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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

des Herzens befanden, glaubte er, daß edle Theile nicht verletzt sein würden, als er aber die Unglückliche noch aufmerksamer untersuchte, fand er noch schwere Wunden in den Nieren, und eine Bewegung, die er sie machen ließ, führte sogleich heftigen Auswurf von Blut und den Tod herbei.

Während das Alles sich im Boudoir der unglücklichen Madame V. zutrug, ließ sich Herr V., der einen Wagen bestiegen hatte, zu dem Polizeicommissär des Reviers fahren. Die Entschlossenheit, Aufregung und Wuth, die ihn bis dahin ohne Zweifel aufrecht erhalten hatten, verließen ihn unterweges, und als der Wagen vor der Thür des Commissariats anlangte, fand der darin Sitzende sich außer Stande, ohne fremde Hülfe auszusteigen; der Kutscher ging zum Commissar hinein und sagte ihm, daß er einen Herrn geladen habe, jetzt aber fürchte, ihm nur noch einen Leichnam zu bringen. Von zwei andern Personen unterstützt, gelang es ihm jedoch, Herrn V. in das Büreau zu führen. – „Ich habe soeben meine Frau getödtet,“ sagte Letzterer mit schwacher Stimme beim Eintreten, „sie betrog mich mit anderen Männern, welche sie empfing; ich habe sie getödtet, meine Ehre gerächt und stelle mich nun als Gefangener.“ Nach diesen Worten verfiel er in eine völlige Abspannung und man hat bis diesen Augenblick noch nicht ein Wort aus ihm herausbringen können.

Ich behalte mir weitere Enthüllungen in Betreff dieses romantisch-schauderhaften Falles vor. –




Die Zeitgenossen des „alten Herrn.“ Es giebt einen Vorwurf, den man den an Jahren vorgerückten Menschen macht, daß sie ihre Jugendzeit schöner, freundlicher, besser finden, als die Gegenwart. Wir wollen es dahin gestellt sein lassen, wie weit dieser Vorwurf ein gerechter ist. Die Lebensskizze des alten Herrn können wir ohne den Gedanken an diesen Vorwurf nicht aus der Hand legen. Wir genießen jetzt die Früchte der Geistesfreiheit, die er, den Cyclus der größten Männer um sich versammelnd, anstrebte.

Aus dem klang- und sagenreichen Thüringen erheben sich die Wiegen der geistigen Freiheit. Was Karl August in Weimar schuf, haben wir gesehen. Werfen wir einen Blick in die weitern Gauen von Thüringen. Das Weimar nächste Erfurt war bewohnt und regiert von dem Krummstabe und ein altes Sprüchwort war daselbst: „unter dem Krummstab ist gut wohnen.“ Es war damals ein wahres Wort! Dahlberg, der Gönner und Freund des edlen Wessenberg, regierte als Coadjutor von Mainz. Wenn er auch nicht die Heroen des Geistes um sich versammeln konnte, so war nicht weniger ein Kreis der freisinnigsten und denkendsten Männer um ihn. Er gab wöchentlich Gesellschaften, wo jeder gebildete Mann Zutritt hatte, gleichviel welcher Konfession er angehörte, und nur wissenschaftliche Erörterungen waren der Gegenstand der Unterhaltungen. Zu seiner Tafel wurden Alle gezogen, die seinem edeln freisinnigen Leben und Streben gleichgesinnt schienen. So war sein, dem katholischen Bischofe, innigster Freund der Senior des evangelischen Ministerii, Engelhardt. Aus einzelnen Zügen des Lebens ist der Charakter des Menschen zu erkennen. Engelhard war an der Tafel bei Dahlberg. In vielleicht heiterer Weinlaune bemerkt Dahlberg: „Ihr Evangelischen seid doch arme Leute. Ihr habt nur drei Sakramente, da haben wir es doch besser, wir haben sieben.“ „Wohl wahr,“ sagte Engelhardt ernst, „aber mit Vielem hält man Haus, mit Wenigem kömmt man auch aus.“ Da war von keinem konfessionellen Kampfe die Rede, das Licht der Vernunft durchleuchtete den Regenten, es durchleuchtete die Professoren der damaligen Universität, und dieser Geist der ächten edlen Freiheit verzweigte sich in unendlichen Aesten durch die Schulen zum Volk. Ein Schüler jener Zeit war Gneisenau, der Schlachtenheld, dessen Vater bekanntlich Bauinspektor in Erfurt war und Neidhard hieß. Gneisenau’s mathematischer Kopf war wohl eine der Hauptzahlen in dem Kampfe gegen den Riesen des neunzehnten Jahrhunderts. Auch das war ein Mann, der stets bereit war, die töpferne Schüssel auf seine Tafel zu setzen. Noch erinnere ich mich, wie er als Feldmarschall nach Erfurt kommend, sich alle offizielle Ehrenbezeugungen verbat, bei einem alten Professor der Universität einkehrte, dessen Schwester ihm als Braut gestorben, alle die mit ihm zu Dahlberg’s Zeit studirt, um sich versammelte, und diese fröhliche Zeit durch gaudeamus igitur etc. zurückrief und Alle mit brüderlichem Du, mochten sie nun in bescheidenen Kreisen oder in höhern Lebenssphären sich bewegen, begrüßte. Es waren wackere Namen dabei, als Trommsdorff, der Mitgründer der neuern Chemie, Weingärtner der Mathematiker, auch der meines Vaters, den ich verschweige, der mit Röhr, Bretschneider, Paulus und Ammon, die Dunkelmänner, die überall wieder auftauchten, mit den Waffen der Wahrheit und des Lichtes bekämpfte. Das waren die Zustände Erfurts zur Zeit des alten Herrn. Einen andern sächsischen Thron schmückte in Gotha Ernst II., bekannt durch seine Einfachheit und Gerechtigkeit, und sein Nachfolger Herzog August, ein Fürst, ausgeschmückt mit seltenen Geistesgaben. Wenn ihn auch der Vorwurf trifft, daß er nicht so weise mit den Mitteln, die ihm sein Vorgänger hinterlassen, umging und seine Hofhaltung nicht zu der billigsten gehörte, so verband er aber mit dieser Neigung zum Luxus, die Liebe zu Kunst und Wissenschaft, vervollständigte die für ein so kleines Land wie Gotha sehr reichen Sammlungen aller Art und unterstützte Alles, was den geistigen Fortschritt begünstigte. Zu seinen Lieblingen und Vertrauten gehörte Friedrich Jacobs, im Kreise der Gelehrten als Herausgeber der griechischen Anthologie, aber noch mehr im Volke bekannt, als der Anbahner einer edlern Geistesrichtung der Jugendschriften! Häufig las er seine Manuskripte dem Herzoge vor, darunter einst seine Bruchstücke über die Forderungen der Zeit, die in einer Weise geschrieben waren, daß sie jetzt schwerlich gedruckt werden dürften. „Lieber Jacobs,“ erwiederte der Herzog, „das ist nicht für mich und noch viel weniger für meinen Vetter in Weimar geschrieben.“ „Das weiß ich,“ erklärte Jacobs, „aber es kann eine Zeit kommen, wo es gut ist, wenn es nicht braucht gedruckt zu werden.“

In Coburg regierte Ernst Friedrich mit seinem Minister Moritz August von Thümmel, dem Dichter, dem Verfasser der Reisen, der mit eisernem Fleiße außer seinen Lieblingsarbeiten Alles leitete, untersuchte, entschied, was sich seinem Ministerberufe entgegenstellte.

So war es zur Zeit den alten Herrn in Thüringen, die meisten Herrscher des zerstückelten Landes vereinigten sich zum Fortschritt der Geistesbildung, des Lichtes und der Wahrheit.




Der amerikanische Gesandte am französischen Hofe. Ueber dieses Thema bringt ein amerikanisches Blatt, die Cincinnati Gazette folgende Notizen:

„Am 15. August (1853) gab der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Drouyn de L’Huys. dem diplomatischen Corps ein Diner zu Ehren des Geburtstags Napoleon’s I. Alle in Paris befindlichen Gesandten und Geschäftsträger, sowie einige nicht mehr in Thätigkeit befindliche Diplomaten, waren bei diesem Mahle anwesend. Auch auf Sandford’s, unseres Gesandten, Karte stand, wie auf allen übrigen, in einer Ecke „in Uniform.“ Sandford schrieb sofort an den Minister des Auswärtigen, „daß seine Regierung, wie Herr de L’Huys ohne Zweifel wahrgenommen haben werde, kürzlich gewisse Instruktionen in Bezug auf Hofuniform erlassen habe, denen nachzukommen seine Pflicht sei; wenn er also bei dem Mahle erscheine, was ihm sicher viel Vergnügen machen werde, so müsse es in dem einfachen Anzuge eines Bürgers der Vereinigten Staaten geschehen. Gleichfalls ersuche er den Minister, wenn nöthig, dem Hofe anzuzeigen, daß er eben so in den Tuilerien sich zeigen werde.“ Er empfing ungesäumt vom Minister eine Antwort, welche keinen Einwand machte.

Er ging, und wie man sich denken kann, machte dieser Eingriff in altes Herkommen gerade zu einer Zeit, wo der Hof mehr und mehr ceremoniell und glänzend wird, großen Aufsehen und veranlaßte viel Gerede. Die Versammlung war brillant und schien mehr aus Gold, funkelnden Kreuzen, Sternen und kaiserlichen Adlern, als aus Menschen zusammengesetzt. Sie waren buchstäblich mit Schmuck überladen.

Sandford allein erschien in dem Anzuge eines einfachen Bürgers: schwarzer Frack, weiße Weste, gleiche Halsbinde und schwarze Hosen, ohne irgend eine Auszeichnung oder Stickerei. Während des Essens saß er neben dem Geschäftsträger der Schweiz, ihm gegenüber aber der Geschäftsträger von Venezuela, so vollständig in goldene Stickereien eingewickelt, daß er seinen Körper nur mit der größten Schwierigkeit in Bewegung setzen konnte. Der schweizer Geschäftsträger bemerkte, indem er sich gegen Sandford wandte: „Sehen Sie diesen kleinen Herrn, er ist der Repräsentant der unbedeutendsten Regierung von Venezuela, einer Macht, die kaum auf ihren Beinen stehen kann, die Wucht seiner Goldborten erstickt ihn fast, indessen Sie, der eine der größten Mächte der Welt, wo nicht die größte, vertritt, in der einfachen Tracht eines bescheidenen Bürgers erscheinen. Dieser Contrast macht Ihnen und Ihrem Lande Ehre.“ Etliche andere Complimente der Art wurden Sandford indirect gesagt, indessen die Mehrzahl der Anwesenden zeigte positive Abneigung. Die Neuerung war zu sehr ein directer Commentar zu ihrer eigenen Erscheinung, sie führte zu einem eigenthümlichen Gedankengang und nothwendig auch zu unangenehmen Betrachtungen über ihre eigene Stellung. Der Herzog von Guiche, der die französische Regierung zu Turin vertritt, nahm nach dem Essen Sandfords Arm und machte einige starke Bemerkungen über sein Auftreten. Sandford entgegnete in demselben Ton, und das Gespräch nahm eine andere Wendung. Der türkische Gesandte, Omar Pascha, am französischen Hofe sehr geachtet, suchte Sandford’s Gesellschaft und sagte zu ihm mit schlecht verhehltem Verdruß: „Eh! Qu’est ce que c’est! Vous avez l’air d’un corbeau dans cette foule des oiseaux d’or! (Was ist das? Sie sehen wie ein schwarzer Rabe unter diesen goldenen Vögeln aus!) Obwohl Sandford dem Muhamedaner seine Gründe aus einandersetzte, wollten sie diesem doch nicht recht einleuchten.

Der Tag war zugleich der Empfangstag in den Tuilerien, und der Kaiser empfing eine große Anzahl Würdenträger, darunter auch das diplomatische Corps. Sandford war auch hier in seinem schwarzen Gewande anwesend, abermals ein Rabe unter den goldenen Vögeln. Gewöhnlich bildet bei solchen Gelegenheiten das diplomatische Corps einen Kreis, der Kaiser geht dann herum und reicht Jedem die Hand. Diesmal aber blieb er auf der Stufe des Thrones stehen, zum Zeichen, daß die Gesandten zu ihm zu kommen haben. Etliche derselben näherten sich ihm, darunter Lord Cowley. Sandford schritt gerade durch das Zimmer und machte im Vorübergehen dem Kaiser sein Kompliment.

Abends wurde eine auserwählte Gesellschaft von hundertfünfzig Personen in die Tuilerien geladen, um mit dem Kaiser und der Kaiserin der Illumination beizuwohnen. Die Gesellschaft bestand aus der kaiserlichen Familie, den Gesandten und ihren Frauen und etlichen wenigen hervorragenden Fremden, unter denen der Marschall Narvaez und die Königin Christine von Spanien. Wiederum war Alles in Uniform, mit Ausnahme Mr. Sandford’s, welcher diesmal etwas Mühe hatte, durch die Hände der zahlreichen Lakaien zu kommen, die den Weg zur Majestät pflastern. Die Gesellschaft hatte sich im Saale der Marschälle versammelt; um neun Uhr traten der Kaiser und die Kaiserin ein. Sandford sprach mit der Prinzessin Mathilde, dem preußischen Gesandten und mit zwei oder drei Andereren über seinen Anzug, als der Kaiser sich zeigte. Als dieser Sandford erblickte, ging er sofort auf ihn zu, reichte ihm die Hand, sprach einige Minuten mit ihm und ersuchte ihn, wenn er schreibe, zu melden, daß er der beständige Freund Amerika’s sei! Der Kaiser ist schlau und hat seine Schule durchgemacht.





Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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