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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Album der Poesieen.

Nr. 5.

Kaiser Karls des Großen Schaafpelz.

Nach Ingelheim zur Weihnacht in seine Pfalz am Rhein
Lädt König Karl die Ritter der Tafelrunde ein.
Die gegen die Lombarden jüngst siegreich sich geschlagen,
Will er nun gut bewirthen in diesen Wintertagen.

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Sie kommen mit ihren Frauen, ein schön geschmückter Zug.

Die Herrn in welschen Schauben von Seide und feinem Tuch,
Mit zartem Pelz gefüttert, gar köstliche Gewande,
Die venetian’sche Schiffe geholt aus der Levante.

Die Paladine haben in Mailand wälsche Tracht

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Gesehen und bewundert und fleißig nachgemacht.

Sie kauften sich die Schauben von der lombard’schen Beute
Und gehn darin zu Hofe als sehr geputzte Leute.

Seit ihrer Heimkehr grüßen die Herrn zum ersten Mal
Den jugendlichen König daheim und sein Gemahl.

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Im derben tuchnen Wamse steht Karl und ihm zur Seite

Die Königin, die holde, im schlichten wollnen Kleide.

Sie hat nicht nur ihr eig’nes, sie hat auch sein Gewand
Gesponnen, gewebt, geschneidert mit ihrer hohen Hand;
Sie hat mit Scheer’ und Nadel für ihn und ihre Kinder

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Schaafpelze angefertigt zum Schutze vor dem Winter.


Der junge König lächelt ob all dem Glanz und Prunk
Und beut den Paladinen vergnügt den Ehrentrunk.
Er ist gleich einem Knechte der Ritter anzuschauen
Und die Frau Königin gleichet der Magd der Ritterfrauen.

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Doch wer die edlen Formen des hohen Haupts erwägt,

Der sieht der Herrschaft Stempel auf seine Stirn geprägt,
Und wer ihn auch nicht kennte, der würd’ es dennoch wissen,
Daß Ihm die tapfern Recken hier all gehorchen müssen. –

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_130.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2020)