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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

so weichlich und besitzen so wenig Widerstandskraft, daß sie sehr bald sterben, wenn sie erkranken. Während ihres Heidenthums war es bei ihnen Sitte, daß sie ihre Feinde todbeteten. Sobald der davon Betroffene dies erfuhr, erschrak oder grämte er sich gewöhnlich so sehr darüber, daß er bald darauf starb.

Auch diese Beschaffenheit giebt daher den Amerikanern die Aussicht, daß sie auch physisch binnen Kurzem vollständig Herren dieser Inseln sein werden, und dann bringt es die Natur der Sache mit sich, daß dieselben den vereinigten Staaten einverleibt werden. Wie aus der gegebenen Schilderung hervorgeht, brauchen sie indessen nicht darauf zu warten. Wenn Dr. Judd es für gut befindet, wird Kamehameha III. keinen Augenblick Anstand nehmen, seine Krone niederzulegen und sich als Präsident der Sandwichrepublik in den Schutz der Regierung von Washington begeben. Wird er doch dadurch in seinem Billardspiel in Honolulu nicht gestört, sondern erhält er vielmehr die Aussicht, dasselbe um so sicherer fortsetzen und sich auch für seine Häuser auf den übrigen Inseln recht schöne Billards aus New-York kommen lassen zu können!




Blätter und Blüthen.

Einer von der Garde. Villemain, dessen Memoiren soeben in Paris erscheinen, erzählt folgende Scene aus dem russischen Rückzug. Der Kaiser, den man oft, von eisigem Winde gebeugt, auf einen Stock gestützt, durch den Schnee zu Fuß gehen sah, hatte diese Nacht in seinem Wagen zugebracht, der an einige Trümmer einer hölzernen Scheune lehnte, worin sich eine kleine Zahl von Oberoffizieren und Grenadieren befand, die sich bei einem Bivouacfeuer, bald stehend bald liegend, in seinen letzten Wachen ablöste. Verlorene Schüsse fliegender Batterien fuhren über die Ebene und durchstrichen manchmal das Hauptquartier, dessen Herde nachts mit Asche bedeckt wurden, um dem Feinde keinen Zielpunkt zu gewähren.

Das Schneefeld war mit Ueberresten von Pferden und Menschen übersäet, als der Kaiser beim späten Anbruch des Tags, nachdem er sein Wagenfenster herabgelassen hatte, Narbonne zu sich berief und mit schwacher Stimme zu ihm sagte: „Welch eine Nacht, mein lieber General, sie war nicht härter für unsere Schildwachen als für mich, der sie schlaflos im Nachdenken verbrachte. Unterdessen sehen Sie ein wenig nach; man soll ablösen; kommen Sie zur Vertheilung und nehmen Sie dies zur Erquickung; denn bei 28 Grad Kälte hält der Mut allein nicht warm.“ Und zu gleicher Zeit gießt er aus einem mit Weingeist gewärmten Gefäß, das im Wagen war, eine kochende Mischung von Kaffee und Chocolade in eine Tasse.

Der Adjutant nahm ehrerbietig an, was ihm der Kaiser anbot und trat, nachdem er einige Schritte vom Wagen zurückgegangen war, beinahe auf einen Grenadier, der auf einem festgetretenen, Schneehügel lag, sein Gewehr krampfhaft mit seinen Händen umschloß und in der Energie seiner zusammengezogenen Züge einen unbeschreiblichen Ausdruck überwundenen Leidens hatte.

Er beugte sich zu ihm und sagte: „Nun, mein Tapferer das war eine schlimme Nacht; aber endlich haben wir Tag: stehen wir auf!“ Der Soldat machte mit mächtiger Willenskraft eine Anstrengung, schien jedoch an allen seinen gestreckten unbeweglichen Muskeln erstarrt.

„Nur zu, man muß sich einander ein wenig aushelfen,“ versetzte Narbonne und reichte ihm das noch warme Getränke hin; „nehmen Sie das, wir haben noch mehr im Hauptquartier.“ Der Soldat zögerte, legte mit einer Art ehrerbietigen Stolzes die Hand an seine schwarze Bärenmütze, nahm dann die Tasse an und machte, nachdem er sie geleert, von neuem eine kräftige Anstrengung, erhob sich und richtete sich, auf sein Gewehr gestützt, dessen Kolben in den gefrorenen Schnee drang, mit einem gewaltigen Anstoße in seiner ganzen Höhe auf und erschien nun als das, was er war, als einer der tapfersten Grenadiere der Kaisergarde.

„Ach,“ sagte er, „mein General, wie demoralisiren doch Hunger und Kälte wackere Menschen! Hätte ich das je von Ihnen annehmen dürfen, da Sie älter sind wie ich und es sich am Munde absparten? Ich bitte um Verzeihung, und, auf Wort, nun da ich den Magen warm habe, schäme ich mich ganz.“

„Ach, mein Braver, was ich that, ist sehr wenig, und wir müssen den Rest, der uns blieb, brüderlich theilen!“

Und als der Soldat ihm nun die goldene Schaale ehrerbietig zurückgab, sagte er: „Nein, nein, behalten Sie das für Ihre Reisekosten: das Aeußere gehört Ihnen wie das Innere und wird Ihnen in Polen, wohin wir nun bald gelangen, nicht minder nützlich sein.“ Aber der Soldat trat um einen Schritt zurück, salutirte wieder und sagte: „Davor behüte mich Gott! Mein General, ich habe niemals etwas genommen noch angenommen, als meinen Sold und meine Vertheilung, wenn es eine gab.“ Und er legte die Schaale auf den Schneehügel nieder, den er soeben verlassen hatte.

Als der General freundschaftlich in ihn drang und sich entschuldigte, daß er einem so tapfern Manne nichts anderes anzubieten habe, ergriff der Soldat die Schaale, drückte unter seiner eisernen Faust mit dem Daumen eine Ecke des Gefäßes ein und brach ein Stück davon ab: „Weil Sie befehlen. General,“ sagte er, „werde ich von dieser goldenen Tasse diesen kleinen Napoleon behalten. Das wird meine Medaille sein, die mich an die Ehre erinnern wird, die ich hatte, als ich hinter des Kaisers Wagen Wache stehen durfte und von Ihnen abgelöst wurde.“

Dann präsentirte er zum Zeichen des Abschieds vor dem General und schritt, gleich als ob er seine volle Kraft wieder erlangt hätte, mit großen Schritten dem Wagen des Kaisers voran, der soeben bespannt worden war und den Schnee mühsam durchfurchend durch die Ueberreste der Bivouacs und die Todten der Nacht hindurchwankte.

Später sah der General den Soldaten, ermattet und abgezehrt, in einem anderen Bivouac wieder, dann verlor er ihn aus den Augen. Vielleicht wurde er gefangen.

„Ich habe,“ sagte Narbonne zu Villemain, „mit dem Kaiser einmal über diesen Soldaten gesprochen; er wurde davon gerührt. Aber glauben Sie nicht, daß dieser Grenadier ein außergewöhnlicher Mann war: das war der Geist der alten Garde, der Geist der Aufopferung und Disciplin, der Geduld und selbst der Humanität: eine wahrhaft erlesene Schaar, im Kriegsfeuer gebildet und geläutert, die vor allen Garden oder Prätorianern in der Welt den unschätzbaren Vorzug hatte, nur auf den Schlachtfeldern oder in feindlichen Hauptstädten, niemals aber in den Straßen der unsrigen verwendet zu werden und nur zu erscheinen, um durch Ruhm den Thron zu unterstützen, dessen Kraft sie war.“




Eine Enttäuschung. Unsere praktische Zeit und die Wissenschaft zerstören den Romantikern eine Illusion nach der andern. Das schöne spanische Gedicht von „dem gar tugendhaften und tapfern Cid, dem berühmten Geliebten der Ximene“ wird den meisten unserer Leser bekannt sein. Fast alle Geschichtsschreiber hatten bis dato theils angenommen, theils nachgewiesen, daß der Cid ein tapfrer, edler Feldherr des Königs von Spanien gewesen und diesem große Dienste in den Kämpfen gegen die Mauren geleistet, bis er in Ungnade fiel und als Rebell triumphirend auftrat. Jetzt aber weist der Professor Dozy in Leyden durch christliche und maurische Documente nach, daß der edle Cid nichts als ein „treuloser Räuber war, der Verträge und Eide brach, seine Gefangenen durch langsames Feuer verbrennen oder durch Hunde zerreißen ließ und zwar nicht, wie die Inquisition zum größern Heil ihrer Seelen, sondern lediglich, um sie zu zwingen, ihre Schätze anzuzeigen.“ – Anfangs diente der edle Ritter, dieser Repräsentant der religiösen Begeisterung Spaniens, wie ein ächter Landsknecht, dem Erbfeind des Christenthums, den Mauren, die ihn in ihren jetzt aufgefundenen Manuscripten als „galicischen Bluthund“ bezeichnen, der die schönsten Landschaften der Halbinsel plünderte, die Heiligthümer entweihte, viele liebliche Jungfrauen (wenn sie sich das Gesicht mit Milch wuschen, hüpfte das Blut ihrer Wangen, die Koralle stritt mit den Perlen in ihrem Munde) mit seiner Lanze durchbohrte und sie wie die Blätter des Herbstes unter seinen Füßen zertrat.“ – Später diente er dem allerchristlichsten Herrn, und den Spaniern gilt er jetzt noch als der Inbegriff des Tapfern und Frommen.




Lebensgroße Daguerreotyp-Portraits. Zu den unzähligen industriellen und artistischen Dingen, worin uns die Amerikaner übertreffen, gehört besonders die Daguerreotypie, worin nun auch noch Herr Ransom im Universitätsgebäude, Washington Square, New-York, wie die „New-York-Times“ erzählt, eine Erfindung gemacht hat, die sich als sehr bedeutend ankündet. Herr Ransom läßt nämlich das Gesicht, welches sich portraitiren lassen will, in Lebensgröße von dem besten Zeichner der Welt, der Sonne, vermittelst des Daguerreotyp-Apparates unmittelbar auf die Leinwand fallen, wo die bis aufs Haar genauen Züge beliebig mit Oel vollendet werden können.




Chinesische Fischer in Californien. Auf der Südseite der Rincon-Spitze nahe der Mündung der Missions-Bucht (Mission Creek) blüht jetzt eine chinesische Fischer-Colonie rasch empor, da die Leute durch Fleiß, Pfiffigkeit und ergiebiges Wasser ungemein viel Geld verdienen. Sie besteht jetzt aus etwa 200 Personen, die fast alle Fischerei treiben. Sie haben 25 Boote, die immerwährend beladen zurückkommen und leer kühn in’s Meer hineinfahren. Ihre Wohnungen stehen nett in zwei Reihen sich gegenüber, und sehen sehr reinlich und anmuthig aus. Vor den Thüren sieht man Gruppen, die Netze ausbessern oder Fische ausnehmen und trennen und der Sonne zum Trocknen hinhängen. Sie fangen größtentheils Störe, Hechte, Haye und Heringe. Letztere werden ganz getrocknet, die andern in dünnen Streifen. Vollständig ausgetrocknet werden sie in Fässer, Kisten und Säcke geschichtet und für die Goldgräber oder lange Seereisen größtentheils an ihre Landsleute verkauft. Sie verdienten letztes Jahr im Durchschnitt täglich vier Dollars oder fünf Thaler auf jeden Kopf, ein Beweis, wie bedeutend der chinesische Verkehr mit Californien schon geworden ist, insofern fast alle ihre Ernten an Landsleute verkauft werden.





Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_090.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)