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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Die Spinnen und Krebse bilden zwei besondere Thierklassen für sich. Die Flügel können deswegen nicht als durchgreifendes Kennzeichen der Insekten benutzt werden, weil es doch ziemlich viele flügellose giebt.

Gewöhnlich theilte man sonst die Klasse der Insekten in acht Ordnungen, die auch im gewöhnlichen Leben meist ebenso unterschieden werden: 1. Die Flügellosen, Apteren (Flöhe, Läuse, Springschwänze). 2. Die Fliegen oder Zweiflügler, Dipteren. 3. Die Immen oder Hautflügler, Hymenopteren (Bienen, Wespen etc.). 4. Die Libellen oder Netzflügler, Neunopteren. 5. Die Wanzen oder Halbflügler, Hemipteren (Bett-, Baum-, Wasserwanzen etc.). 6. Die Heuschrecken oder Geradflügler, Orthopteren. 7. Die Falter, Schmetterlinge oder Schuppenflügler, Lepidopteren; und 8. die Käfer oder Scheidenflügler, Coleopteren.

Du siehst, daß es wesentlich die verschiedene Beschaffenheit der Flügel ist, nach denen das Insektensystem sich aufbaut, zu welchem in neuerer Zeit, als eine allerdings sehr abweichende Zugabe, die Tausendfüße als neue Ordnung hinzugefügt werden mußten; so daß, neben einer nothwendig gewordenen Zerfällung der ersten und zweiten obiger Ordnungen, das Insektensystem, wie es zur Zeit feststeht, zwölf Ordnungen zählt.

Von den genannten acht Ordnungen haben alle Insekten der zweiten, dritten, siebenten und achten Ordnung eine Verwandlung nach der vorhin gegebenen Umschreibung: aus der ersten und vierten blos einige, die übrigen haben keine Verwandlung.

Hier muß ich mir das Vergnügen versagen, über die einzelnen Insektenordnungen Dir weiteres zu schreiben, da ich vor der Hand meine Aufgabe im Auge behalten muß, Dir die wunderreiche Insektenverwandlung auseinander zu setzen. Vielleicht komme ich später einmal ausführlicher auf die einzelnen Ordnungen zu sprechen, wo Du dann sehen wirst, wie sonderbare und eigenthümliche Lebenserscheinungen diese Thierchen bieten.

Laß uns nun die vier vorhin bezeichneten Zustände oder Abschnitte des Insektenlebens der Reihe nach betrachten.

Der Eizustand.

Fast alle Insekten werden als Eier geboren, und die wenigen Ausnahmen können diese große allgemeine Regel nicht stören. Dennoch muß ich diesen Ausnahmen erst einige Worte widmen, weil sie ein besonderes Interesse haben. Du wirst Dich schon von selbst fragen: wenn nun manche Insekten nicht als Eier geboren werden, kommen sie denn da als Larven oder als Puppen oder als Fliegen (vollkommene Insekten) zur Welt? Entweder das Erste oder das Zweite, nicht das Dritte.

Wenn im Sommer rohes Fleisch nur eine kurze Zeit an der Luft gelegen hat, so sieht man dann winzig kleine, schneeweiße Würmchen darauf herumkriechen – die Hausfrau sagt: es ist beschmeißt – das sind die als Larven geborenen Jungen der bekannten Schmeiß- oder Fleischfliegen. Den ganzen Sommer hindurch bringen die grünen Wanzen unserer Rosenstöcke lebendige aber flügellose Junge (also Larven) zur Welt.

Die Pferdelausfliege (Hippobosca equina), welche für das Pferd ein arger Quälgeist ist, gebärt ihre Jungen gleich als unbewegliche Puppen.

Dies sind einige der bekannteren Ausnahmen.

Sehen wir uns heute zunächst beiliegende zierliche Figur an. Sie zeigt Dir, worin die meisten Insekten einander sehr ähnlich sind, die eine Hälfte des Eierstockes. Du erkennst leicht in den schönen perlschnurförmigen Gebilden die Bildungsstätten der Eier, die in ihnen desto größer und entwickelter sind, je tiefer und also je näher sie dem Eiergange liegen, in welchen bereits vier eingetreten und nun geeignet sind, gelegt zu werden, wofür Du unten am Eingange eine Oeffnung siehst. Die zierliche Figur stellt aber eine reiche Quelle von Unheil dar, denn – es ist der Eierstock einer Heuschrecke. In meinem folgenden Briefe sollst Du erfahren, wie diese furchtbaren Pflanzenzerstörer ihre Eier ablegen.

Von der Regel, welche die wunderbarsten Verhältnisse in Gestalt und sonstiger Hinsicht darbietet, soll mein nächster Brief handeln.




Blätter und Blüthen.

Sebastopol. „Als wir uns Sebastopol, von dem die Russen immer mit geheimnißvoller Ehrfurcht und Angst sprachen, näherten, fühlte ich selbst bedeutende Furcht vor allen möglichen Gefahren, doch fuhren wir, im Vertrauen auf unsere doppelte Verkleidung und unsern deutschen Führer Richter, frisch vorwärts. Als wir bei einer plötzlichen Wendung des Weges eine weite Uebersicht der Halbinsel Krimm auf der Wasserseite ihrer Gestade bekamen, erhob sich Sebastopol selbst als der eigentliche erhabene Mittelpunkt der ganzen Landschaft und bildete mit seinen hohen, weißen Häusern, drohenden Batterien und grünen Kirchendächern einen interessanten Anblick. Weit landeinwärts und mitten unter den Häusern und Hügeln erhoben sich Wälder von Masten und müßig im Winde flatternden Segeln. Wir konnten bald die schwerfälligen Körper von Linienschiffen wie Riesen über die Zwerge von Häusern und Straßen hervorragen sehen, so weit geht das Tiefwasser des Hafens mitten in die Bogen der Stadt hinein. Ich verbarg mich ängstlich in meinen Heuwagen, obgleich ich durch Bauernkleidung, über die der Staub noch einen Paletot von Unkenntlichkeit gewoben, mich sicher genug fühlen konnte: aber das strenge Verbot, Fremde in diesen Mittelpunkt der geheimnißvollen russischen Seemacht einzulassen, und die Furcht vor der russischen Polizei im Allgemeinen, beunruhigten mich auf die peinlichste Weise. Wiederholte Versicherungen Richter’s, daß ich ganz genau wie einer der vielen deutschen Bauern in der Nachbarschaft aussehe (die Zahl der deutschen Bauern auf der Halbinsel Krimm, der Kornkammer fast des ganzen schwarzen Meeres bis Konstantinopel, ist sehr bedeutend) und die schmutzige Tabackspfeife, die ich mir anstecken mußte, beruhigten mich einigermaßen. So polterten wir langsam und ziemlich unbeachtet vor Massen von Schildwachen vorbei, mitten in die Stadt hinein auf den Heumarkt und von da in ein deutsches Speisehaus, dessen Wirth uns mit Herzlichkeit und Beefsteaks aufwartete.

Die Vorsicht, mit der wir nun als polizeiwidrige Gäste Sebastopol in Augenschein nehmen mußten, paßte ganz genau zu der Luft und den Gesichtern hier. Alles sah uns geheimnißvoll und drohend an. Nichts als Soldaten und forschende Blicke und Kanonenaugen dumpf, groß, schwarz, blind, aber verderbenschwanger. (Eines Morgens präsentirten die Schildwachen mehrmals vor mir, bis ich hinter mir den Gouverneur der Festung bemerkte, der mich Schritt für Schritt zu verfolgen schien. Mein Blut gefror zu einem ganzen Sibirien, doch es erwies sich als Zufall und ich athmete auf, wie aus einer furchtbaren Lebensgefahr befreit. Der Ort wurde mir aber bald unerträglich. Hier erinnerte mich keine ehrwürdige Ruine an ehemalige Größe, wie in Italien, keine verschleierten Damen und beladenen Kameele trugen meine Phantasie in den wollüstigen Orient zurück. Die ganze Abwechselung auf meinen Spaziergängen bestand in Sechsunddreißigpfündern bis Sechsundvierzigpfündern und Soldaten. Es war mir, als ginge ich stets, wirklich und figürlich, auf einem ungeheueren Pulvermagazin, stets bereit, uns Alle in der Luft zu begraben.“

So schildert Laurence Oliphant, der neuerdings Sebastopol und die russischen Provinzen am schwarzen Meere genau gesehen, seinen Einzug

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_125.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2020)