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Gehorsam gegen den Koran gebunden, der es bekanntlich verbietet, das Bildniß eines Menschen abzunehmen, weil dieser sonst berechtigt sei, seine entwendete Seele von dem Maler zu verlangen. Die Perser haben selbst Maler, welche einzelne Gegenstände nach der Natur, sowie Arabesken recht gut ausführen und viel Sinn für Farbe zeigen. Die Perspektive ist ihnen jedoch noch unbekannt und wo diese zur Anwendung kommt, erscheinen ihre Bilder dem Europäer noch rein kindisch. Der europäisch gebildete Khassam hatte daher eine lebhafte Freude an Flandin’s Zeichnungen und suchte ihm alle mögliche Gelegenheit zu verschaffen, die Sitten und Trachten des Landes kennen zu lernen. Flandin erkühnte sich daher auch, ihn zu ersuchen, ihm dazu zu verhelfen, eine Frau in Haremskleidung zeichnen zu können. Der Prinz lächelte über diese Verwegenheit, sagte indessen nach einigem Bedenken auch dies zu. Mehrere Tage vergingen, ehe Flandin etwas Weiteres darüber erfuhr.

„Eines Abends,“ erzählt er darauf, „erhielt ich eine Botschaft von dem Prinzen, die mich einlud, mit ihm zu Nacht zu speisen. Sein Arzt, ein alter weißbärtiger Franke, dessen Kunst uns sehr zweifelhaft erschien, der aber ein guter Kerl war, der Vertraute des Prinzen, holte mich zu dem Stelldichein ab. Die Nacht war dunkel, ein Führer ging uns mit einer weißleinenen Laterne, in der eine große Kerze brannte, voran, und bewahrte uns damit vor den Schneehaufen, die auf der Straße lagen, zog uns aber freilich auch die wüthenden Hunde, die sich dort umhertrieben, auf den Hals. So gingen wir durch finstre einsame Straßen nach dem Theile der Stadt, welcher das Serail des Prinzen und die Baracken der Soldaten enthält. Statt durch das große Gitter zu gehn, bogen wir nach einem Hinterhofe ein, in dem Alles finster und still war. Dort löschte unser Führer das Licht aus, der Doktor gab mir ein Zeichen zum Folgen und klopfte an eine kleine Thür, die vorsichtig geöffnet wurde. Hier war Alles geheimnißvoll und vielleicht nicht ohne Gefahr. Diese verschwand jedoch in meinen Augen vor dem Reiz, den das Abenteuer gewährte. Wir gingen durch ein dunkles Zimmer und einen langen Gang, stiegen einige Stufen hinauf und durchschritten ein halb erleuchtetes Zimmer, in dem ich mehrere Gemälde unterschied, welche tanzende und spielende Frauen darstellten, Gegenstände, die ich noch nirgend gesehen. Daraus schloß ich, daß ich mich in dem Theil des Hauses befand, der sich sonst nie den Fremden öffnet, in dem Zenanah oder Frauengemächern. Mein Führer kannte den Weg genau und wir gelangten endlich an einen der großen Thürvorhänge, die Perdehs heißen und dieser öffnete sich plötzlich. Ich stand wie geblendet, denn Alles strahlte in dem geräumigen Saale von Licht, Gold, Spiegeln und Gemälden. In der Mitte desselben sah ich eine Schaar Frauen, die bei meinem Anblick erschreckt aufschrieen und ihr Gesicht verbargen. Prinz Malek-Khassam, den ich zuerst nicht sah, lag am andern Ende des Saales auf Teppichen und Kissen am Boden, und brach in ein lautes Gelächter aus, als er mein und der Weiber Erstaunen sah. Darauf lud er mich ein, näher zu treten und sagte mir, daß er mich in sein eignes Anderoun habe laden müssen, da ihm keine Verfügung über das eines Andern zu Gebote stände.“ –

Die Houris dieses irdischen Paradieses hatten sich jetzt von ihrem Schreck erholt und an dessen Stelle trat die Neugier. Während Flandin, sein liebenswürdiger Wirth, ein Verwandter desselben und der fränkische Doktor eine treffliche Abendmahlzeit verzehrten, wurde Musik gemacht und getanzt. Die Tänzerinnen hatten kleine, den Castagnetten gleichende Cymbeln von klangreichem Metall, die sie mit den Fingern schlugen und mit denen sie den Takt angaben. Anfangs schienen sie nur aus Gefälligkeit für ihren Herrn und Meister zu tanzen, allmälig wurden sie aber lebhafter und leidenschaftlicher, ihre Bewegungen wurden rascher und das Orchester, das aus zwei Tambourins, einer Mandoline und einer dreisaitigen von einem blinden Mann gespielten Geige bestand, nahm ein schnelleres Tempo an und spielte immer heftiger, bis die Tänzerinnen in eine Art nervösen Paroxismus fielen. Flandin konnte sie am besten beobachten, wenn sie vor Erschöpfung ausruhten. Nie hatte er hierzu wieder so gute Gelegenheit, als an diesem Abend, wo er sie ganz unverschleiert vor sich sah.

„Die persischen Frauen,“ sagt er, „haben einen sehr kleinen Mund, schöne Zähne, gut geschnittene Augen und ihre Züge sind meistentheils sanft und zart. Sie färben gewöhnlich die innere Seite des Augenlides schwarz und verlängern die schwarze Linie von den Lidern mit einem feinen Pinsel. Die elegantesten schminken sich roth und tragen Schönpflästerchen. Durchweg färben sie ihre Hände orange mit Henna, das zu dem Zweck aus Indien gebracht wird. Aehnlich sind die Sohlen ihrer Füße gefärbt, so daß sie wie ein Schuh aussehen. Die Nägel sind mit Carmin gemalt. Ihr Haar ist von Natur dunkelschwarz und sehr fein, um es aber noch schwärzer zu machen und recht glänzend zu erhalten, färben sie es von Zeit zu Zeit mit einer Mischung, welche diesem Zweck entspricht. Diese schwelgerischen Sitten beschränken sich nicht auf die Weiber, auch die Männer fröhnen ihnen. Auch sie bemalen Hände, Füße und Nägel. Außerdem bildet der Bart und besonders der Schnurrbart den Gegenstand sorgsamster Pflege. Die alten Leute tragen den Bart nie weiß. Die unteren Klassen färben ihn mit Henna, das ihm eine unangenehme Orange-Farbe giebt. Auch die, welche von Natur den schönsten schwarzen Bart haben, unterwerfen ihn alle vierzehn Tage einem ziemlichen Prozeß des Färbens, der beim Baden vollzogen wird, und bei dem der Bart alle möglichen Farben durchmachen muß, die ihm mit Henna, Indigo und Pomade beigebracht werden. Das Henna färbt ihn zuerst hellroth, dann macht der Indigo ihn dunkelgrün und nach vierundzwanzig Stunden wird er endlich blauschwarz. Zwei Stunden lang muß der Patient regungslos auf dem Rücken liegen, wenn der Indigoextract angewandt wird, während dieser zugleich die Haut heftig reizt. Der persische Dandy unterwirft sich dieser Plage aber ohne Murren. Ist das Wetter schön, so begiebt er sich darauf unter sein Zelt, um sich dem dolce far niente hinzugeben. Wie alle Orientalen liebt der Perser das Zeltleben. Sechs Monate hindurch ist es in Teberan unerträglich heiß und ungesund. Während dieser Zeit leben die Teheraneser in den benachbarten Bergen und Thälern, wo sie in köstlichen Gärten ihre Zelte aufschlagen. Da sitzen sie, rauchen, essen Wassermelonen und Gurken und plätschern mit den Händen im Wasser. Die Gärten sind voll der herrlichsten Früchte und in allen Zweigen singen die Vögel.“ Flandin rühmt besonders die schönen Granatäpfel, die 12–15 Zoll im Umfang haben und deren Saft die köstlichste Erquickung gewährt. Wenn er einen Schilling zahlte, konnte er mit seinem Gefolge in diesen Gärten so viel Früchte essen, wie er wollte.

Aus diesem Landleben und dieser vegetabilischen Kost der Perser entspringt aber keineswegs eine patriarchalische Sitteneinfalt. Sie sind vielmehr voll der größten Falschheit und Doppelzüngigkeit und sie besitzen die höchste Verstellungskunst. Diese nisten sich von früh an durch Beispiel und Erziehung so fest bei ihnen ein, daß sie lieber lügen, als Wahrheit sprechen, wenn auch gar nichts davon abhängt. Einschmeichelnd in ihren Manieren und verschwenderisch mit Versprechungen, sind sie voll Trugs und moralisch verderbt vom Wirbel bis zur Zehe. Wenn Xenophon die jetzigen Perser sähe, würde er sie für die größten Lügner unter der Sonne erklären. Man muß daher in dem Verkehr stets mit ihnen auf der Hut sein und darf ihren süßen Schmeicheleien nie trauen. Eins ihrer Sprichwörter sagt: „Höflichkeit ist eine Münze, die nicht den reich macht, der sie empfängt, sondern den, der sie ausgiebt.“ Nach dieser Vorschrift lächeln sie nie süßer, als wenn sie betrügen oder berauben wollen. Treulosigkeit ist bei ihnen die Regel, Ehrlichkeit eine Ausnahme. Nie erhält man in Persien, was geschuldet wird, zu rechter Zeit oder ganz. Der französische Gesandte hatte hierin sehr bald bittere Erfahrungen zu machen. Auf das Ersuchen des Schachs hatte die französische Regierung zwölf Offiziere zur Ausbildung der Armee nach Persien geschickt. De Sercey fand sie im größten Elende in Tabriz. Man hatte sie bei ihrer Ankunft sehr freundlich empfangen, aber weder angestellt noch bezahlt und auch de Sercey konnte für sie nur Versprechungen, nie Sold erhalten. Das Soldatsein besteht für die Perser nur in dem Stolziren mit Uniformen nach russischem Schnitt und lächerlichen Dekorationen. Dabei sind die meisten Offiziere wahre Kinder, vierzehn Jahr alte Knaben, die lange Säbel schleppen und beinahe in ihren weiten Beinkleidern und hohen Stiefeln versinken. Diese hatten daher das größte Interesse, das französische Exerciren zu hintertreiben, und da den Russen ebenfalls daran gelegen sein mußte, daß die Armee so schlecht blieb, wie sie war, so wurde nichts daraus.

Eine weitere löbliche Eigenschaft der Perser ist ihre Habsucht. Alle kamen in Tabriz zum Herrn de Sercey gelaufen und rühmten, was sie für den französischen Padischah gethan hätten,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_072.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)