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Meere nach dem caspischen Meere hin, so daß er hier die Grenze zwischen Europa und Asien bildet. Nur drei größere Passagen führen über dieses einen ungeheuern Wall bildende Gebirge, aber auch diese Passagen sind reich an Fährlichkeiten aller Art und so ist die Verbindung zwischen den russischen Besitzungen diesseits und jenseits des Kaukasus außerordentlich erschwert. Im Laufe der Zeit haben die Russen längs der Küste des schwarzen Meeres eine Reihe von Forts aufgeführt, welche zum Theil dieser Verbindung nachhelfen, andererseits jedoch dazu bestimmt sind, den Tscherkessen das Meer zu sperren, von welchem her sie Schießbedarf und Waffen beziehen. Beide Zwecke sind nicht ganz gelungen. Bei den unaufhörlichen Angriffen der Tscherkessen ist die Verbindung eine noch wenig gesicherte, und kecke Seeleute wußten von jeher noch immer an den Küsten mit den Tscherkessen zu verkehren. Die Meinung hochgestellter russischer Offiziere, daß die Tscherkessen durch Gewalt nicht zur Unterwerfung zu bringen seien, ist schon längst keine vereinzelte mehr, wenn sie vielleicht auch in Petersburg nicht getheilt wird.

Enge düstere Thäler, undurchdringliche dunkle Wälder, schneebedeckte Gipfel, von zerrissenen Felsklüften umgürtete Hochebenen, Abschlünde, die als Wege dienen, in welche den größten Theil des Jahres kein Lichtstrahl fällt, reißende Bergströme: so ist der Charakter des Landes, das dem gemäß für die Bewohner eine natürliche, uneinnehmbare Festung ist. Ein Theil der Kaukasier hat sich gleichwohl schon seit längerer Zeit der russischen Herrschaft unterworfen, doch dürfte diese Herrschaft so unsicher begründet sein, daß die unterworfenen Stämme recht leicht in eine von den unabhängigen Stämmen unter Schamyl begonnene allgemeine Erhebung gerissen werden könnten. Die russischen Provinzen Georgien und Imeretien wären dann von aller Verbindung mit Rußland abgeschnitten.

Russische Wache im Kaukasus.

Der Krieg im Kaukasus trägt das allen Gebirgskämpfen eigenthümliche Gepräge. Plötzliche Angriffe und nächtliche Ueberfälle spielen die Hauptrollen. Die russischen Besatzungen in den Forts, die Schildwachen auf den Wällen, die auf freien Punkten angelegten Hauptwachen mit Hochschauen. Alle müssen unausgesetzt kampf- und schlagfertig sein. Rascher als die Lawinen vom Gipfel des Elbrus herabdonnern, brechen die tscherkessischen Schaaren aus ihren düstern Berg- und Felsgründen hervor, von Berg zu Thal rast plötzlich der Kampf, und nach kurzer Zeit verschwinden die unermüdlichen Kämpfer wieder in ihren Bergen.

Um sich einigermaßen gegen diese Ueberfälle zu schützen und sowohl ihre Truppen wie die befreundeten Tscherkessen und Kosakenstämme rechtzeitig zu benachrichtigen, haben die Russen besonders in den Ebenen eigenthümliche Wachen aufgebaut, die äußerst praktisch sind und ihre Nützlichkeit vielfach bewährt haben. Von fünf bis sechs schlanken und hohen Baumstämmen wird eine Art Pyramide zusammengestellt, auf deren Spitze eine bedeckte Hütte ruht, die stets von zwei Soldaten besetzt ist, deren Pflicht es ist, in der Ebene nach etwa gefährlichen Bewegungen umherzulugen. Ueber der Hütte selbst ist eine Art Telegraph angebracht, der mit einer Glocke versehen, dem nächsten Telegraphen die Ankunft des Feindes anzeigt und zugleich die nächste Umgebung zusammenruft. Dann wird sofort von dem einen Soldaten die Alarmstange angebrannt, deren Schein bei Nacht und deren Rauch bei Tage den Truppen den Weg zeigt.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_112.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)