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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 7. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 1 bis 1 1/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Novelle von O. M.


„Ein für allemal sage ich Dir, es wird nie etwas daraus, François!“

„Aber Vater Meunier …“

„Schweig, Knabe, es bleibt dabei, meine Tochter soll niemals die Frau eines armen Schluckers werden, wie Du einer bist. Glaubst Du denn, François, ich habe mein ganzes Leben hindurch gearbeitet, um die sauer erworbenen Ersparnisse einem armen Teufel an den Kopf zu werfen, der meiner Tochter soviel wie nichts in’s Haus bringen kann? Richte Deine Augen anderswohin, mein Kind ist nicht für Dich!“

„Aber bedenkt doch, Herr Meunier, daß Ihr Euer Vermögen zum größten Theile meinem verstorbenen Vater zu danken habt, der Euch mit Rath und That unterstützt haben soll, wie man im ganzen Dorfe erzählt.“

„Nun hört aber Alles auf!“ rief hitzig Meunier. „Was weißt Du von meinen Spekulationen, Bursche, und von den Unterstützungen, die mir durch Deinen Vater geworden? Hätte derselbe das Seine zusammengehalten, wie ich es gethan, und nicht leichtsinnig sein Geld verliehen, vielleicht lebte er heute noch und wäre ein wohlhabender und angesehener Mann wie ich, der Maire Meunier von Carillon.“

„Ihr wollt Euch also nicht erweichen lassen, und mir Alice zur Frau geben? Wüßtet Ihr nur, wie ich sie liebe!“ rief François.

„Wahrhaftig! nun geht mir die Geduld aus. Entferne Dich, François! Mein Schwiegersohn wirst Du nie, es wäre denn, Du hättest zwölftausend Franken in der Tasche. Und höre, noch eins, treffe ich Dich wieder mit Alice allein, so kannst Du Dich auf eine Tracht Prügel gefaßt machen.“

Der arme François zerdrückte eine Thräne, die an seiner frischen Wange herablief, und schlich traurig davon. Die letzte Drohung des alten Maire schien jedoch wenig Eindruck auf den Verliebten gemacht zu haben, denn als die Dämmerung über die Gegend herniedersank, stieg François über Meunier's Gartenmauer und huschte in die von duftendem Jelängerjelieber umzogene Laube. Bald darauf schlüpfte eine weibliche Gestalt behend an dem Zaune dahin, und Alice stand vor dem armen François.

„Ich weiß Alles!“ weinte das Mädchen. „Der Vater ist böse auf Dich, François, und hat geschworen, Du sollest mich nie heimführen, denn Du seist ein armer Bursch, und hochmüthig dabei, als hättest Du das größte Gut in Carillon zum Eigenthum.“

„Es gab eine Zeit, wo mich Dein Vater lieb hatte, Alice. Weißt Du noch, wie er uns früher oft scherzhaft Mann und Frau nannte, und behauptete, wir paßten ganz trefflich zusammen? Das ist nun Alles vorüber, seit mein Vater gestorben ist und es sich gezeigt, daß er kein wohlhabender Mann war.“

„Und dann der alte, reiche Pächter Bissot! Seine Bewerbungen um meine Hand werden immer ernster, und der Vater begünstigt den zahnlosen Sünder und will, ich soll ihm Gehör schenken. Aber eher springe ich in den Fluß, als daß ich dem häßlichen Thiere zum Altar folge!“ rief Alice und stampfte dazu trotzig mit dem kleinen, hübschen Fuße.

„Mir ist ein Einfall gekommen, Herzblatt,“ sagte zärtlich der junge Bauer, indem er den Arm um die Geliebte schlang. „Was meinst Du, wenn ich nach Paris ginge und dort mein Glück versuchte. Zwölftausend Franken soll ich dem Vater ausweisen, dann will er uns zusammengeben; wer weiß, ob mir der liebe Gott nicht zu dem Gelde verhilft?“ –

„Zwölftausend Franken! Das ist eine große Summe,“ seufzte Alice.

„Es ist wahr,“ rief François, „aber bedenke, mein Herz, wie mancher arme Teufel schon in Paris sein Glück gemacht hat. Der Gedanke will mir nicht aus dem Kopfe, seit ich den Brief von meinem Onkel, dem Portier Brassin erhalten, worin er mich auffordert, nach der Hauptstadt zu kommen und als Garçon bei Madame Garnier in Dienst zu treten. Und höre, Alice, bin ich in drei Jahren noch immer der arme François, dann magst Du den alten häßlichen Bissot heirathen, ich aber will mich hinlegen und sterben.“ – Und François weinte bitterlich.

„Den Bissot heirathen?“ seufzte Alice, indem auch ihre Thränen flossen – „nein, mein François, das werde ich nie thun. Vertraue fest auf mein Herz wie ich auf das Deine, und will mein Vater mich nicht Dir zum Weibe geben, so gehe ich in ein Kloster.“

„Wir sind noch jung. Alice, ich bin zwanzig und Du siebzehn Jahre alt. Wir wollen Gott fleißig bitten, daß er uns glücklich mache – und bleiben wir einander nur treu, so wird vielleicht noch Alles gut!“ –

„Du willst also Garçon werden in dem Hotel?“ fragte Alice.

„Ja gewiß, das will ich! Den Herrn Pfarrer werde ich bitten, das kleine Vermögen, was aus dem Nachlasse meines Vaters mir geblieben, aufzubewahren, und dann werde ich unser liebes Dorf verlassen, um meinem Glück oder meinem Unstern entgegenzugehen. Du wirst mir treu bleiben, Alice, das weiß ich, denn Deine Liebe ist ja mein Leben, und der Gedanke, daß ich für Deinen Besitz mich mühe, soll mir eine Stärkung sein in allen trüben Stunden. Rechne auf keine Nachricht von mir, Alice, ehe die drei Jahre vorüber sind, dann aber will ich kommen, um Dir

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_067.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)