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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Wir würden allzu weit in die Geschichte des Dampfes oder auch nur der Dampfschifffahrt eingehen müssen, wenn wir einer stufenweisen Machtentwicklung folgen wollten. Aller frühern Versuche nicht zu gedenken, liegt schon von dem Amerikaner Fulton, der 1807 zuerst erfolgreich die Dampfschiffe einführte, bis zur Erbauung des Wellington eine Reihe so mächtiger Fortschritte dazwischen, daß es an den nöthigen Ruhepunkten gebricht, um sich ein klares Bild zu verschaffen, wie der Dampf allmälig alle bestehenden Verhältnisse umgestaltete. Als Hauptmomente in seiner neuern Geschichte sind die Ueberschiffung des atlantischen Oceans, 1819 zum ersten Male durch einen amerikanischen Dampfer, und die Anwendung der archimedischen Schraube als forttreibende Kraft zu betrachten. Letzteres System feierte mit dem Wellington vorläufig seinen größten Triumph.

Die Idee, einen andern Mechanismus an die Stelle der bei den Dampfschiffen üblichen Ruderräder zu setzen, beschäftigte schon in erster Zeit die Männer von Fach. Man hatte die leichte Zerbrechlichkeit der Ruderräder alsbald erkannt, man hatte gefunden, daß bei nur zwei Rädern eine gleichmäßige Bewegung nicht immer erzielt werden konnte. Bei den Kriegsdampfern zeigten sich noch größere Nachtheile. Die Ruder und ihre Kasten beschränkten nicht unwesentlich die altherkömmliche Breitseite der Schiffe, wodurch ein kostbarer Raum verloren ging, außerdem konnte aber auch im Kampfe ein einziger Kanonenschuß die Ruderräder zerstören und damit das ganze Schiff unfähig zum Manövriren machen und der Gewalt des Feindes Preis geben. Um dem abzuhelfen, mußte ein Mechanismus gefunden werden, der so kräftig wie die Ruderräder, dabei weniger zerbrechlich und durch Zusammendrängung in einen möglichst beschränkten Raum gegen alle feindliche Schüsse geschützt erschien.

Zu diesem Mechanismus eignete sich nichts so gut als die archimedische Schraube, so genannt nach ihrem Erfinder, dem Griechen Archimedes, der im dritten Jahrhundert v. Chr. lebte. An mehrfachen Versuchen, sie anzuwenden, fehlte es nicht, doch erst dem Schweden Ericsson gelang es, eine eigenthümliche Anordnung auszudenken, durch welche die Zukunft der Schraube als bewegende Kraft praktisch gesichert wurde. Die Amerikaner Ogden und Stockton riefen hierauf in Verbindung mit Ericsson die regelmäßige Schraubenschifffahrt in’s Leben.

Wir glauben die Leser der Gartenlaube mit einer in Einzelnheiten eingehenden Erklärung des Schraubensystems verschonen zu sollen, denn wir müßten uns dabei technischer Ausdrücke bedienen und, um verstanden zu werden, Vorkenntnisse in der Mechanik und dem Maschinenwesen voraussetzen, welche der größere Theil des Publikums nicht besitzt. Daher genüge nur die Angabe, daß die archimedische Schraube (wie auch unsere Abbildung des Wellington zeigt) in der Mittellinie des Schiffs dicht am Hintersteven über einer Fortsetzung des Kiels unter dem Wasser liegt und ihre Umdrehung durch einen langen von der Dampfmaschine in Rotation gesetzten Wellbaum erhält. Die Schraube selbst, welche entweder von geschmiedetem Eisen oder von Kupfer ist, bildet nur einen nicht ganz vollständigen Umgang, der aus mehreren (bis sechs) Blättern besteht, welche in einem Winkel von 28 Grad zu einander stehen. Die Schraube dreht sich in der Längenrichtung des Schiffes, und ähnlich wie eine gewöhnliche Schraube in Holz eingebohrt wird, bohrt sich die archimedische Schraube durch das Wasser vorwärts und setzt so das Schiff in Bewegung. Wir hoffen mit letzterer kurzen Erklärung dem Leser noch am deutlichsten geworden zu sein und werfen nun einen näheren Blick auf unsere Abbildung des Wellington.

Der Herzog von Wellington ist ein Schraubendampfer erster Klasse von 131 Kanonen, 1000 Mann Besatzung und 4209 Tonnen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_119.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)