Seite:Die Gartenlaube (1854) 085.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Spiegelbilder aus Persien.

Spitzbübereien der Perser. – Der Schach und sein Volk. – Zwei Feueranbeter. – Derwische als Betrüger und Heilige. – Die Armee und ihre Renommage. – Persien, das vormalige Paradies. – Zukunft Persiens bei einem Kriege zwischen England und Rußland.
(Schluß.)

Der Reisende, sagt Flandin, muß in Persien eine volle Börse und gute Waffen haben und darf nicht anstehen, diese zu gebrauchen, zuweilen genügt indessen auch die Anwendung der Peitsche. Flandin selbst lernte sie gebrauchen, ein so gutherziger Mann er auch war. Als er von Ispahan aus in’s Innere gereist war, kam er sehr bald mit dem Maulthiertreiber, den er gemiethet, in Streit. Nachdem dieser sich hatte vorausbezahlen lassen, brachte er schlechtere Maulthiere, als er verheißen, und als eins derselben unterwegs gefallen war, weigerte er sich ein Pferd zu kaufen, unter dem Vorgeben, er habe sein Geld in Ispahan gelassen. Flandin ließ ihn durchsuchen, man fand nichts. Nach einigen Peitschenhieben kam indessen die Börse zum Vorschein, der Maulthiertreiber kaufte das Pferd und wurde von da ab der böslichste Mann von der Welt. Als Flandin die Ruinen von Persepolis durchforschte, wollte der Vorsteher eines kleinen Dorfes ihn chikaniren und aus den Gärten vertreiben, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte, obwohl der Firman des Sultans ihn dazu berechtigte. Flandin mußte förmlich mit ihm kämpfen und wurde dabei beinahe erschossen. Als dies ein höher stehender Beamter vernahm, ließ er dem Unverschämten sofort die Bastonade geben. Am andern Morgen erschien derselbe bei Flandin, leistete Abbitte und war die Höflichkeit selbst. Ein ander Mal verlangten die Wächter an der Landstraße, eine Art Landsoldaten, einen Tribut von ihm, da ritt sein Courier unter sie und hieb, den Firman zeigend, auf sie los. Da baten sie mit einem Male um Entschuldiguug. Dieser Courier hatte eine Forderung an den königlichen Schatz in Schiraz. Der Schach hatte selbst die Bezahlung angewiesen, sie wurde aber nicht geleistet und auch Flandin’s Verwendung konnte ihm nicht dazu verhelfen. Der Mann war in Verzweiflung. „Hätte ich nicht Weib und Kind,“ rief er aus, „ich bäte Euch, mich mit nach Frankreich zu nehmen.“ –

Solche Zustände können natürlich nur schlechte Folgen haben. Alles geht in Persien zurück und wird schlechter. Der Patriotismus erstirbt und der Funke von religiösem Fanatismus, der noch unter der Asche brennt, welche dieses unglückliche Land bedeckt, ist nicht mehr im Stande, die Herzen der Perser zu erwärmen. Einige plünderungssüchtige Khans bleiben so lange um den Thron, als noch Gold in dessen Umgebung glänzt, aber unter dem Volke giebt es sehr Viele, die den Schach und seine Veziere mit Verachtung ansehen und ihre Blicke auf die Fremden richten. So sehen die nördlichen Provinzen auf Rußland, die südlichen auf England. Nach Flandin’s Urtheil, das aber in diesem Punkt sehr einseitig ist, haben die Engländer seit vierzig Jahren alle Mittel angewandt, das persische Volk zu schwächen und herunterzubringen. Alle einflußreichen Männer des Landes sollen von England bezahlt sein und dieses soll überall seine Agenten haben. Es liegt auf der Hand, daß das Thorheit ist. Ein so demoralisirtes Volk wie die Perser, braucht man wahrlich weder herunterzubringen noch zu kaufen, es fällt dem stärkeren Nachbarn von selbst zu. Flandin selbst sieht sich überdies genöthigt, die in Persien beschäftigt gewesenen englischen Diplomaten Sir John Malcolm und Morier, den Verfasser des Hadji Baba wegen ihrer Verdienste um Persien zu rühmen.

Während Flandin die Ruinen von Persepolis durchforschte, begegnete er unter Anderm auch zwei Anbetern des alten persischen Feuerdienstes. Es waren alle Leute mit Turbanen statt der Kappen von Lammfell, die man sonst sieht, und langen weißen Bärten. Sie wechselten ein Paar Worte in einer Sprache mit einander, die Flandin nicht verstand, dann redeten sie ihn Persisch an und sagten ihm, sie seien Kaufleute aus Yerd, die von einer weiten Reise aus dem Norden zurückkehrten; als Feueranbeter könnten sie nicht vor dem Palast von Persepolis vorbeigehen, ohne ein frommes Gebet gesprochen zu haben. Damit häuften sie trocknes Laub und Holz auf dem Felsen, auf dem sie standen, zu einem Scheiterhaufen zusammen, zündeten ihn an und sprachen ein Gebet in der Zend-Sprache. Es überkam Flandin ein eignes Gefühl, als er diese lebendige Scene vor sich sah, die er so oft auf den Basreliefs des Palastes mit Inschriften derselben Sprache, die sie redeten, erblickt hatte. Seit zweitausend Jahren hatte sich also dieser Gottesdienst trotz aller Verfolgungen von Seiten der Mohamedaner erhalten! Es wurde ihm tief feierlich zu Muthe, als er die beiden Greise niederknien und die Flamme verehren sah, und noch lange blickte er der Rauchsäule nach. die über die mit Ruinen bedeckte lautlose Ebene emporstieg.

Die übrigen Reisenden, welche Flandin dann und wann antraf, konnten nie begreifen, was er unter den alten Steinen mache. Einige meinten, er müsse wohl in seiner Heimath keine so schönen Denkmäler haben. Andere aber, die Schlauköpfe sein wollten, meinten, er grabe nach Schätzen. Daß er ein Interesse daran haben könnte, wenn die Ausgrabungen ein neues schönes Relief zu Tage brachten, kam ihnen nicht in den Sinn. Es erzeugte sich daher auch der Glaube, die Franken hätten Gold und Juwelen gefunden und besäßen eine Vase mit fünfzig Pfund goldner Münzen, von denen sie einen Theil dem Schach geschickt hätten.

Flandin mußte daher den Nachts stets auf seiner Hut sein, und er ließ zwei Soldaten Wache stehn und ein großes Feuer vor diesen unterhalten, damit sie Jeder sehen konnte.

Einmal, als er eben die fabelhaften Ungethüme auf den Basreliefs studirte, trat ihm ein Mann entgegen, der in ein Tigerfell gekleidet, aber an Beinen und Armen nackt war; über seine Brust hing ein langer Talisman und an seiner Seite eine Schaale von indianischer Cocusnuß. Diese enthielt etwas Honig, den er Flandin anbot, um ein Almosen dafür zu fordern. Es war ein Derwisch. Die Sonne hatte seine Haut geschwärzt und das Haar flatterte lang um seine Schultern. Diese Derwische oder Fakire bilden die Plage von Persien. Sehr oft sind es entlaufene Sträflinge oder Räuber, die sich für Heilige ausgeben. Unter dieser Maske durchstreifen sie das Land, lassen sich nieder, wo es ihnen gefällt, und bleiben dort so lange sie wollen. Niemand wagt es, ihnen Obdach zu verweigern. Mit den Worten: Ya, Ali! erhalten sie Alles, was sie verlangen. Sie stehen in dem Rufe, Mittel für alle Uebel zu besitzen und treiben damit den unverschämtesten Betrug. Der Schach selbst hielt sich einen Derwisch, der stets in seiner Residenz war und ihm folgte, wohin er zog. Dieser Derwisch war der größte Lump, ein Spieler, Trunkenbold und Gauner. Dies hinderte jedoch nicht, daß er als Heiliger verehrt und daß ihm nach seinem Tode ein Grab errichtet wird, auf dem er den Namen eines Iwan erhält und dem die tiefste Verehrung gewidmet wird. Nur wenige unter diesen Derwischen sind noch religiöse Fanatiker, die ihr Leben in Gebet und Fasten vollbringen.

Als Flandin zuerst Persien betrat, an der nördlichen Grenze, erfuhr er einen praktischen Beweis, wie sehr das persische Volk im Allgemeinen die Russen haßt. Als er den ersten Halteplatz skizzirte, wurde er von einem Steinhagel, Schimpfreden und dem Wort: „Moskowit“ begrüßt. Daß es noch andere Franken, als Unterthanen des Czaren gebe, davon hatten die Leute keine Ahnung. Der Verlust von Georgien und die Niederlage an den Ufern des Araxes lag ihnen noch im Sinn. Ebenso groß ist ihre Abneigung gegen die Türken, die aus religiösem Sectenhaß entspringt.

Dabei gaben sie die lächerlichste Eitelkeit kund. „Und wenn die Türkei noch einmal so groß,“ rief ein alter Mollah, der damalige Premierminister des Schachs aus, „für Persien wäre sie nur ein Frühstück.“ Bei dieser Rodomontade muß man nur an die Armee denken, wie Flandin sie beschreibt. Die Offiziere sind entweder Knaben, wie schon oben erwähnt wurde, oder von Ausschweifungen und Lastern entartete Menschen, in denen kein Funke Ehre und Vaterlandsgefühl lebt, und die nur für große Epauletten und Dekorationen Sinn haben. Die gemeinen Soldaten werden mit Gewalt zum Dienst gepreßt, dem sie zeitlebens angehören, und erhalten so kleine Rationen und so selten Sold, daß sie fortwährend dem Hunger preisgegeben sind. Der Schach giebt das Geld hierzu an seinen Premierminister und dieser giebt es weiter; bis es jedoch durch alle Beamtenhände hindurchgegangen ist, schwinden die 12 Tomauns (ungefähr 60 Thlr.), welche der Mann jährlich erhalten soll, auf die Hälfte zusammen. Flandin sah ein Regiment, das seit 2 Monaten keinen Sold erhalten hatte. Zuweilen treibt das Elend sie zur Meuterei, und sie erlangen dadurch

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_085.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)