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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 10. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 1 bis 1 1/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Das liebe Geld!

Geschichte aus Englands Gegenwart. Von H. Beta.

„Da fährt es nun hin, mein Glück, mein Geschäft! Pah! Ich werde mich nach einer Andern umsehen müssen, das ist Alles!“

„„Man schätzt ihn allgemein auf 150,000 Pfund. Und sie ist die einzige Tochter, das einzige Kind. Du wirst Dich lange umschauen müssen, ehe Du eine ähnliche Parthie findest.““

„Ah was, 50,000 Pfund thun’s auch. Im Whole sale (Geschäft im Großen, en gros) macht man die 100,000 dazu bald.“

„„Heiho! Du speculirst schon auf einen großartigen Bankerott?““

„Hast Du schon eine Firma reich werden sehen ohne Bankerott?“

„„Das weiß ich besser wie Du. Bin ich nicht schon bei fünf in Condition gewesen, die sich bei 100,000, bei 350,000 Pfund mit zehn bis zwölf Procent abfanden und dann von ihren Gläubigern einen drei-, vierfachen Credit bekamen? Das ist ’ne alte Geschichte in der Haupthandelsstadt der Welt, daß ein guter Bankerott reich macht und den Credit um Hunderte von Procenten erhöht; aber die Kunst besteht darin, mit Ehren, d. h. mit mindestens 20,000 Pfund Schulden seine Zahlungen einzustellen. Die Kunst besteht darin, diese Schulden zu contrahiren.““

„Das ist meine Sorge. Der Mensch kann Alles, was er will. Ich bin entschlossen, die 150,000 Pfund, die jetzt mit dem liederlichen Lord dort in die Kirche fahren, durch eine Heirath und einen Bankerott zu ersetzen. Du kriegst Deine Procente. In einigen Tagen etablire ich Dich mit sehr alten Büchern und beziehe mich auf Dich. Zwei habe ich schon. Nun geh’ ich zum ersten Besten, und beziehe mich auf einige alte Firmen. So bekommst Du eines Tages einen Besuch: Mister Johnson bezieht sich auf Sie. Kennen Sie den Mann? – Johnson? Johnson? sagst Du und schlägst einige sehr alte Bücher nach. Wir machen mit sehr viel Johnsons. Welchen Johnson meinen Sie? Henry Johnson! Edward Johnson! William Johnson! Harry Johnson und zehn bis zwölf andere Johnson. Edward Johnson, sagt der Mann. O, Edward Johnson, sagst Du, Edward Johnson, Sir! Es ist meine Sache nicht. Andere zu rühmen, sagst Du, aber wenn Sie hier sein Conto nachsehen wollen, hier sehen Sie! Ich kann nicht für ihn bürgen, aber da sind Posten von 50 Pfund, 70 Pfund, 150 Pfund, 370 Pfund, 620 Pfund, 1500 Pfund creditirt auf drei, auf sechs Monate, fällig an dem und dem, bezahlt an demselben früh Morgens 101/2 Uhr. Für mich, sagst Du, ist er gut für 10,000 Pfund, rathe Ihnen aber doch, mit dem Herrn, der noch sehr jung ist, vorsichtig zu sein, sagst Du. Gut, denkt der Mann, das brauchst Du Gelbschnabel mit dem kümmerlichen Backenbart mir nicht erst zu rathen, und geht zu dem Zweiten und Dritten. Der Zweite ist grob und hat jetzt nicht Zeit. Wiederkommen! Der Dritte ist eben beschäftigt, mit einem Geschäftsfreunde zu streiten, daß die Verkaufssumme für so viele Centner Indigo nicht 2589, sondern 2598 Pfund betrage. Endlich belachen sie den kleinen Irrthum, der Geschäftsfreund nimmt nachlässig sein Wechselformularbuch und schreibt, eine Onkel-Toms-Arie pfeifend, einen Wechsel gut für 2598 Pfund. Im Weggehen sagt er: Noch einmal, wollen Sie mir die ganze Ladung für 1500 lassen? 1750, keinen Farthing anders, antwortet er und wendet sich nun verächtlich an den Mann, der nach meinen Verhältnissen fragen will: Was steht zu Diensten? Edward Jobnson u. s. w. – Oh, Edward Johnson? Wie lange sind Sie Kaufmann? frägt er den Herrn mit ironischem Lächeln. So und so lange. Nun, sagt er, dann nimmt es mich nicht Wunder, daß Sie auf der Börse nicht von dem Mann gehört haben. Verlor 7000 Pfund an einem untergegangenen australischen Schiffe, wurde den folgenden Tag bestürmt, daß er wenigstens dreißig Procent zahlen möge, lachte sie alle aus, warf deren Forderungen seinem Kassierer hin, ließ die vollen Beträge zahlen, und bat die Herren, ihn nicht wieder zu incomodiren. Das ist Edward Johnson, Sir! – Der Zweite, der Grobe, ist endlich einmal zu sprechen. Edward Johnson? fragt er. Seine Verhältnisse? Wer sind Sie? Der und der. Gieb den Herrn Auskunft, sagt er ärgerlich zu einem Diener, während er einige schwere Säcke empfängt, sie auf den Tisch legt, ärgerlich besieht und sie in die große Geldkiste wirft. Die Quittung brummend hinwerfend, sagt er zu dem Geldlastträger: Sagen Sie Mr. So und So, er würde mich ein anderes Mal sehr verbinden, wenn er Wechsel statt Kasse schickte. Inzwischen hat der Diener dem Herrn, der nach Edward Johnson fragt, einige Kontobücher gezeigt. Credite von anständigem, doch nicht übertriebenem Betrage und die Quittungen dazu. Nun ist der Mann reif. Man nimmt Einiges, bezahlt es und fährt so mit etwas Avance fort, bis er sich geehrt fühlt, mit einer Lieferung von einigen hundert Pfund dienen zu können. So bringen wir uns gegenseitig in die Höhe, und ich vergesse meinen Liebesgram. Inzwischen bildet sich auch der Backenbart vollends aus. Mit diesem und dem stets hinten gescheitelten Haar und einer gestickten Weste bring’ ich ein Minimum von 50,000 Pfund dahin, daß es sich mir an den Hals wirft und erröthend lispelt: Ja, Edward, ewig die Deine! Damit 100,000 Pfund auf Credit bekommen und eine Zeit lang zu bezahlen, bis man einen Bankerott von 250,000 ansagen kann,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_103.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)