene Weise würde nun aber doch nicht zur richtigen Blutmenge führen, wenn nicht zugleich auch der Verbrauch von Blut etwas eingeschränkt würde. Deshalb muß man alle angreifenden körperlichen und geistigen Anstrengungen vermeiden, gemüthliche und geschlechtliche Erregungen umgehen, Nachtwachen und Reizmittel fliehen. Gerade dadurch, wodurch sich manche Blutarme zu nützen meinen, schaden sie sich, wie dies ganz vorzüglich mit den kalten Waschungen, Douchen und Bädern (Seebädern) der Fall ist, welche ein gar heftiges Reizmittel für die Hautnerven sind. Ebenso werden dem blutarmen Körper nicht genau angepaßte gymnastische Uebungen, so wie erregende Spirituosa schädlich. Uebrigens verlangt die Blutarmuth in jedem Lebensalter ihre besondere Diät und Lebensweise und deshalb soll nächstens eine ausführlichere Betrachtung dieser folgen. Daß man zur Heilung der Blutarmuth weder einen (Eisenmittel verschreibenden) Arzt, noch auch Arzenei nöthig hat, versteht sich von selbst.

(Ausführlichere Belehrung über den vorliegenden Gegenstand findet man in Prof. Richters Schrift über Blutarmuth und Bleichsucht, die hiermit angelegentlichst empfohlen sein soll.)

(B.) 




Die unbekannten Gewerbe in Paris.

II.
Der Schutzengel. – Herr August.

Ein Schutzengel – ein Schutzengel – was ist ein Schutzengel? Ich will es Ihnen erklären. So nennt man in Paris einen Menschen, der bei den größeren Weinwirthen zur Ueberwachung von Trunkenbolden verwendet wird. Er nimmt sie in seinen Schutz, führt sie heim und haftet dafür dem Weinwirthe, der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_540.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2020)