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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Spiegelbilder aus Persien.

Persien, Rußland und England. – Der Empfang einer Gesandtschaft. – Ein Besuch im Harem. – Die persischen Houris. – Bartfärben der dortigen Dandy’s. – Treulosigkeit. – Die Soldateska. – Merkwürdiges Verbrecherasyl. – Ohren- und Nasenabschneiderei. – Ein grauenhafter Weingarten. – Der furchtbare Thurm.

Die Erschütterung, welche durch den Angriff Rußlands auf die Türkei in den Völkerverhältnissen des Ostens entstanden ist, hat die Aufmerksamkeit in jüngster Zeit auch auf Persien gelenkt, dessen man sonst kaum gedachte. Dieses einst so berühmte Land ist in so tiefes Verderben versunken, daß es an sich wenig Bedeutung mehr hat, aber seine Lage und sein Verhältniß zu den beiden Großmächten, welche ihre Grenzen bis an die seinen vorgeschoben haben, ertheilen ihm noch eine solche, und wenn es jetzt dazu käme, daß England und Rußland in einen Kampf um die Weltherrschaft geriethen, so würde Persien wahrscheinlich der entscheidende Schauplatz desselben werden. Es ist daher von Wichtigkeit und Interesse, die inneren Zustände dieses Landes zu kennen, um ermessen zu können, welcher von beiden Mächten es am sichersten zufallen würde und ob es seinerseits noch im Stande ist, ein Gewicht in die Waagschale dieses Kampfes zu legen. Unsre Kunde über dasselbe ist ziemlich dürftig. Zwei Jahrhunderte lang haben wir nur durch die Jesuiten, welche versuchten, ihrem Christenthum in demselben Bahn zu brechen, Nachricht über Persien erhalten. Seitdem sie vertrieben wurden, ist derselbe beinahe gestockt, denn die Engländer ließen sich nur den Handelsverkehr mit Persien, nicht die ethnologische Schilderung des Landes angelegen sein.

Teheran, Hauptstadt von Persien.

Erst in jüngster Zeit haben wir durch zwei Pariser Künstler – der Maler Flandrin und der Architekt Costa – welche einer französischen Gesandtschaft beigegeben waren (1854) etwas genauere Mittheilungen über dieses Land erhalten und ihre Schilderungen und Forschungen verdienen unbedingt Berücksichtigung und Glauben, da sie (die Künstler) zwei Jahre lang Persien nach allen Seiten hin bereisten und gründlich kennen lernten.

Wir wollen versuchen, unsern Lesern den Hauptinhalt jener Forschungen mitzutheilen. Die Gesandtschaft wurde, als sie die Grenzen des Landes überschritten hatte und sich Tabriz näherte, mit allen Ehren empfangen. 5–600 Offiziere und Beamte, sowie die fremden Consuln ritten ihnen entgegen, und die Bevölkerung begrüßte sie auf’s Freundlichste. Es dauerte aber lange, bis sie der Gouverneur der Provinz, Karaman Mirza, der Bruder des Schachs empfing. Er war ein altgläubiger Muselmann, der sein Haus für befleckt hielt, wenn ein Christ in fränkischer Kleidung es betrat, und der französische Gesandte wollte sich nicht einmal dazu verstehen, die Stiefeln auszuziehen. Darüber wurden lange Unterhandlungen gepflogen und als der Prinz sah, daß mit dem stolzen Franzosen nichts anzufangen war, beschloß er endlich nachzugeben, aber ihn auch ebenso kurz abzufertigen. Der Palast, in den die Gesandtschaft geführt wurde, war prachtvoll, mit Spiegeln und Gemälden, welche Siegesthaten der Perser und Bildnisse Ghenkis Khans und Nadir Schachs darstellten, geschmückt. Der Prinz trug reiche goldne Epauletts, den Löwen- und Sonnenorden auf der Brust, einen goldnen mit Diamanten besetzten Gürtel um den Leib und Caschemirpantoffeln an den Füßen, saß aber unbeweglich auf dem Divan und machte kaum ein Zeichen, daß die Gesandtschaft sich setzen möge. Er sah nur auf die Stiefeln des Grafen de Sercey. Auch gegen die blumenreichsten Complimente des Dolmetschers blieb er ungerührt und antwortete nur kurz und einsilbig, so daß de Sercey sich gleich wieder empfahl.

Glücklicher Weise waren jedoch nicht alle Prinzen des königlichen Hauses so unzugänglich. Ein Oheim Karaman’s, Malek-Khassam-Mirza war ein Mann von Bildung und ein Freund der europäischen Kultur. Er kannte sechs Sprachen und unter diesen die französische. Er ließ es sich angelegen sein, die Fremden durch Jagd- und Lustpartien zu unterhalten, und namentlich gelang es Flandin vertraut mit ihm zu werden, weil er sich lebhaft für die Malerei interessirte. Die Perser verhalten sich gegen diese nicht feindselig wie die Türken. Als Schiiten sind sie nicht an den unbedingten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_071.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)